Außer über Uli Hoeneß, den ersten deutschen Oligarchen, wird auch über Datenverkehr im künftigen Zettabyte-Zeitalter debattiert. Droht das Ende des Internets, wie wir es kennen? Und: mal 'ne gute katholische Nachricht.
Alles schon wieder gut, nachdem die "unfassbar guten" "Mega-Bayern" im "phantastischen Match" am "fußballhistorischen Abend" gestern "stark wie nie" Barcelona "unter"-ge-"pflügt" haben?
Hin und her wogt jedenfalls die relativ gesamtgesellschaftliche Debattenwelle um einige der größten gemeinsamen Nenner des Landes, also Fußball, Steuern, Prominente, Bundesliga, Bundestagswahl... Vor dem eben in der Essenz aus aktuellen Schlagzeilen ohne Quellenangabe (wir sind ja keine Fußballkolumne) skizzierten Fußballspiel waren es erstens die News um den Transfercoup mit Mario Götze (die Bayern-Experten von der Süddeutschen schlossen messerscharf: "Die Bayern wollten die Nachrichtenhoheit zurückerlangen"), zweitens der Vermeldungs-Scoop dieses Coups (als erstes durch die Bild-Zeitung, wie als zweite die Ruhr Nachrichten meldeten) zu einem heiklen Zeitpunkt, sowie drittens die News um den Haftbefehl, den nicht etwa die Staatsanwaltschaft Bochum gegen Götze, sondern vielmehr eine bayerische am 20. März gegen Uli Hoeneß erlassen hatte. Das meldete wiederum ebenfalls die Süddeutsche (die natürlich ebenfalls an Nachrichtenhoheit interessiert ist). Dass so etwas über einen Monat lang nicht gemeldet wurde, also "nicht durchsickerte", ist überdies praktisch auch eine Nachricht.
In so einer aufgeheizten Atmosphäre lässt sich sogar eine Borussia Dortmund-Pressekonferenz livetickern. Und beinahe beschwingt von der überdurchschnittlich breiten Diskussionsbasis, die sich durch die Hoeneß-Steuer-Sache plötzlich ergeben hat, werden weiterhin überall in den Medien Querververbindungen aller Art gezogen. Schlagend, nur zum Beispiel, wie Ilija Trojanow heute in der TAZ Hoeneß zum ersten deutschen "Oligarchen" ernennt. Lesenswert auch, wie Wolfgang Michal bei Carta in genauer Kenntnis Nürnberger Lokalitäten den Hoeneß-Fall mit demjenigen Gustl Mollaths vergleicht.
Ganz interessant auch, dass die TAZ in der Goetze-Frage Carl von Clausewitz zitiert, während Frank Luebberding bei Carta (feurige Kommentare-Diskussion allerdings unterm selben Text bei wiesaussieht.de) rhetorisch "Anlehnung am alten Fritz" sucht, womit nicht derjenige von Thurn und Taxis gemeint ist, sondern ein Monarch eines ehemaligen Staates namens, ähm... Borussia.
[+++] Eine verdammt naheliegende Querverbindung dagegen, da braucht man ja bloß auf die Brust des jubelnden Thomas Müller zu schauen, oder auf die Webseite fcbayern.telekom.de, ist die zwischen dem FC Bayern München und der Deutschen Telekom.
Tatsächlich eine naheliegende Frage: Ob das, was der Fall Uli Hoeneß für Diskussionen über die im Sinne des Gemeinwohls, also der Infrastruktur im Grundsatz sinnvolle Steuergerechtigkeit sein könnte (sofern nach dem Bayern-Sieg nicht alles wieder gut ist), die Telekom für die bislang ebenfalls marginale, unter Infrastruktur-Aspekten ebenfalls gesamtgesellschaftlich sinnvolle Sache der Netzpolitik werden kann.
Zumindest wurde das Thema Netzneutralität in den Universalmedien jetzt so weit nach oben/ vorne gespült wie wohl noch nie.
Die Fakten: "Telekom ändert Tarifstruktur fürs Festnetz", meldet der Konzern selbst. "Integriertes Highspeed-Volumen wie im Mobilfunk", lautet die erste Präzisierung, und wer die Pressemitteilung genau liest, kann ein neues Wort lernen, das sich spätestens in drei Jahren gebrauchen lassen sollte, Zettabyte:
"Das Datenvolumen im Netz nimmt rapide zu: Nach Expertenschätzung wird es sich bis 2016 vervierfachen. Dann sollen 1,3 Zettabyte Daten (eine Zahl mit 20 Nullen) pro Jahr übertragen werden. Deshalb müssen die Netze kontinuierlich ausgebaut werden. Eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur würde bis zu 80 Mrd. Euro kosten."
Telekom-freundliche Medien wie der General-Anzeiger vom Telekom-Standort Bonn (dessen erfolgreichste Ballspiel-Mannschaft übrigens Telekom Baskets heißt) würden also sagen: "Telekom will Daten-Obergrenze auch im Festnetz einführen". Das "auch" bezieht sich darauf, dass das Prinzip vom mobilen Surfen über USB-Sticks, Smartphones und dergleichen ja schon bekannt ist.
"Die Telekom verkauft ab Mai 2013 kastriertes Internet", würde dagegen Sascha Lobo sagen. In seiner SPON-Kolumne, zwischen einer Menge Wortspielchen um Singvögel, Uli Hoeneß und einen weiteren alten Preußen ("Müsste, müsste, Bismarckbüste"), fordert der zurzeit arg metaphernselige Lobo "eine geistig-moralische Netzwende". Zumindest aber erklärt er gut,
"dass Bandbreite das Internet ist, und das Internet ist Bandbreite. Wer bei Datenübertragung nur an Tauschbörsenhehlerei denkt, ist entweder Lobbyist oder verdient ein Ungenügend in Netzkunde. Denn spätestens mit der Cloud werden alle möglichen und auch ein paar unmögliche Anwendungen mit einem Mal bandbreitenbedürftig. Das liegt nahe bei Streaming-Plattformen wie Spotify: eben war Musik noch eine Frage der Festplattengröße, jetzt schon hängt sie direkt von der Bandbreite ab."
Genau diese Bandbreite, die für viele teils heftig beworbene Anwendungen immer wichtiger wird und für manche künftigen Medien-Geschäftsmodelle essentiell sein dürfte, wird also erstmals verknappt.
Dass daher "das freie und offene Internet in Gefahr ist", würde netzpolitik.org sagen, und holt die ganz großen Kategorien hervor (wobei auch die Kommentare dazu Beachtung verdienen):
"Die Neutralität des Netzes war auch Ursache für die vielen positiven gesellschaftlichen Auswirkungen. Auf einmal ist das gesamte Wissen der Menschheit nur einen Mausklick entfernt. Menschen können staatliche Zensurmaßnahmen umgehen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen. ... Und viele Unternehmen sind mit neuen Geschäftsmodellen reich geworden. Darauf sind die Internet-Anbieter neidisch. Die Presseverlage haben sich jüngst mit dem Leistungsschutzrecht ein Gesetz erstritten, um unverhohlen ein Stück von Googles Kuchen abzubekommen. Geld von Google will auch die Telekom, wie Chef René Obermann unumwunden zugibt..."
Nun ist der Gedanke, dass Google als höchstprofitabler Konzern und Besitzer u.a. des Videokanals Youtube, dessen Videos zweifellos sehr hohe, leider nicht genauer bezifferte Bandbreite-Anteile erfordern, am Ausbau der Netze finanziell beteiligt werden sollte, nachvollziehbar.
Das steht auch in Kommentaren der gedruckten Presse, etwa im Tagesspiegel ("Hinter dem Vorhaben der Telekom steht ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse"). Es schimmert sogar im Telekom-kritischen Bericht der TAZ durch , die explizit gegen das erwähnte Leistungsschutzrecht ist. Dass außer der Telekom auch andere Provider aus ähnlichen Gründen ebenfalls Bandbreiten zu drosseln erwägen oder bereits drosseln, geht aus dem Wirtschaftsressort-Artikel der Süddeutschen hervor.
Das eigentliche Skandalon ist eher, dass das von der Telekom geplante Prinzip solche Unternehmungen an der Finanzierung beteiligen zu scheint, indem die Konzerne einander direkt bezahlen oder eigene Angebote gegenüber Wettbewerbern bevorzugen. Zurück in den schon verlinkten netzpolitik.org-Kommentar:
"Verletzungen der Netzneutralität können aber auch als vermeintlicher Bonus erscheinen. Weltweit gibt es Tarife, mit denen man trotz abgelaufenem Datenvolumen kostenlos auf Facebook surfen kann. Die Telekom zählt in manchen Tarifen das Datenvolumen des Musik-Streaming-Dienstes Spotify oder der eigenen Internet-TV-Angebote nicht mit. Die Bevorzugung eines Anbieters bedeutet jedoch zwangsläufig die Diskriminierung aller anderen. Damit ist das Netz nicht mehr neutral...",
argumentiert André Meister dort. Und das wäre ein großer Schritt hin zum "Ende des Internets, wie wir es kennen", wie sogar die Tagesspiegel-Überschrift lautet.
[+++] Tatsächlich stoßen die kartellrechtlichen Aspekte, also die Bevorzugung eigener Angebote und der von zahlenen Partnerkonzernen, bereits auf Kritik, etwa auch beim Handelsblatt und bei c-netz.de. Dieses C-Netz ist keine Mobilfunk-Netz, sondern ein der CDU zuzurechnender netzpolitischer Verein. Einerseits also mit Verbindungen zur amtierenden Bundesregierung, andererseits netzpolitisch, also in einem in seiner praktischen Bedeutung leider kaum niedrig genug einzuschätzenden Ressort...
Vielleicht eine Chance für die vielleicht ja doch nicht final untergegangene Piratenpartei? Deren vielleicht präsentabelster Politiker, Marina Weisband natürlich ausgenommen, Christopher Lauer, hat sich auf seiner Webseite bereits geäußert:
"'Netze in Nutzerhand' ist ja eine alte Forderung der Piraten. Wir sollten in der Tat die Telekom enteignen und den Bürgerinnen und Bürgern ihr Netz zurückgeben. Und die Netzneutralität in die Verfassung schreiben, Länder wie die Niederlande bekommen das ja auch hin..."
Wie sich so eine "Enteignung" auch als "Rücknahme total legal und supidupi kapitalistisch" gestalten ließe, erläutert Lauer direkt darunter.
Eine sachliche Debatte über Infrastrukturen, die den hoch komplexen, in einigen Feldern vielleicht schon bald von Quasimonopolisten, in anderen Feldern von börsennotierten, stark im Fußballverein-Sponsoring engagierten Konzernen beherrschten Märkten vielleicht nicht allein überlassen werden sollten - das wäre hilfreich.
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[+++] Könnte Peer Steinbrück, quasi der Kanzlerkandidat der Opposition helfen? Eher nicht, hat wallstreetjournal.de einer Rede "über die digitale Zukunft in Deutschland" (auf der Veranstaltung "Next 13") entnommen. Der Staat solle "den Internetbreitband-Anschluss garantieren", habe er z.B. gesagt, "und der Ausbau sollte auch mit Infrastruktur-Anleihen finanziert werden, die Bürger kaufen können." Nicht besonders aktualitätsgetrieben also, aber immerhin nicht falsch. Was ja auch eine Nachricht ist.
Ob es Steinbrück wiederum hilft, in der aktuellen, inzwischen frei online zu habenden Kolumne von Stern-Mann Hans-Ulrich Jörges in einen Topf mit Christian Wulff geworfen zu werden - zweifelhaft. Was Jörges in selbstanklägerischer Pose über "Rudeljournalismus" schreibt, lässt sich aber lesen.
+++ Jetzt die gute katholische Nachricht: Der Mediendienst Funkkorrespondenz wird, anders als zu befürchten war, weiterhin erscheinen (TAZ kurz, dwdl.de). +++
+++ Wer heute abend gegen Borussia Dortmund im ZDF antreten muss: der letzte "Bloch"-Film mit dem verstorbenen Dieter Pfaff in der ARD. "Es ist, ohne dass die Macher das vorher gewusst haben dürften, ein ziemlich passender Film für den Abschluss dieser Reihe, weil Bloch wie nie zuvor an die Grenzen seiner eigenen Existenz gerät" (Katharina Riehl, Süddeutsche). Es ist "keiner der ganz großen Bloch-Filme, wegen der sich schon im Titel ankündigenden, etwas platten Symbolik und weil das Szenario nicht so viel psychologische Differenziertheit zulässt wie die Vorgänger-Folge. Dennoch: ein würdiger Abschied. Haben wir schon Dieter Pfaffs wache, souveräne Verletzlichkeit als Schauspieler erwähnt?" (Hannah Lühmann, FAZ). Der Titel lautet "Die Lavendelkönigin". "Unterm Strich aber fallen alle Einwände kaum ins Gewicht, zumal man den von Verhoeven sehr behutsam und zurückhaltend inszenierten Film ohnehin mit einer gewissen Trauer verfolgt" (Tilmann P. Gangloff hier nebenan). Was Regisseur Michael Verhoeven sagte, steht im Tagesspiegel. +++
+++ Trauer auch um Vivi Bach. Den mit weiiitem Abstand schönsten Nachruf hat Dieter Bartetzko für die FAZ verfasst: "Mit 'Wünsch Dir was' hatte sich Vivi Bach freigeschwommen und war, vom damaligen Publikum unbemerkt, zur Leitfigur der verspäteten Weltoffenheit der Bundesrepublik und der Gleichberechtigung deutscher Frauen geworden, Kronzeugin dafür, dass hinter Lolita-Kulleraugen ein Verstand stecken kann und ein üppiges Dekolleté nicht zwangsläufig Intellekt ausschließen muss. Ohne Bedauern zog sie sich Ende der siebziger Jahre zurück...". Weitere gibt's etwa in der SZ und beim Tsp.. +++
+++ Den Niedergang der Los Angeles Times und Proteste etwa der Courage Campaign dagegen, dass nun die Milliardäre David und Charles Koch die Zeitung kaufen wollen, schildert die SZ-Medienseite ferner. Rupert Murdoch ist auch mit im Boot. +++ Wie derselbe Murdoch anno 1983 "F*** Trevor-Roper. Drucken." gesagt haben soll und somit den genannten Historiker beschädigt und die Hitler-Tagebücher-Sache vorangetrieben haben soll, stand gestern im FAZ-Feuilleton und steht jetzt frei online. +++ Heute schildert die Medienseite, was Gerd Heidemann derzeit macht: Er "lebt er vom Sozialamt". "'Mal bist du im Luxus, mal in der Scheiße.' Das ist sein Lebensmotto.". +++ Was zum Jubiläum mit den Tagebüchern geschieht, steht nebenan bei evangelisch.de. +++
+++ "Gratiskonkurrenz ruiniert die Bildungsinstitute, die sich aus Gebühren ihrer Teilnehmer finanzieren müssen", sagt Thomas Müller nicht vom FC Bayern, sondern vom Journalistenzentrum Haus Busch in Hagen (NRW) zu nordrhein-westfäliuschen Zeitungsförderungs-, also Journalistenfortbildungsplänen (newsroom.de). +++
+++ Twitter "hat ein Sicherheitsproblem" (u.a. sueddeutsche.de). Und es nimmt "in den kommenden Jahren mehrere hundert Millionen Dollar" mit Werbung ein (FAZ-Wirtschaft): "Immer mehr Menschen verbringen beim Fernsehen intensiv Zeit mit Twitter. Und sie produzieren dabei Daten über ihr Nutzerverhalten. Beides ist für die werbetreibende Wirtschaft hochinteressant..." +++
+++ "Patricia Riekel: 'Frau Furtwängler, Sie sind erneut bei uns auf dem Titel. Wie schaffen Sie das?' - MF: 'Ich habe beizeiten den Mann geheiratet, dem das Blatt gehört. Also Ihren Chef. So gesehen, ist es ganz einfach.' - PR: 'Wir nennen Sie ,eine der populärsten Schauspielerinnen', bedeutet das denn gar nichts?' - FM: 'Doch. Das war sehr wichtig, als ich noch sehr schlecht spielte, wissen Sie. Mittlerweile bin ich ja etwas besser geworden..." (TAZ-Kriegsreporterin Sandy Burmester in Hochform, in der sie sich auch über die neue TAZ-Wochenendausgabe äußert). +++
+++ Ebd. interviewt Deniz Yücel Slavko Martinov, auf dessen "fiktiven Propagandafilm" bzw. "Propumentary" namens "Propaganda" er im April mehr oder weniger reingefallen war. +++
+++ Feiert Markus Kavka bald mit einer "Live-Lebertransplantation bei RTL" sein Comeback in einem der großen Sender? Nein, einstweilen ist er nur mit "Bier on Tour" bei Servus TV, und das sei "für Montagabende, an denen das deutsche Fernsehen sonst nur sein gewohntes Allerlei anzapft, ... momentan jedenfalls eine empfehlenswerte Alternative", meint Peer Schader im Fernsehblog. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.