Ein internationaler Top-Posten für (und attraktive Fotos mit) Wolfgang Blau, vielleicht eine neue Depublikations-Debatte, die richtigen AdressatInnen für die Joko & Klaas-Aufregung, ein FDP-Parteisoldat als Star einer internationalen Petition. Außerdem: Doris Heinze will hoch hinaus.
Das gibt es höchstens so oft, wie eine deutsche Fußballnationalmannschaft einen Vier-Tore-Vorsprung verspielt: dass ein deutscher Star-Online-Journalist (einmal vorausgesetzt, es gäbe solche) auf eine Top-Position zu einem Toptitel ins Ausland wechselt.
Wolfgang Blau, Chefredakteur von zeit.de und unter den deutschen Online-Chefredakteuren der Visionär mit Zug zum Höheren, geht im April 2013 als "Director of Digital Strategy" sowie Mitglied des Executive Committee zum Guardian.
Er geht also von "einer der fortschrittlichsten deutschen Online-Publikationen", wie sein bisheriger Verlag sagen würde, sowie "einer der besten Wochenzeitungen Europas", wie Blau selbst im (dennoch lesenswerten) meedia.de-Interview sagte, zu einer der bekanntesten "und wie ich finde, mutigsten Tageszeitungen der Welt" (ders. ebd.). Dort ist man bereits "very excited", wie Guardian Media Group-CEO Andrew Miller wiederum seiner Presseabteilung zwecks Weiterverbreitung anvertraute.
Einen Hauch redaktioneller Aufbereitung der News findet man im (freilich dem Zeit-Verlag verwandten) Tagesspiegel. Ansonsten auffällig an den Blau-Meldungen (außer der in der Papier-TAZ), dass sie allesamt gern mit Porträtfotos illustriert sind, einfach weil Blau auch so gut aussieht, dass er ebensogut wie auf Medienzukunftsdiskussions-Panels ohne Weiteres auch auf den Titelseiten zum Beispiel der britischen GQ auftreten könnte. Das mit weitem Abstand attraktivste Foto bietet heuer die österreichische Horizont.
Dass der Guardian, außer circa Weltmarktführer beim digitalen Renommee, auch bei Defiziten ganz vorn dabei ist, hatte im Sommer die britische GQ aufgeschrieben und meedia.de auf deutsch weiteraggregiert (siehe auch Andreas Gossweilers Blog). Ein reiner Ponyhof dürfte sein Executive Committee für den Digitalstrategiedirektor also nicht sein.
[+++] Das gibt es, zum Glück, bislang auch nicht oft: dass eine Zeitung ein bzw. mehrere von ihr betriebene Blogs nicht nur nicht fortführt, sondern auch noch komplett aus dem Netz zu löschen ankündigt (siehe auch Altpapierkorb gestern). Darüber, dass ausgerechnet die FAZ bei Peer Schaders FAZ-Fernsehblog "freiwillig dem schlechten Beispiel der öffentlich-rechtlichen Zwangsdepublikationen folgt", wundert sich Vera Bunse auf Carta.
In der Tat gibt es solche Depublikationen bei privatwirtschaftlichen Webseiten ansonsten eigentlich nur, wenn Betreiber pleite gegangen sind oder komplett dicht gemacht wurden (was zum Beispiel, sozusagen, die Netzeitung und damit viele Altpapiere der Nuller Jahre betraf, von denen Peer Schader auch allerhand geschrieben hat).
[+++] Wo seine Kompetenz, Phänomene des öffentlich-rechtlichen und des Privatfernsehens vergleichend zu betrachten, so wie es außer dem FAZ-Fernsehblog kaum jemand tat, z.B. ganz besonders gebraucht worden wäre: bei der Einordnung der Joko-/ Klaas-Aufregungen. Gut eine Woche, nachdem die FAZ-Medienseite die sowohl für Pro Sieben wie fürs ZDF aktiven Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf aufgrund ihrer Show "Neoparadise" im ZDF-Digitalsender Neo skandalisieren wollte, sind das umtriebige Moderatorenduo und die genannte Show auch bereits recht gründlich durchskandalisiert. Bloß aus einem völlig anderen Grund.
Der FAZ (siehe auch Altpapier vom vergangenen Mittwoch) war's um "lebensgefährlich dumme" Mutproben und "Selbstverstümmelung" gegangen. Zum Skandal wurde (siehe Altpapierkorb vom Montag) "offener Sexismus". Eine ebenso angemessen entspannte wie angemessen empörte Meinung zu letzterem äußert heute Jenni Zylka in der TAZ:
"Schön wäre es gewesen, wenn die Sendung, die ja mitnichten live ist, einfach nicht ausgestrahlt worden wäre - schließlich schauen eine Menge EntscheidungsträgerInnen vorher drauf. Die gleichen Menschen, die beim Schnitt einen Hupton unter Jokos Grabschversuch legen, damit klar ist, dass man die 'Hupen' einer Frau anpatschen darf, solange es in einem Gag-Zusammenhang steht. Und die Klaas' verächtlichen Kommentar über Traumata von 'Sexual harrasment'-Opfern für angebracht befanden.
Stattdessen konnte sie vor über 10 Tagen laufen, und der glücklicherweise entstandene Shitstorm ist erst jetzt zum Orkan geworden. Er sollte sich über die Senderverantwortlichen ergießen..."
Dass das ZDF seinen für ZDF-Verhältnisse sehr jungen Moderatoren künftig "mehr auf die Finger schauen" möchte, erfuhr indes der Tagesspiegel von einem Sendersprecher.
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[+++] Auch das gibt es selten: dass ein zumindest aus Sicht seiner Partei verdienter Parteisoldat der FDP zum Titelstar einer globalen Petition wird. "Hans-Jürgen Beerfeltz: Please SAVE the International Institute for Journalism", lautet sie, wurde von Len Manriquez aus dem philippinischen Cebu gestartet und bereits u.v.a. in Afghanistan, Nigeria und Bangladesh unterzeichnet.
Das zeigt: Auch wenn in Deutschland gewiss kein Mangel an Was-mit-Journalismus-Instituten herrscht, ist dieses IIJ, eine Institution der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine vermutlich sinnvolle Institution.
Und wer ist Hans-Jürgen Beerfeltz? Bis 2009 war er Bundesgeschäftsführer der FDP und dort auch für medialen Wahlkampf zuständig. Nach dem aus FDP-Sicht erfolgreichen Bundestagswahlkampf erhielt er relativ überraschend den Posten eines Staatssekretärs des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ob er wirklich ein Fan von Bernhard Brink ist, dem ehemaligen Gruner + Jahr-Vorstandsvorsitzenden renommierten Schlagersänger, oder ob ihm da bei Facebook jemand einen Streich gespielt hat - einstweilen unklar.
+++ Ganz hoch hinaus will Doris Heinze. Anders als es letzte Woche nach dem Bewährungs-Urteil gegen die ehemalige NDR-Fernsehfilmchefin (siehe, natürlich, Altpapier) schien, geht das Verfahren vom Landgericht Hamburg offenbar gleich bis vor den Bundesgerichtshof. Und zwar, sozusagen, einvernehmlich: Sowohl die Staatsanwaltschaft, die für Heinze eine Gefängnisstrafe gefordert hatte, als auch diese, die nach Meinung mancher beobachter ganz gut davon kam, und ihre Mitangeklagten wollten Revision, berichtet die Süddeutsche. +++
+++ "Total süß!" gefunden wird Michael Konken, der große Empörte unter den deutschen Journalistengewerkschaftsvorsitzenden, sicherlich nicht allzu häufig. Aber heute in der TAZ von der Kriegsreporterin Silke Burmester, und zwar, weil er zu den Männern gehört, die "keine Scheu haben, ihre Naivität zu zeigen" (bzw. weil er die redaktionelle Unabhängigkeit des G+J-Magazins Gala gegen dessen neuen Chefredakteur Christian Krug verteidigen wollte). +++
+++ "Womit die Verlage in Zeiten sinkender Einnahmen zusätzliches Geld verdienen", liest Katharina Riehl auf der Süddeutsche-Medienseite 31 aus der ersten Ausgabe der Zeitschrift Freundin heraus, die der neue Chefredakteur Nikolaus Albrecht (Ex-Chef der 2009 eingestellten deutschen Vanity Fair) verantwortet: "Auf diversen Seiten, unter Mänteln und Taschen, finden sich Verweise auf freundin.de, wo man die Mäntel und Taschen zum Kaufen finden kann. E-Commerce nennt sich das, was wohl die Zukunft der Frauenzeitschriften sein wird; Burda verdient an jedem Verkauf eine Vermittlungsprovision." +++
"Auf den ersten Blick wirkt der Internetauftritt der Seite kreuz.net wie ein normales kirchliches Informationsportal. Doch der Schein trügt", denn an der durch Dirk-Bach-Beschimpfung bekannter gewordenen Webseite namens kreuz.net würden sich gar "Ermittlungsbehörden seit Jahren die Zähne ausbeißen", berichtet Sidney Gennies im Tagesspiegel: "Einige Spuren führen nach Österreich, wo der dortige Verfassungsschutz die Seite schon länger im Blick hat. 'Der Server der Seite liegt in den USA, dort haben wir selbst keine Ausforschungsmöglichkeiten', sagte der Sprecher des österreichischen Bundesinnenministeriums..." +++
+++ Anhand des nicht totzukriegenden Mediums Teletext/ Videotext formuliert Jan Krone bei Carta, streng wissenschaftlich, die These, "dass der Erfolg von Kommunikations- und Medienangeboten im Medienwandel weniger im Neuen / Aufwändigen zu finden ist, sondern vielmehr in den Erweiterungen und dem Interpretieren des Gewohnten als zuverlässige Unterstützung in der Erfüllung von Gratifikationserwartungen unter einem spezifischem Zeitregime". +++
+++ Wie der stets geschliffen formulierende Dr. Gottfried Langenstein vom ZDF und der umtriebige Privatsender Tele 5 um "Roche & Böhmermann" streiten, also weitere ZDF-Digitalnischen-Protagonisten, schildert dwdl.de. +++ Bernhard Baumgartner ist nicht mit Felix verwandt, aber doch Österreicher, und berichtet für die DuMont-Presse über Servus TV. +++
+++ "'Das ist nicht mehr der Götz', sagt sein Schauspielerkollege Hanns Zischler, der den Maler Max Beckmann spielt, 'er ist Heinrich George geworden.'" Jetzt auch die SZ mit Dreh-Impressionen vom George-Fernsehfilm. +++ Ebd. lobt Willi Winkler die 3sat-Eigenproduktion "Im fliegenden Sarg" (heute, 20.15 Uhr): "Dieses Mikrodrama ist ganz anders als all die dröhnend nachempfundenen Mogadischu-Spielfilme, streng wie ein Hörspiel, ohne das geringste Zugeständnis an ein lauerndes Action-Interesse, und gerade deshalb der reine Horror. Dafür muss man dem Fernsehen dankbar sein, zumal es auf dem Bildschirm stattfindet und ihm niemand wirklich ausgesetzt wird." +++
+++ Meanwhile in der ARD: der Fernsehfilm "Auslandseinsatz", der "entgegen der Sender-PR zwar nur der zweite Spielfilm über Bundeswehrsoldaten im Krieg - aber definitiv der beste, bewegendste" sei, wie David Denk in der TAZ meint. Der erste, weniger bewegende sei der ZDF-Film "Kongo" gewesen. "Ohne zu viel verraten zu wollen: Das unversöhnliche Finale des Films lässt den Atem stocken und entschädigt für den Volkshochschulteil, in dem die deutsche Entwicklungshelferin Anna Wöhler (Bernadette Heerwagen), Dorfschullehrerin im fiktiven Milanh, den frisch eingeflogenen Bundeswehrsoldaten ihr Gastland erklärt", empfiehlt also die TAZ. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.