Auf der Agenda heute unter anderem: die Diskusssion darüber, wie groß die Dimension der Offshoreleaks unter medialen Aspekten ist und wie das Mammutprojekt einzuordnen ist im Vergleich mit den Wikileaks-Veröffentlichungen. Außerdem: Schweißausbrüche beim NDR, weil eine Gunter-Sachs-Doku überarbeitet werden muss, Neues zur Presseplatzvergabe beim NSU-Prozess sowie zu einem Spiegel-vs.-taz-Streit. Nicht zuletzt: Barack Obama würdigt einen verstorbenen Filmkritiker.
Ein bisschen muss man ja an Formulierungen wie „ein Eisberg doppelt so groß wie Manhattan“ und ähnliche bei nicht wenigen Journalisten beliebte plastisch-superlativaffine Vergleiche denken, wenn Sebastian Mondial sagt:
„Die reine Lebenszeit der beteiligten Journalisten würde nicht ausreichen, jedes Dokument einzeln zu lesen und vernünftig einzuordnen und zu sichten".
Wer Mondial ist? Ein unter Journalisten derzeit sehr gefragter Mann, denn der Datenjournalist war eine der zentralen Figuren bei dem vom Journalisten-Netzwerk ICIJ koordinierten Rechercheprojekt „Offshoreleaks“ (siehe Altpapier). Zu finden ist Mondials oben zitierter Satz unter anderem in einem „So gelang die Enthüllung“-Text auf der Website des NDR, einem der deutschen Partner des Mammutprojekts, sowie in einem Interview, das ebenfalls der NDR geführt hat.
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Am ausführlichsten über die Hintergründe des Investigationsprojekt in Sachen Steueroasen berichtet naturgemäß das ICIJ selbst, dessen Twitter-Account auch eine gute Quelle für jene sein dürfte, die über aktuelle Veröffentlichungen auf dem Laufenden gehalten werden möchten. Die SZ, der zweite deutsche Offshoreleaks-Partner, liefert unter anderem einen Überblick über die Enthüllungen in anderen Ländern, erwähnt etwa diese Karte der Schweizer Sonntagszeitung. Für zukünftige Aufarbeitungen hilfreich sein dürfte Bastian Brinkmanns Werkstattbericht. In der Printausgabe widmet die SZ den Offshoreleaks eine komplette Doppelseite (20/21) im Wirtschaftsteil.
Dem Datenjournalisten Mondial begegnen wir noch einmal in einem Spiegel-Online-Text wieder:
„Zunächst arbeitete er mit mehr als zehn Journalisten und Forensikern aus der ganzen Welt zusammen, schlussendlich waren es 86 im Team. Mondials Job und der seines Kollegen Duncan Campbell war es, die Vielzahl von Quellen für jeden einzelnen Rechercheur zugänglich zu machen. ‚Das braucht einen elektronischen Workflow, so viel Material druckst du nicht mehr aus.‘ Gerade für die Suche nach bekannten Personen in dem Datenberg und die Analyse von Beziehungen zwischen einzelnen Firmen seien spezialisierte Werkzeuge unerlässlich. (...) Dass die Geheimhaltung - knapp ein Jahr lang - geklappt hat, sei fast unglaublich: ‚Dass eine multinationale Kooperation so vertraulich funktioniert hat, das ist für mich eine der größten Leistungen des Projekts.‘" Dass die anonyme Quelle nicht enttarnt wird, dafür haben die Journalisten diverse Vorkehrungen getroffen. ‚Das Projekt ist aus meiner Sicht auch ein Gegenentwurf zu Wikileaks‘“ sagt Mondial.
Letzteren Gedanken führt Jürn Kruse in der taz aus - und zitiert am Ende den Ex-Wikileaker Daniel Domscheit-Berg mit den Worten:
„Das ist das, wo wir hinmüssen: weg vom Hype und hin zu einer professionellen und richtig strukturierten Aufbereitung von Leaks.“
Hype-frei klingt die Meta-Berichterstattung aber bisher nun auch nicht gerade. Und eine Gemeinsamkeit mit Wikileaks könnte sich noch ergeben, wenn das ICIJ, wie offenbar gerade diskutiert, die Dokumente für jedermann zugänglich macht.
Die FAZ beschäftigt sich in mehreren Texten damit, was unter anderen die Kollegen in München herausgefunden haben. Im Wirtschaftsteil zitiert sie unter der Headline „Schäuble will Daten aus Steueroasen sehen“ (Printversion) bzw. „Schäuble möchte Daten für Steuerfahndung haben“ (Onlineversion) einen sich „betont erwartungsvoll“ äußernden Sprecher des Bundesfinanzministeriums, der davon ausgeht, dass „nunmehr die relevanten Unterlagen an die zuständigen Steuerbehörden der Länder übermittelt werden, damit diese zügig ihre Ermittlungen aufnehmen können und daran anschließend dementsprechende Verfahren einleiten können.“
Auf der Medienseite erfahren wir, dass die Offshoreleaks beim am Projekt beteiligten NDR einen kleinen Kollateralschaden ausgelöst haben. „Drama um eine Dokumentation: In letzter Minute wird eine Aktualisierung nötig“, lautet der Anreißer, in dem es um die ARD-Doku „Der Gentleman-Playboy – Gunter Sachs“ geht, einen Film also über eine Person, von der derzeit im Zusammnenhang mit Oasenvorlieben die Rede ist:
„Für den öffentlich-rechtlichen Sender ist der Fall besonders brisant. Denn für den kommenden Montag ist im Ersten eine fünfundsiebzigminütige Dokumentation über Gunter Sachs angekündigt, die vom NDR produziert wurde. Der Film von Kay Siering und Jens Nicolai werde ‚derzeit aktualisiert‘, hieß es am Donnerstag auf Anfrage (..)“
Dass bereits fertiggestellte Dokumentationen kurzfristig aktualisiert werden müssen, kann passieren. Ist eigentlich kein Drama. Von dem Enthüllungs-Nebenschauplatz berichtet auch Simone Schellhammer im Tagesspiegel:
„Die Macher der NDR-Dokumentation (...) fielen am Donnerstag offenbar aus allen Wolken, als die Enthüllungen zum Steuerflucht-Skandal bekannt wurden. (Sie ) hatten keine Ahnung davon, dass Rechercheure des eigenen Senders führend an der Enthüllung über den Steuerfluchtskandal beteiligt sind.“
Weiteres zum Thema Offshoreleaks aus dem Tagesspiegel: Der durch finstere Vorgänge in der Finanzwelt nicht leicht zu schockende Harald Schumann schreibt:
„Eine solche Enthüllung hat die Welt noch nicht gesehen.“
Er gibt aber zu bedenken:
„Die Dokumente sollen erstmals konkret belegen, wie unter anderem die Großbanken UBS, Credit Suisse und Deutsche Bank ‚aggressiv dafür sorgen, dass ihren Kunden Geheimhaltung über Firmen auf den British Virgin Islands (BVI) und anderen Offshore-Verstecken gewährt wird‘, schreiben die ICIJ-Rechercheure. Die bisher veröffentlichten Berichte machen dazu aber noch keine Angaben.“
Womit wir bei den nicht komplett euphorischen Einschätzungen angelangt sind. Zum Beispiel bei einem Beitrag, den Christian Humborg, der Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, für Carta geschrieben hat. „Ein Riesencoup“, findet er. „Doch essentielle Fragen bleiben offen.“ Zum Beispiel:
„Im Zentrum der Berichterstattung stehen die üblichen Verdächtigen wie Panama oder die Jungferninseln und Luxemburg. Die zivilgesellschaftliche Organisation Tax Justice Network wird seit Jahren nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Delaware, Florida, die Schweiz oder die City of London zu den größten Schattenfinanzzentren gehören. Hierzu finden sich keine Berichte. (...) Der Fokus der Berichterstattung liegt bei Kriminellen und Steuerhinterziehern. Was ist mit den Multinationals, die vermutlich in aller Regel legal ihr Firmenkonglomerat ‚optimieren‘, um Steuerzahlungen zu vermeiden oder zu senken?“
Humborg weist auch noch auf einen zum Thema passenden „exzellenten“ ZDF-Halbstünder hin.
Jenseits der inhaltlichen Fragen, die der Transparency-International-Mann aufwirft, kann man auch noch einige stellen, die etwas mit aufmerksamkeitsökonomischen und veröffentlichungszyklischen Gesetzmäßigkeiten zu tun haben. Werden die aufwändigen Auswertungen des Rohmaterials einigermaßen angemessen präsentiert werden können, wenn die vielzitierten nächsten Säue durchs Dorf laufen wollen? Wie verhindert man es, dass nach dem ersten Hochkochen das Interesse nicht zu schnell nachlässt? Was wird langfristig hängen bleiben? Was ist langfristig hängen geblieben von der Bearbeitung verschiedener via Wikileaks den Medien zugänglich Dokumenten-Großpaketen?
[+++] Als Aufmacher im gestrigen Altpapier diente der Zeit-Artikel über die gefälschten „Hitler-Tagebücher“, den der einst als Stern-Chefredakteur direkt involvierte Felix Schmidt verfasst hat. Den Text analysiert nun auch Stefan Winterbauer für Meedia:
„Was sich durch Schmidts Erinnerungen an das Fiasko mit den Hitler-Tagebüchern zieht wie ein roter Faden, ist die Aneinanderreihung der verpassten Chancen. Ständig waren da Momente, da jemand hätte aufstehen können und sagen müssen: Stop! Aber ein Moment nach dem anderen verstrich, die Dinge nahmen ihren Lauf. So geschieht das auch heute noch. Jeden Tag in zig Konferenzen, zu zig Gelegenheiten in zig Unternehmen. Nicht immer kommen so dicke Dinger dabei heraus wie gefälschte Hitler-Tagebücher oder Schlimmeres. Manchmal aber eben doch.“
Moment, Moment! Zumindest „manchmal“ passieren „auch heute noch“ solche „dicken Dinger“ oder gar „Schlimmeres“? Very interesting!
Zur hier gestern schon aufgeworfenen Frage, inwiefern die Zeit-Titelseiten-Schlagzeile „Hitlers letzter Sieg“ zutreffend ist, könnte als Ergänzungslektüre das von Antje Schrupp besprochene Georg-Seeßlen-Buch „Das zweite Leben des ‚Dritten Reichs‘. (Post)nazismus und populäre Kultur. Teil 1“ hilfreich sein.
[+++] Das Thema Presseplätze beim NSU-Prozess ist heute ein Schwerpunkt in der taz. Rechts-Korrespondent Christian Rath ist gleich dreimal im Einsatz: Er weist darauf hin, dass „beim Hamburger Terrorprozess gegen einen Helfer der 9/11-Attentäter fast die Hälfte der Medienplätze für internationale Journalisten reserviert war“, berichtet über die geplante Klage der türkischen Zeitung Sabah vor dem Bundesverfassungsgericht sowie den „letzten Ausweg Video“. In dem Zusammenhang heißt es:
„Der Bundestag könnte beim Konflikt um den NSU-Prozess entscheidend helfen, indem er das Gerichtsverfassungsgesetz ändert. (...) Doch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die qua Amt dazu prädestiniert wäre, zeigt kein Engagement: ‚Mit Blick auf den anstehenden Prozessbeginn und unter Beachtung der Unabhängigkeit der Justiz‘ könne sie derzeit zu einer Änderung des Paragrafen 169 GVG nichts sagen, teilte eine Sprecherin mit. Auch die Grünen lehnen eine kurzfristige gesetzliche Klarstellung ab. ‚Mit schnell beschlossenen Gesetzen zur Vorbereitung besonderer Gerichtsprozesse gibt es ungute Erfahrungen‘, sagte Christian Ströbele, der ehemalige RAF-Anwalt.“
Auf der Kommentarseite äußert sich Bettina Gaus:
„Für Medien gibt es Gremien der Selbstkontrolle, die Verstöße gegen das Berufsethos ächten, unabhängig von rechtlichen Verfehlungen. Sie werden ernst genommen. Rügen des Presserates sind unangenehm. Auch die Justiz muss sich derartigen Urteilen stellen. Sonst wird sie zum Relikt des Obrigkeitsstaates, gerade wegen des demokratischen Prinzips ihrer Unabhängigkeit.“
Außerdem geht zum Beispiel süddeutsche.de auf die Reaktion der Türkische Gemeinde in Deutschland ein. Und Oliver Tolmein schreibt im Freitag (Seite 4):
„Das OLG München hat sich wie in den schlechten alten Zeiten wie ein Gericht verhalten, das Unabhängigkeit mit Selbstherrlichkeit verwechselt und das sich der Staatsmacht weitaus eher verpflichtet fühlt als der Gesellschaft.“
[+++] Abgesehen von einem dpa-Text bei stern.de, sind uns keine aktuellen Beiträge dazu aufgefallen, dass die ARD im Ersten Programm heute um 23.30 Uhr damit beginnt, die erste Staffel von „Borgen“ auszustrahlen. Das ist einerseits verwunderlich, weil man eine bessere Serie - sie ist vielem anderen, Bildungsfernsehen im guten Sinne, weil sie war ausführlich darstellt, wie schmutzig die Politik ist, sich aber offenbar auch als Vehikel im Kampf gegen die so genannte Politverdrossenheit versteht - in diesem Programm seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Mit Blick auf die Ausstrahlungsgeschichte ist es allerdings nicht verwunderlich, dass am heutigen Tag fast nichts über „Borgen“ zu lesen ist: In Dänemark ist die dritte und letzte Staffel bereits gelaufen (siehe die im Altpapierkorb von Dienstag zitierte SZ-Geschichte vom Wochenende), arte hat bisher die ersten beiden Staffeln gezeigt. Auf Eins Festival, jenem Digitalkanal, dessen Konzept auch nicht immer einleuchtet, läuft die jetzt im Ersten losgehende erste Staffel auch gerade, am kommenden Dienstag ist die sechste Folge zu sehen. Am Stück lief diese Staffel dort auch schon mal.
Ach ja, und da wir schon bei den wachsenden Verwertungsoptionen sind: „Unsere Mütter, unsere Väter“ läuft auch schon wieder, am Samstag bei ZDFneo. Weshalb die taz heute keinesfalls zu spät kommt mit einem Beitrag auf der Meinungsseite. Monika Hauser kritisiert:
„Die Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg durch alle Seiten sind nie aufgearbeitet worden. Die Traumata wurden weitergegeben (...) Filme sollen uns berühren, uns die Kraft verleihen, das Schweigen zwischen den Generationen zu überwinden. Was wir sicher nicht brauchen, ist noch ein Epos, das sein Hauptgewicht auf das ewig Militärische legt. Ein Film über ‚Unsere Mütter, unsere Väter‘, wie ich ihn mir wünsche, muss am großen Nachkriegsschweigen und den Traumatisierungen der Kriegszeit ansetzen - und von dort in der Zeit zurückgehen. Stattdessen suggeriert dieser Dreiteiler, das NS-Regime sei vom Himmel gefallen.“
Und Jürgen Busche macht im Freitag (Seite 4) deutlich, dass er die polnische Kritik an dem Film und am „Sündenstolz der Deutschen“ für sehr berechtigt hält. Die „Verzeichnungen“ in dem Film seien „empörend“:
„Bei dem ZDF-Dreiteiler sollen renommierte Historiker mitgewirkt haben. Kaum zu glauben.“
Mehr zu TV-Sendungen, die heute und an den kommenden Tagen zu sehen sind, steht noch am Ende des Altpapierkorbs.
+++ Herrscht in deutschen Redaktionen gerade Vorkriegsstimmung, insbesondere in München? Genauer gesagt: „Herrscht eine Stimmung, wie man sie in der Literatur oder in der kritischen Geschichtsschreibung vor exakt einhundert Jahren, nämlich vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschrieben findet?“ Diese Frage wirft Wolfgang Lieb (Nachdenkseiten) auf. Es geht um Journalisten, die „die Kritik unserer Nachbarn an der maßgeblich von der deutschen Regierung geprägten Austeritätspolitik mit einer Weinerlichkeit beklagen, die man nur noch als Verfolgungswahn bezeichnen kann“. Konkreter Anlass für Liebs Rant ist ein Kommentar des Brüsseler SZ-Korrespondenten Martin Winter.
+++ Neues zur aktuellen Kabbelei zwischen Spiegel und taz (siehe Altpapier). Es geht nunmehr darum, ob sich der Spiegel zu einer arbeitsrechtlichen Causa in eigener Sache gegenüber der Zeitung geäußert hat oder nicht. Hat er nicht, sagt die taz. Gar nicht wahr, entgegnet Auslandsressortchef Clemens Höges im Spiegelblog.
+++ In der oben bereits erwähnten aktuellen Ausgabe des Freitag finden sich noch weitaus mehr Medienthemen: unter anderem ein Text von Altpapier-Autor Klaus Raab über das drohende Teamworx-Dokudrama zur Wulff-Affäre („Wenn in irgendeiner Kritik der Satz fallen sollte, der in jeder dritten Besprechung einer Teamworx-Produktion fällt - ‚Die Geschichte wird danach neu geschrieben werden müssen‘ - empfiehlt es sich, ihn nicht zu glauben. Die Geschichte der Wulffs is ja noch nicht einmal in ei er ersten Fassung zuende geschrieben“) sowie ein Interview mit dem am Donnerstag im Altpapierkorb vorgekommenen Internet-Theoretiker Evgeny Morozov („Die verrückteste Idee, die mir zu Ohren gekommen ist, lautet, dass jeder lernen sollte zu programmieren. Das ist ein äußert regressiver Gedanke. Das gesamte Projekt der Moderne besteht darin, die Macht über uns an fähige Leute zu delegieren [...] Die Vorstellung, jeder sollte programmieren lernen, ist in etwa so plausibel wie zu sagen, jeder sollte Klempnerarbeiten ausführen können“).
+++ Sehr wahr, was Constantin Seibt im „Deadline“-Blog des Tages-Anzeigers schreibt: „Einer der peinlichen Momente im Journalismus ist, wenn Leser einem zu seinem Mut gratulieren. Verblüffenderweise geschieht das fast immer dann, wenn man breit Akzeptiertes schreibt“, also wenn einem Leser „zu dem Mut gratulieren, den man dazu wirklich nicht mehr braucht.“ Konkret geht es um Bankenberichterstattung, die Einschätzung trifft aber auf beinahe jede Art von Berichterstattung zu.
+++ Mehr aus den Nachbarländern: Die Medienbeobachtungsstelle Naher Osten zerpflückt den Film „Iran – Leben unter Druck“, eine ORF-Reportage über die Lage nichtmuslimischer Minderheiten im Iran.
+++ Ausführliche Nachrufe auf „Amerikas mächtigsten Filmkritiker“, den im Alter von 70 Jahren verstorbenen Roger Ebert - der erste seiner Zunft, der den Pulitzer-Preis gewann - findet man bei NPR, im Guardian und in der New York Times. Eberts Bedeutung läst sich auch daran ablesen, dass Barack Obama ein offizielles, aber auch persönliches Statement zum Tod des Journalisten abgegeben hat. Ist es vorstellbar, dass ein deutscher Regierungschef einen Filmkritiker würdigt? (Dank an Andrej Reisin für diesen Hinweis via Facebook). Der NYT-Nachruf endet so: „Mr. Ebert — who said he saw 500 films a year and reviewed half of them — was once asked what movie he thought was shown over and over again in heaven, and what snack would be free of charge and calorie-free there. ‚Citizen Kane’ and vanilla Haagen-Dazs ice cream‘, he answered.“ Salon hat aus Anlass von Eberts Tod einen Text aus dem Jahr 2011 noch einmal republiziert („I do not fear death“)
+++ Was rät Torsten Krauel von der Welt Angela Merkel in der Urlaubsfoto-Causa? „Wie verhindert eine Bundeskanzlerin Urlaubsfotos? Sie könnte, zum Beispiel, das Urlaubsziel geheim halten. Sie könnte an ihrer Luftwaffenmaschine den Transponder abstellen lassen, wie es Barack Obama macht, damit der Flug nicht im Internet verfolgt werden kann. Sie könnte nachts landen, mit einer fingierten Flugnummer und, wenn es wirklich sein muss, mit einem Flugzeug ohne auffällige Kennzeichnung. Sie könnte in einem Ferienhaus wohnen statt in einem bekannten Hotel (...) Und sie könnte, was am weitaus wirkungsvollsten wäre, intern der Presse schwerste Sanktionen androhen, falls von ihrem Urlaub auch nur ein stecknadelkopfgroßes Bild erscheinen sollte. Die Macht dazu hat sie, und andere Prominente machen das zuweilen auch."
+++ Über die am kommenden Montag in Kraft tretende Nachtprogrammreform beim Deutschlandfunk schreibt die Berliner Zeitung.
+++ Über das Interesse von Al-Jazeera, die Übertragungsrechte an den Spielen der ersten spanischen Fußball-Liga zu erwerben, berichtet The Turbulent World of Middle East Soccer. Es ist, unter anderem, im Zusammenhang zu sehen mit den finanziellen Problemen spanischer Sender, die nicht zu trennen sind von der ökonomischen Lage im Lande, und auch mit den zuletzt sinkenden Zuschauerzahlen in manchen Al-Jazeera-Kernzielgruppenländern, die wiederum nicht zu trennen sind von den politischen Entwicklungen in der Region.
+++ Fernsehen heute: Thomas Gehringer empfiehlt im Tagesspiegel die vierstündige „Computer-Nacht“ des WDR wegen „Archivschätzen aus nahezu sechs Jahrzehnten“. Ebenfalls im Tagesspiegel: eine Besprechung des beim National Geographic Channel zu sehenden Dokudramas „Lincoln-Verschwörung“ (Erzähler: Tom Hanks). Man erfährt in der Rezension unter anderem: „Der Film basiert auf dem Bestseller- Buch des erzkonservativen TV-Moderators Bill O’Reilly (Fox News)“. In Sven Felix Kellerhoffs Welt-Rezension fehlt dieser Hinweis, dafür steht dort allerlei Überschwängliches. Von einer „kinoartigen Intensität“ ist die Rede. Fazit des Springer-Manns: „eine beeindruckende Produktion, der man möglichst bald die Ausstrahlung im frei empfangbaren Fernsehen wünscht.“
+++ Fernsehen am Sonntag: Die FAZ empfiehlt auf ihrer Medienseite die „Kommt ein New Yorker Mafioso in eine norwegische Kleinstadt“-Serie „Lilyhammer“ (TNT Serie) und rät von „Eine Handvoll Paradies“, dem neuen SR-„Tatort“ mit Devid Striesow, ausdrücklich ab. Das Hamburger Abendblatt, das äußerst selten von Filmen abrät, tut dies ebenfalls.
+++ Noch weiter voraus blickt der Tagesspiegel mit seiner Ankündigung der am Dienstag startenden RBB-Talkshow „Thadeusz und die Beobachter“. Als Besonderheit wird herausgestellt, dass dort nicht Politiker herumhocken, sondern nur Journalisten bzw. „Hauptstadtjournalisten“ (Gibt es eigentlich auch „Hauptstadtklempner“?). Angesichts der bekannten Talkshow-Auftritte von Journalisten ist das nicht unbedingt eine verlockende Vorstellung. Zu Gast in der ersten Sendung ist unter anderem Hajo Schumacher. Na, dit is ja mal wat Besonderes!
Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.