Am #umuv-freien Tag stehen auch andere politisch-historische Themen im Fokus: der Irak-Krieg etwa. Sogar Lenin. Die FAZ kann sich trotzdem immer noch nicht einkriegen vor Begeisterung über „Unsere Mütter, unsere Väter“. Menschen, die Nico Hofmann nicht für den größten Vergangenheitsbewältigungsguru halten, melden sich auch zu Wort. Außerdem: Schadet sich das Fernsehen selbst, indem es sich bei Twitter anbiedert?
Wer seinen Rundfunkbeitrag gern zahlt, weil die Öffentlich-Rechtlichen zumindest ein bisschen was davon für Dokumentationen ausgeben, für den ist heute ein guter Tag. Thematisch hat man in diesem Genre heute jedenfalls die Qual der Wahl. Das ZDF bringt zur Prime Time „Arm und reich. Wie geteilt ist Deutschland?“, als Alternative dazu gibt es bei arte den zweistündigen Themenabend „Irak 2003 – Die Kehrseite des Krieges“. Danach konkurriert „Lenin. Drama eines Diktators“ (arte) mit „Ein Teil von Dir stirbt immer“, einer bei 3sat zu sehenden Doku über die Opfer sexuellen Missbrauchs. Zudem können Arbeitswelt-Interessierte, die bisher die Kino-Dokumentation „Workingman‘s Death“ verpasst haben, beim BR reinschauen.
Und was sagen die Rezensenten? Bei der Frage stößt man auf ein strukturelles Problem: Es ist ja nicht nur so, dass Dokumentationen heute in der Regel an den Rand des TV-Programms gedrängt werden, wie in die in dem Genre tätigen Autoren und Produzenten immer wieder betonen. Auch Rezensionen von Dokumentationen, Reportagen, nonfiktionalem Qualitätsfernsehen im allgemeinen kommen generell zu kurz. Kuriose Beobachtung in diesem Zusammenhang heute: Obwohl im hiesigen Fernsehen einiges an Nonfiktionalem zur Auswahl steht, bespricht die SZ auf Seite 31 aus Gründen, die Nicht-Monarchisten nicht ersichtlich sind, die zweistündige Doku „Our Queen“, die am Montag beim britischen Sender ITV lief. Dass es Autor Alexander Menden nicht gelingt zu überspielen, dass er auf das Schreiben des Textes eigentlich keinen Bock hatte, spricht nicht gegen ihn.
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Über „Ein Teil von Dir stirbt immer“ findet man eine Rezension an einer nicht ganz gängigen Quelle (KNA/katholisch.de). „Lenin. Drama eines Diktators“ bekommt immerhin eine ausführliche Besprechung im Tagesspiegel. Wobei in einer Medienkolumne die Vergangenheit eines der beiden Filmemacher besondere Aufmerksamkeit verdient. Kerstin Decker geht darauf am Ende auf nicht ganz unverschwurbelte Weise ein:
„Hans-Dieter Schütt, einst Chefredakteur der Jungen Welt, hat sein Leben nach 1990 der systematischen Selbst-Ent-Täuschung gewidmet, ist dabei aber – und das ist selten – der Gegentypus eines Konvertiten. Er will nicht heute das Gegenteil von dem beweisen, was er früher selbst geglaubt hatte; er will nur verstehen, wie dieser Mantel der Geschichte gemacht ist, der uns streifte. Ganz sicher nicht aus bloßen Fakten, wie das Infotainment glaubt, vielmehr aus in sich verschlungenen Fäden. Unter besonderer Berücksichtigung der Fehler des Gewebes.“
„Irak 2003 – Die Kehrseite des Krieges“ erfährt in der FAZ eine gemischte Würdigung:
„Der Film will die Geschehnisse aus irakischer Sicht darstellen und tut das doch nicht ausschließlich: Leibwächter Saddam Husseins, irakische Schriftsteller und Journalisten sowie amerikanische und irakische Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter kommen zu Wort. Doch die Vielzahl der Gesprächspartner wirkt zuweilen eklektizistisch.“
Der zweite Teil des Films lohne sich aber auf alle Fälle, schreibt Julian Staib. Das Thema Irak ist jenseits dessen sehr präsent, weil sich der dortige Einmarsch der USA in der Nacht zu Mittwoch zum zehnten Mal jährt. Die FAZ und die SZ beispielsweise haben im Politikteil jeweils eine komplette Seite freigeräumt (Seite 3 bzw. 7). Unter medialen Aspekten aufschlussreich sind ein Time-Blog-Beitrag über die Bilder, die Irak-Kriegsfotografen am meisten bewegt haben, ein Artikel über „fünf Mythen“ dieses Krieges in der Washington Post sowie ein durchaus unterhaltsamer Lapsus des österreichischen Boulevardblatt Kurier, über den uns die Medienbeobachtungsstelle Naher Osten in Kenntnis setzt.
Durchaus stimmig ist es, anlässlich des zehnten Jahrestages des Irak-Kriegsbeginns eine TV-Doku über den früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney zu besprechen, weil der in dieser Causa eine zentrale Rolle spielt. Jordan Meijas tut das im FAZ-Feuilleton (Seite 29). In diesem Fall spielt es, anders als bei „Our Queen“, keine Rolle. dass man nicht weiß, ob und wann man den Film hier zu Lande zu sehen bekommt wird. Zumal Meijas‘ Rezension zu „The World According to Dick Cheney“, die am Wochenende beim US-Kabelkanal Showtime zu sehen war, sehr hübsche Sätze enthält, zum Beispiel diesen:
„Inquisitorisch entwickelt der kurzatmig zusammengeschnipselte Film keine Ambitionen.“
Der Film, schreibt der Autor des weiteren, sei „ein schockierendes Dokument“. „Das Maß an Selbstgerechtigkeit und lakonischer Unbelehrbarkeit, die hier vorgeführt werden“, übersteige „auch die krassesten Erwartungen“.
[+++] Jetzt aber mal Schluss mit dem Lob für die FAZ. Ihre Rolle als aktuelles Teamworx-Zentralorgan (siehe Altpapier) erfüllt die Zeitung heute nämlich auch wieder. Zwei Texte auf der Medienseite ist ihr Nico Hofmanns Emocore-Longplayer „Unsere Mütter, unsere Väter“ noch wert. Hat es das schon gegeben: Dass zwischen dem zweiten und dritten Teil eines Dreiteilers noch zwei Artikel erscheinen? In der Regel ist die Berichterstattung ja bereits abgefrühstückt mit Artikeln, die anlässlich des ersten Teils beziehungsweise weit davor erscheinen. In Michael Hanfelds Text über die Trilogie steht nichts Nennenswertes drin, ergiebiger ist da Ursula Scheers Porträt des Drehbuchautors Stefan Kolditz, der „acht Jahre“ an dem Projekt gearbeitet hat:
„Drei Jahre lang las Kolditz Kriegstagebücher, sowjetische Romane und Remarque, Holt, Jünger und Guy Sajer, Militäranalysen und Bücher über den Vietnam-Krieg. Schrittweise habe er begriffen: ‚Mit den Kategorien Gut und Böse kommst du nicht weiter bei dieser Generation.‘ Und: ‚Die musst du von innen heraus erzählen.“ Aus vielen ‚Vielleichts‘ hätten sich dann die Hauptfiguren herauskristallisiert.‘
Generell dominiert unter deutschen Journalisten in Sachen #umuv weiterhin eine La-Ola-Stimmung, die Berliner Morgenpost etwa hat jetzt online sogar einen „Extra-Kanal“ dafür. Doch, Moment, bei Scilogs, einem Blog von Spektrum der Wissenschaft, steht doch was Kritisches:
„Kein überzeugter Nazi, alles Mitläufer unterster Kategorie mit vagem Anflug von Widerstand. (...) Das ist alles zu sehr Entnazifizierungsentschuldigung wie sie die Alliierten nach dem Krieg hörten. Unser Väter, unsere Mütter waren doch gar nicht wirklich üble Kandidaten, sie waren sogar Widerständler.“
Das ist ein nicht gerade unwichtiger Punkt: Auch wenn die Schläuche neu sein mögen und vielleicht sogar ein bisschen glänzen nach „Band of Brothers“ (ich kann das nicht beurteilen, denn ich habe die von Steven Spielberg produzierte Serie nicht gesehen, und ich vermute mal, die meisten, die den Vergleich jetzt bringen, haben das auch nicht): Der Wein ist sehr alt.
„Leider wirkt sich das auch auf die Dialoge aus, die ohnehin an der deutschen Unsitte leiden, alles zu erklären, statt es zu zeigen. Der Zuschauer wird da für erheblich dümmer gehalten, als er ist. Auch sonst wird viel geredet, wo Bilder sprechen könnten. Viel geredet, wo man voraussetzen könnte. Viel erläutert, wo Schauspiel gefragt ist.“
Dem Historiker Kurt Pätzold, der auch auf die bisherige Rezeption eingeht, sind noch wesentlich gravierendere Schwächen aufgefallen. Er schreibt in der heute im Zuammenhang mit ihrem ehemaligen Chefredakteur schon erwähnten Jungen Welt:
„Nun also wird als Fortschritt gefeiert, wenn ein Film zeigt, dass aus einem Krieg niemand so herauskommt, wie er in ihn hineinging, und dies zumal aus jenem, den die Deutschen von 1939 bis 1945 führten. Das hat vor nahezu zwei Jahrzehnten etwa die sogenannte Wehrmachtsausstellung bewiesen (...) Und dass Soldaten Mörder sind, wollte Tucholsky schon nach dem Ersten Weltkrieg den Deutschen beibringen. Wer dieses Diktum illustriert haben wollte, könnte zu Romanen Remarques, Pliviers oder Arnold Zweigs greifen. Der ZDF-Film sei, hieß es in Vorschauen, so nahe an der geschichtlichen Wirklichkeit wie keiner zuvor. So offenbart sich Unkenntnis. Während die Einblendungen von Orten und Daten des Eroberungszuges diese Nähe vortäuschen, wird eine alte Nazilegende wieder hervorgekramt, die den Generalen Schlamm und Winter das Verfehlen des Angriffsziels Moskau zuschreibt (dessen Erreichung für den Kriegsverlauf insgesamt so wenig bedeutet hätte wie der Einzug Napoleons in die Stadt 1812). Und wieder einmal beginnt der Widerstand des Gegners erst vor Moskau. Was westwärts davon Rote Armee war, ging nach diesen Bildern in Gefangenschaft. In Wahrheit haben, trotz der Millionen, denen das geschah, die sowjetischen Divisionen von den ersten Tagen an einen Widerstand geleistet, über dessen Stärke sich in den internen Informationen der Wehrmacht ebenso nachlesen ließe wie in Briefen deutscher Soldaten – wenigstens den beratenden Historikern hätten diese Verzeichnungen aufstoßen können.“
Nachtrag, 11.40 Uhr: Die erhellendste Kritik des „von jeder inneren ästhetischen Spannung befreiten Volkserziehungsunternehmens" hat Ekkehard Knörer für Cargo geschrieben („Ich habe genau die Hälfte der 3 mal 90 Minuten gesehen. Strafe genug"). Wir wissen nicht, ob zum Beispiel Pätzold in Talkshows geht, aber eine Sendung über #umuv mit ihm und Hajo Schumacher, von den man weiß, dass er in Talkshows geht und eine Zeitlang sogar in einer zum Inventar gehörte: Das könnte was werden. Der herzenswarme Anti-Achtundsechziger Schumacher fabuliert in der Berliner Morgenpost anlässlich von „Unsere Mütter, unsere Väter“ nämlich über
„jene Zwischenwelten, die eisige Achtundsechziger ihren Eltern nicht zugestehen mochten“.
Wer Aufschluss darüber bekommen will über die auch im Spiegel-Online-Interview mit der ZDF-Fernehfilmchefin Heike „No risk, no fun“ Hempel bzw. Henkel (SpOn) erwähnte guten Quote von #umuv, kann noch einmal zurückblättern (obwohl man das heute eigentlich nicht mehr sagt) in eine FAS-Ausgabe aus dem Oktober 2012, als eines dieser vielen Frankfurter Allgemeinen Hofmann-Porträts erschien. Um „Unsere Mütter, unsere Väter“ ging es da auch:
„Die Dreharbeiten sind abgeschlossen, seit vergangenem Herbst feilen Produzenten und Regisseur an immer neuen Fassungen, die Marktforscher einem ausgewählten Publikum vorführen, um abzuschätzen, ob die Rentner, ob die Frauen bei der Stange bleiben.“
Die vielen Fassungen und die Forscherei haben sich also gelohnt, möglicherweise haben die von Teamworx in Marsch gesetzten Marktforscher ja auch ein paar Journalisten für ihre Vorab-Produkttests aufgetrieben. Fragt sich nur, wie teuer es war, all die Fassungen herzustellen, die nun nutzlos in irgendeinem Safe oder auf irgendeinem Server herumliegen. Apropos nutzlos: Eine Version, die die Rentner richtig kacke fanden, würde ich schon gern mal sehen.
[+++] Der vielleicht großen, vielleicht auch nur zu heiß gekochten RBB-Affäre, in der Chefredakteur Christoph Singelnstein keine gute Figur abgibt (siehe Altpapier), widmet sich Ulrike Simon in der Berliner Zeitung. Sie blickt voraus auf die unangenehmen Termine, die Singelnstein bei der Aufarbeitung dieser Angelegenheit bevorstehen. Es ist in Teilen auch ein Singelnstein-Porträt, man erfährt, dass er „Pfeifenraucher“ und gelegentlich die Fähigkeit unter Beweis stellt, seine Kleidung den Witterungsverhältnissen anzupassen - zum Beispiel „an einem heißen Sommertag Anfang der 90er Jahre“, als er „einmal in kurzen Hosen, T-Shirt und Jesuslatschen zur Konferenz der ARD-Chefredakteure erschien“. Stärker wird der Text am Ende, da macht Simon deutlich, was sie davon hält, dass brandenburgische Regionalpolitiker gerade auf dicke Hose machen:
„Für Mittwoch soll Singelnstein in den brandenburgischen Landtag zur Anhörung vor dem Hauptausschuss geladen werden. Das belegt vor allem eines: das mangelnde Problembewusstsein der Politiker.“
Denn: „Rechenschaft schuldig“ sei ein „Chefredakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders“ der Intendantin (die in einem Text zur selben Causa im Tagesspiegel im Mittelpunkt steht) und diversen Gremien seines Senders, aber nicht „Politikern, Landesregierungen oder Hauptausschüssen“.
[+++] Mehr Senderpolitik: Eine diesbezügliche aktuelle Pressemitteilung des MDR besteht zwar nur aus drei Sätzen, und auch in redaktionellen Verarbeitungen steht nicht wesentlich mehr drin. Aber sie hat eine gewisse Sprengkraft. Der Sender will künftig nämlich „einen Produzentenbericht vorlegen“, das heißt, „die Vergabe von Programmleistungen transparent machen“. Damit erfüllt die ARD-Anstalt eine nicht mehr ganz neue, andererseits immer dringlicher werdende Transparenz-Forderung. Lutz Hachmeister hat bereits 2001 in der von ihm betreuten Studie „Fernsehmarkt Deutschland“ vorgeschlagen, die Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender sollten jährlich Produzentenberichte im Internet veröffentlichen, damit die Öffentlichkeit beispielsweise Aufschluss darüber erhält, in welchem Umfang die Sender mit Unternehmen aus dem unübersichtlichen öffentlich-rechtlichen Tochterfirmengeflecht kooperieren. In der jüngeren Vergangenheit kamen entsprechende Forderungen von Transparency International und die Produzentenallianz.
+++ Im Bundesplatz-Blog der NZZ amüsiert sich René Zeller, der stellvertretende Chefredakteur, über einen „geheimnisvollen Politikertypus“: „Er begegnet mir nicht immer, aber immer öfter in Zeitungsspalten. Mitunter auch persönlich. Es handelt sich um Politiker, die sehr viel mitzuteilen haben. Aber ihren Namen möchten sie lieber nicht in der Zeitung lesen.“
+++ Dietrich Leder vertritt in seinem aktuellen Funkkorrespondenz-Tagebuch die These, dass „sich das Fernsehen mit der Anbiederung an Twitter schwächt“. Anlass ist die Papstwahl-Berichterstattung im ZDF: „Mag eine knappe Nachricht über den aktuellen Stand der Dinge als Information für Zuschauer, die sich gerade zufällig in die Sendung einschalten, noch halbwegs akzeptabel sein, so wurde es vollkommen unsinnig, wenn Twitter-Meldungen eingeblendet wurden, die das wiederholten, was die Nachrichten sagten. So erfuhr der Zuschauer minutenlang, dass der Schauspieler Wilson Gonzalez Ochsenknecht ‚white smoke‘ getwittert habe.“
+++ Till Briegleb beschäftigt sich in seiner SZ-Rezension von Fabian Hinrichs‘ Monolog „Ich. Welt. Wir“ im Hamburger Schauspielhaus (Seite 13) zu einem erheblichen Teil mit dem deutschen Fernsehen, weil Hinrichs eben dort (siehe auch Altpapier) kürzlich „Tatort“-Ermittler Gisbert Engelhardt aufgefallen war: „Ausgerechnet ein ‚Tatort', dieses sonntägliche Ersatzgebet an die deutsche Befindlichkeit, sorgte vor einigen Wochen (...) für Diskussionsstoff (...) Als fingertrommelnde Nervensäge mit herzlich schrägen Verhaltensauffälligkeiten lebte (...) Gisbert Engelhardt zwar nur 60 Minuten, bevor er den Foltertod neben einer Bundesautobahn starb, aber diese Stunde war eben eine Sternstunde. Selten waren bezahlte und unbezahlte Rezensenten sich so einig darüber, dass der tiefe Schlaf des deutschen Star-Wesens hier einen heilsamen Alb geträumt hat: Fabian Hinrichs passte einfach nicht, und zwar im allerbesten Sinne. (....) Das ungekünstelt Anstrengende dieser Figur hat ganz offensichtlich präzise eine Zuschauer-Sehnsucht getroffen, die genug hat von den rundgelutschten Originalen, wie sie deutsche Fernsehredakteure so lieben.“
+++ Außerdem in der SZ: Auf der Medienseite wird bereits der ARD-Fernsehfilm „Verratene Freunde“ besprochen (Der „Beziehungskrimi ist furios gespielt, zerfasert aber am Ende“).
+++ In der FR findet sich zu diesem Film ein Interview Jan Freitags mit Regisseur Stefan Krohmer und Drehbuchautor Daniel Nocke. Letzterer sagt: „Früher hätte ich (...) unterschrieben, dass Film nicht mal zu eindeutigen Aussagen führen darf; der Hass auf moralisierende Filme hat mich quasi zum Schreiben motiviert. Jetzt, wo ich mit Senioren Fußball spiele, sehe ich das zum Glück gelassener, würde es aber selber nicht machen.“ Wer „moralisierende Filme“ hasst, rennt ja die am weitesten offen stehenden Türen ein. Schön, dass Nocke beim Fußball was dazugelernt hat. Was genau auch immer.
+++ Jetzt noch einen Nachruf auf die Talkshow „Roche und Böhmermann“ schreiben? Why not? Nilz Bokelberg (brash.de) würdigt „eine Sendung, die mehr Medienkritik als alles andere war. In jeder Folge wurden medial eingeschliffene Codes neu verhandelt“.
+++ Wie The Times auf eine Satire über die „Dream Football League in Katar“ hereinfiel, rekonstruiert Jens Weinreich. Ausführlich beschäftigt sich mit diesem „kapitalen Bock“ (Hanfeld kurz in der FAZ, Seite 31) auch der Blog 200%.
+++ Die taz stellt heute rechtesland.de vor, einen „Atlas zur extremen Rechten und zur Nazi-Vergangenheit", und berichtet über den Umgang der New York Times mit Leserkommentaren.
+++ Der Standard wertet „State of the News Media", „einen ausführlichen Bericht über den Zustand der US-Medienindustrie“, aus. The Atlantic titelt: „This Is the Scariest Statistic About the Newspaper Business Today.“
+++ Heike Göbel, die bei der FAZ für Wirtschaftspolitik verantwortlich ist, gibt sich ein bisschen besorgt angesichts dessen, was sie da gestern bei „Hart aber fair“ gesehen hat, wo man sich über den Spitzensteuersatz und Managervermögen unterhielt: „Drei gegen zwei steht es am Ende für eine Position, die die Rechnung in Deutschland doch lieber ohne den Wirt, die Unternehmen, machen möchte“, schreibt sie in ihrer faz.net-Frühkritik.
+++ Nachzutragen seien noch Nachkritiken zu Günther Jauchs Sendung über Salafismus am Sonntag, der weder Daniel Bax (taz.de) noch Reinhard Lüke (ksta.de) etwas abgewinnen konnten. Letzterer schreibt: „Günther Jauch (machte), wie so oft in letzter Zeit, gegen Ende des Talks den Eindruck, als sei er einfach nur froh, diese sechzig Minuten Sendezeit nun auch wieder irgendwie abgewickelt zu haben.“
+++ Mittelbar um Jauch geht es auch um einen neuen Zensurfall bei den Gesichtsbuchmachern. Der Moderator Jürgen Domian ist außer sich: „Ihr Lieben, ich bin äußerst verärgert und fassungslos: Facebook hat meine Beiträge und ebenso eure Kommentare gelöscht. Stein des Anstoßes ist wohl mein kritischer Beitrag zu dem Auftritt des erzkonservativen Katholiken Martin Lohmann bei Günther Jauch (...) Auch mein völlig harmloser (und durchaus wohlwollender) Text zum neuen Papst entspricht nicht den Richtlinien von Facebook (so wurde es mir heute mitgeteilt). Das ist ungeheuerlich (...) Die Texte hätten als Kommentar in jeder öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalt über den Sender gehen können, hätten in jeder Zeitung stehen können.“ Das Wall Street Journal ordnet die Causa ein.
+++ Falls jemand das Altpapier vom Freitag noch nicht gelesen hat (was wir uns natürlich nur schwer vorzustellen vermögen): Eine kürzere, quasi marmorisierte Fassung steht bei Carta.
Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.