Verlegenes Gelächter, Rufe aus der Versammlung

Bradley Mannings Gewissen, Sandra Maischbergers Quoten-Honorar, Intendanten-Wahl bei der Deutschen Bischofskonferenz. Außerdem: Der Stern war beim Friseur.

Kein Rauch heute hier, weder schwarzer (dessen Übermaß gestern tagsüber Überdruss bei Hardcore-Medienbeobachtern erregte), noch weißer, auch wenn erste Texte zur Medienbegleitung der Papstwahl-Ergebnis-Verkündung bereits vorliegen (z.B. online bei sueddeutsche.de und selbst gedruckt im Tagesspiegel unter der beinahe göttlichen Überschrift "Habemus primetime").

Ausführlichere Analysen der von "lauter Männern in roten Frauenkleidern" geweckten "Medienneugier" (Medienwissenschaftler Jochen Hörisch), die vielleicht besonders gut in die nach Unterhaltung und auch Infos dürstende Echtzeit-Digitalära passt, werden gewiss gerade geschrieben und finden dann auch hier Widerhall.

Um den neuen Stern, der hier schon abgebildet ist, geht's weiter unten, um katholische Medienpzublizistik ebenfalls. In den besonders brisanten Medienmedien-Texten der Stunde geht es um Dinge, die ebenfalls in geschlossenen Zirkeln unter Geheimhaltungs-Vorkehrungen verhandelt wurden und nach dem Willen der leitenden Beteiligten hätten geheim bleiben sollen. Bloß kann in der aktuellen Digitalära wenig geheim bleiben, zumindest das nicht, was nach dem Willen einiger geheim bleiben soll.

[+++] Da wäre im großen, globalen und vermutlich (zumindest auf Papstniveau) auch welthistorischen Maßstab Bradley Manning - der seit Frühjahr 2010 überwiegend "in totaler Isolation" in US-amerikanischen Militärgefängnissen einsitzende Ex-Gefreite, der als Haupt-Informant der schon wieder in Vergessenheite geratenden Plattform Wikileaks bekannt wurde. Ihm drohen bekanntlich horrende Strafen. Hier im Altpapier kam er zuletzt in diesem Korb vor.

Ende Februar wurde er wieder verhört und hatte Gelegenheit zu einer rund 70-minütigen Erklärung. "Filme, Fotografien und Tonaufnahmen sind strikt verboten", berichtet die TAZ über die Umstände, und "einen O-Ton von Manning gab es bisher nicht". Aber nun steht die Rede, "klammheimlich im Militärgericht... aufgezeichnet", als downloadbare Audiodatei hier bei pressfreedomfoundation.org und auf der Startseite in Auszügen auch als (auch für Eilige sehenswertes) fünfminütiges Video. Und Dorothea Hahn hat für die TAZ unter der Überschrift "Getrieben vom Gewissen" eine gute Analyse dazu geschrieben.

[+++] Legt man die großen, globalen Maßstäbe ab und die vergleichsweise skurrilen des öffentlich-rechtlichen deutschen Rundfunksystems an, die in Milliarden Euro gemessen freilich auch stattlich sind, dann ist auch ganz brisant, was sich am Montag auf einer außerordentlichen Redakteursversammlung in den Forts des WDR in Köln zutrug.

"...

 (verlegenes Gelächter, Rufe aus der Versammlung)

Diese Dinge sind natürlich höchstvertraulich und ich bitte auch darum,
dass diese Dinge auch vertraulich bleiben. Denn wir haben bei jedem
Vertrag unterschrieben, dass die Vertraulichkeit gewährleistet ist. ...".

steht in einem Auszug aus dem Transkript dieser Versammlung, den das Ruhrbarone-Blog veröffentlicht hat. Wer demzufolge, vergebens, um Geheimhaltung bat, war WDR-Unterhaltungschef Siegmund Grewenig. Was er gern geheimgehalten hätte, weil das so in der breiten Talkshows-Analyse noch nicht zu hören war: "Der WDR hat Sandra Maischberger für ihre Talkshow 'Menschen bei Maischberger' ein quotenabhängiges Honorar gezahlt" (Kölner Stadtanzeiger).

Ob es solch eine "quotenabhängige Komponente in der Honorierung der Sendung" eher für Maischberger selbst oder für Vincent TV, die von ihr mitbesessene "Menschen bei Maischberger"-Produktionsfirma, gab, scheint zwischen den Baronen und dem KSTA noch unklar. Allerdings berichtet der KSTA ausführlicher und nennt auch einige Zahlen:

"Der WDR zahlt der externen Produktionsfirma, deren Geschäftsführerin Sandra Maischberger ist, für 72 Folgen von 'Menschen bei Maischberger' in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt brutto rund 4,5 Millionen Euro."

Wem das wenig vorkommt angesichts der einzig ziemlich unstrittig bekannten ARD-Getalke-Gage, derjenigen für Günther Jauch (Bild-Zeitung 2010) der muss bedenken, dass Jauch seine 10,5 Millionen im Jahr für die gesamte Produktion bekam. "Maischbergers Honorar wird in einem separaten Vertrag geregelt", fügt der KSTA dagegen hinzu, und wenn dazu noch so ein Quoten-Bonus gekommen wäre, dürfte auch Maischberger nicht gedarbt haben.

"Der WDR sah sich am Dienstag nicht in der Lage, eine Stellungnahme zu den Vorgängen abzugeben", lautet der letzte Satz des Artikels dort, der zugleich die Streitigkeit um ein Katharina Witt-Gastspiel in einer Maischberger-Show im Januar (KSTA damals dazu, WDR damals dazu) fortführt. Die heutige FAZ (S. 31) bekam Grewenigs Aussage von "'quotenabhängigen' Honorarbestandteilen" für Maischbergers Show bis Ende 2012 vom WDR-Pressesprecher Birand Bingül bestätigt.

[+++] Jetzt wird's wirklich konklavig:  Im "Kommissariat der deutschen Bischöfe, der Dienststelle der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin" wird offenbar schon eher als erwartet die Wahl zum neuen Intendanten des "steuerfinanzierten Auslandssenders" Deutsche Welle, also zu Erik Bettermanns Nachfolger, stattfinden. Das berichtet, gewohnt gut informiert und mit allerhand kleinen Spitzen gegen die Beteiligten, Ulrike Simon in BLZ/ FR:

"So Gott will, wird die Entscheidung, wer ihm folgt, auf Peter Limbourg hinauslaufen. Es sei denn, die Rundfunkräte verweigern sich dieser Wahl, die in Wahrheit keine ist."

Limbourg ist am ehesten bekannt als Stefan Raabs Sidekick bei dessen Ausflügen ins Polit-Genre. Als Sat.1-Nachrichten-Anchorman, als der er gerade noch in Rom vor der Kamera stand und auf Rauch wartete (und den dann gewiss auch sah...), ist er eher nicht bekannt. Außerdem sei Limbourg "einer der Berater der Deutschen Bischofskonferenz..., bekennender Katholik, Kirch- und sogar Wallfahrtsgänger". "Interne Bewerber" aus der DW seien "erst gar nicht eingeladen" worden, trotz "Magengrummelns" einzelner Abstimmungsbefugter wurde Limbourg dann doch einstimmig vorausgewählt. Aber vielleicht gibt's ja eine "Palastrevolution", hofft Simon.

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[+++] Auch, da wir bei der Deutschen Bischofskonferenz sind: Weiterhin mehren sich Appelle, die Funkkorrespondenz, das Kernstück der katholischen Medienpublizistik zu erhalten. Lutz Hachmeisters Institut für Medien- und Kommunikationspolitik hat einen aufgesetzt, der die Bischöfe auf die durch die FK seit Jahrzehnten erworbene "gesellschaftliche Wirkung bei den Meinungsführern der publizistischen Medien..., und dies weit über die engeren Zirkel der Kirchenkommunikation hinaus", hinweist und von einer Menge solcher Meinungsführer unterzeichnet wurde.

Die Gewerkschaft verdi hat ebenfalls einen Offenen Brief an die Bischofskonferenz verfasst. Weitere Gründe, warum die Funkkorrespondenz erhalten gehört, standen im Altpapier vom Montag.

[+++] Harter Schnitt nun zu einer Redakteurs- und Meinungsführer-Versammlung, deren Inhalte alles andere als geheim bleiben sollten und deren Veranstalter zufrieden sein können, weil heute im Blätterwald so wie gestern in den Online-Medienmedien viel Wirbel um den neuen Stern bzw. den sanften Rebrush der traditionsreichen Illustrierten losbrach.

"Im 20.Stock zwischen Landungsbrücken und Reeperbahn reicht der Blick aus der breiten Fensterfront weit über die Elbe und den Hafen hinweg. Es ist das Spiel mit dem Tor-zur-Welt-Gefühl...",

zeigen sich Katharina Riehl und Jens Schneider auf der SZ-Medienseite 47 nicht unbeeindruckt. Ja, es gibt sogar so viele Analysen der vom neuen Chefredakteur Dominik Wichmann vollzogenen bzw. nicht so vollzogenen Änderungen, dass, wenn sie jetzt hier im Altpapier allesamt gewürdigt würden, Leser, die bisher gekommen sind, noch minutenlang würden weiterscrollen müssen.

Deswegen, und nur deswegen, kommt der neue Stern gleich in den Altpapierkorb. Aber Wichmanns Werbevideo ("..Wie hast Du die Zummenarbeit mit Luke empfunden?" - "Fantastisch... ..."), das kommt noch über'n Strich.


Altpapierkorb

+++ Hey, wie ist der neue Stern? +++ "Je tiefer man dann in den neuen "Stern" vordringt, desto mehr zeigt er sich als das, was er schon immer war", meint Stefan Kuzmany bei Spiegel Online unter der schon ein wenig legendären, jedenfalls kongenial mit dem schönen Wichmann-Foto darunter korresponiderenden Überschrift "Warst du beim Friseur, Schatz?" +++ "Der neue stern kommt aufgeräumt daher, wirkt hochwertig und lesefreundlich. ... Der neue stern ist also ein wunderbares Heft geworden" (meedia.de). +++ "... gut lesbarer Textverlauf, ohne allzu nüchtern zu wirken. Insgesamt kommt der neue 'stern' wieder magaziniger daher" (kress.de). +++ "Ohne Frage hat Wichmann sich einen ziemlich deutlichen Relaunch getraut" (Süddeutsche). +++ "Der neue 'Stern' kommt frischer und luftiger daher, er wirkt lesbarer und informativer" (FAZ-Medienseite 31 unter der Überschrift "'Stern' des Anstoßes"). Den Text dort schrieb Wirtschafts-Korrespondent Johannes Ritter, der ja gerade erst mit Gruner+Jahr-Krisenzahlen Nischenfurore machte und sich ein paar Zahlen für heute aufgespart hat, u.a.: "Zwar soll die operative Umsatzrendite des 'Stern' mitsamt der kleineren Ableger wie 'Neon' und 'Nido' 2012 noch immer stattliche zwanzig Prozent betragen haben. Aber 2011 lag diese Kennziffer noch bei rund dreißig Prozent". Ritter würdigt aber auch, wie Wichmanns Team, obwohl es den Papstwahl-Ausgang noch nicht kennen konnte, mit der "provokanten Titelgeschichte über zwölf Priester, die das Ende des Zölibats fordern", am Tagesthema dran ist. +++ Felix Dachsel (TAZ) schaut nicht auf die Frisur, sondern in Wichmanns Augen auf Seite fünf "des aufgehübschten Hefts": "Beinah beängstigend entschlossen starrt er da den Leser an". Dann konnte er sich aber doch von ihnen lösen und das Übliche erkennen: "Der Stern wirkt frisch, großzügig und klar - wenn auch manchmal, rein optisch, wie die Neon." +++ "Eine so genannte 'Tanzspalte', ein leerer, weißer Streifen, bringt mehr optische Leichtigkeit" (Sonja Pohlmann vom Tagesspiegel in der allerdetailliertesten Stern-Beschreibung; sie ergänzt die von Wichmann eingeführte neue Ressort-Struktur mit "Kopf", "Herz" und "Bauch" um "eine Art Verdauungstrakt, das 'Extra' mit Service- und Verbraucherthemen", weist aber auch darauf hin, dass der Stern ja nicht nur ins Altpapier kommt, sondern auch in die Bayerische Staatsbibliothek). +++

+++ Gibt's grüne Medienpolitik? Jetzt zumindest eine 60-seitige Studie mit Vorschlägen zur "Vielfalts- und Journalismusstärkung", die "auf unterschiedlichen Parteiebenen" diskutiert werden sollen, verfasst vom Münsteraner Medienrechtler Bernd Holznagel sowie Horst Röper (heise.de, tabea-roessner.de). +++

+++ Zur Platzeck-Sprecher-RBB-Anruf-Affäre: Die Brandenburger Oppositionsparteien (CDU, FDP) wollen den Rücktritt des RBB-Chefredakteurs Christoph Singelnstein. Intendantin Dagmar Reim stellt sich hinter ihn ("und damit gegen die betroffenen RBB-Journalisten"), berichtet der Tsp. +++ "Brandenburgs Staatskanzleichef Albrecht Gerber hat am Mittwoch ... bekräftigt, dass der umstrittene Anruf von Regierungssprecher Thomas Braune beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ein Alleingang gewesen sei. Braune habe sich lediglich beschweren, aber keinen Einfluss auf das Programm nehmen wollen..." (SZ). +++ Dort auf der Meinungsseite kritisiert Korrespondentin Constanze von Bullion noch schärfer als gestern: "Ein Chefredakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders, der sich bei so einer Lappalie nicht vor den Mitarbeiter stellt, sondern den Schwanz einzieht und willfährig einen Beitrag zensiert, damit er den Regierenden gefällt, disqualifiziert sich als Journalist..." +++

+++ Auf das verdienstvolle Feld der Beschreibung langlaufender Unterhaltungs-Radiosendungen, z.B. aktuell der MDR Jump-Morgensendung vom 1. März von 5.04 Uhr bis 9.05 Uhr hat sich das neue Radio-Watchblog radiowatcher.de begeben. +++

+++ Auf der Meinungsseite des Tsp. wirft Malte Lehming ein Schlaglicht auf den "globalen Erfolg des russischen TV-Netzwerkes RT (ehemals Russia Today)", das nämlich "nach eigenen Angaben 630 Millionen Zuschauer in mehr als hundert Ländern" erreicht. +++

+++ Auf der SZ-Medienseite schaute sich Hans Hoff in Köln-Braunsfeld am Drehort des crowd-gefundeten "Stromberg"-Kinofilms um ("Überall stehen Pflanzen mit halbbraunen Blättern herum, die offensichtlich viel zu lange viel zu wenig Wasser bekommen haben. Sie werden zwischen den Drehs sorgfältig in der Produktionsfirma Brainpool zwischengelagert und mit Feingefühl auf Entzug gehalten..."). +++

+++ Einer neuen GfK-Studie zufolge "sieht es jedenfalls danach aus, als würde sich das Gros der Nutzer von Sharehostern – also deren Kundschaft – nicht für legale Inhalte interessieren. Sondern für Raubkopien von Spielfilmen und Pornos", steht auf der FAZ-Medienseite. +++

+++ "Die 'German Angst' vor allem, was nach neuer Technologie riecht" sei noch naiver als Hoffnung auf Googles Güte, meint in der TAZ Maik Söhler. Anlass: die kommende "Google Glass"-Brille.

+++ Sowohl ein "kundiger Leser" der FAZ als auch in Neue Frankfurter Schule in Gestalt des Ex-Titanic-Chefredakteurs Oliver Maria Schmitt haben in einigen der zumindest zahlreichen Scherzen des Guttenberg-Films "Der Minister" eigene Scherze (Schmitt) bzw. solcher anderer Urheber (der von "Yes, Minister") erkannt. Michael Hanfeld gestaltete daraus die FAZ-Glosse "Das Plagiat des Plagiats des Plagiats". +++ Nicht soo lustig, aber immerhin: der Adam Ries-GEZ-Agenturenscherz (Tsp.). +++ Und ein gewiss selbst satirefähiger Prozess um das, was Satire darf, unter Mitwirkung prominenter Fernsehnasen (Atze Schröder und Fritze Wepper; Markus Lanz, in einer von dessen Shows die streitbaren Äußerungen fielen, ist leider wohl nicht angeklagt...) läuft in München (newsroom.de). +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.