Die Wochenzeitung Die Zeit schlägt zurück gegen Facebook & Co. Karrieretipp: Werden Sie Medienmanager! Außerdem: Neues von Daily Prantl.
Um weder gleich mit den großen, ganz globalen Themen einzusteigen, noch mit den lokalen Skandälchen und Sportreporter- (und vielleicht auch Sportreporter-Rezesenten-) Sottisen einzusteigen, ein pragmatischer Karrieretipp: Werden Sie Medienmanager! Es lohnt sich.
Wer z.B. binnen sechs Jahren den Aktienkurs seines Unternehmens um 85 Prozent zu senken und zehntausende Stellen abzubauen versteht, kann am Ende mit immerhin 37 Millionen US-Dollar davonkommen.
Unter Gender-Aspekten erfreulich: Auch Managerinnen haben brillante Chancen. Sie können, sofern sie Massenentlassungen durchzuziehen in der Lage sind, auf 48 Mio. Dollar (pro Jahr) an Vergütungen kommen. Dieses zeitweise "höchste, jemals an einen weiblichen CEO gezahlte Gehalt" erlangte Carol Bartz als (bekanntlich inzwischen durch Marissa Meyer ersetzte) Yahoo-Chefin. Das im Absatz zuvor skizzierte Beispiel lieferte der Ex-Chef des amerikanischen Zeitungshauses Gannett, Craig Dubow.
Eine ganze Fülle solcher Beispiele, darunter viel Zahlenmaterial von den genannten relativ astronomischen, freilich noch getoppten Summen bis hinab zu den "durchschnittlich 2,93 Euro pro Stunde", die Berufseinsteiger in den Journalismus (der ja zu den adjacent Geschäftsbereichen vieler Medienkonzerne zählt) laut Bundeszentrale für politische Bildung derzeit verdienen, hat in erfreulicher Schärfe Till Wäscher auf Carta zusammengetragen und analysiert. Ein Ausweg aus der, nun ja: Schere, der natürlich lediglich theoretisch denkbar wäre, ist dabei auch enthalten:
"Wie das Columbia Journalism Review vorrechnete, hätten jährlich Hunderte von Journalisten ihren Job behalten, würden die Gannett-Manager auf ein Paar Millionen verzichten."
Wäscher leitet die Medienkonzern-Datenbank mediadb.eu [für die ich auch schreibe] und hat auch daher die Lage jenseits und diesseits des Atlantik im Blick. Der beträchtliche Nachholbedarf des bekanntlich alles andere als schlecht verdienenden Springer-Chefs Mathias Döpfner liegt weniger im Altruismus des Hauses Springer begründet als darin, dass amerikanische Medienkonzerne, wenn ihre Geschäftsmodelle digital funktionieren, eine Liga für sich sind.
[+++] Damit zum globalen Grundproblem der dennoch natürlich vor allem erfreulichen Digitalisierung. Dazu muss man heute auf und in die Wochenzeitung Die Zeit schauen. Vorn drauf sieht man drei Affen mit zwei iPhones in den Händen. Auf dem Wirtschaftsressort, das die mit den drei Affen angeteaserten Artikel enthält, sieht man vier Cowboys, zu denen die stets einfallreiche Zeit-Grafik nämlich Amazon-Chef Jeff Bezos, Facebook-Chef Mark Zuckerberg, den aktuellen Google-Chef Larry Page und den aktuellen Apple-Chef Tim Cook halbseitenfüllend stilisiert hat.
"Wie Facebook, Google & Co die Welt zensieren", lautet die Ober-Überschrift. Und wer denkt, dass die Zeit da aus eigener Betroffenheit (ihres Supplements, dessen Cover letzte Woche bei Facebook gelöscht wurde) schreibt, bekommt derart Recht ("In dieser Ausgabe geht es um weit mehr als den verschwundenen Penis..."), dass er fast denken könnte, vielleicht diente das vorhersehbare Penis-Experiment ja sogar vor allem dem Anteasern der folgenden Titelstory.
Im Haupt-Artikel "Vier Sheriffs zensieren die Welt" (S. 19f) konfektionieren Götz Hamann und Marcus Rohwetter viele großenteils bekannte Fakten über die Internet-Macht der kalifornischen Konzerne neu. Es heißt etwa:
"Die vier Konzerne definieren das Netz, überziehen es mit Weltanschauungen, Moralvorstellungen, Ideen von Gut und Böse. Sie haben eine digitale Welt geschaffen, die mehr an ein autoritäres Disneyland erinnert als an einen wilden Dschungel... "
Und so weiter. Und so richtig. Und so fort. Die Schlussfolgerung am Ende lautet:
"Apple und Facebook, Amazon und Apple [vermutlich: sic, denn Google wurde bis dahin nicht wirklich von den Vorwürfen ausgenommen] zeigen, was es heißt, in einem global village zu leben. Das war einmal eines der größten Versprechen fürs Informationszeitalter. Jetzt führt genau das zu einem gesellschaftlichen Rückschritt: Das Dörfliche entfaltet wieder seine beklemmende Wirkung."
Spannend wäre, falls so eine Spannung tatsächlich vorstellbar wäre, ob die Zeit denn nun ihre "Werden Sie Teil der ZEITmagazin-Community!"/ "Um dich mit ZEITmagazin zu verbinden, registriere dich noch heute für Facebook"-Aufforderungen oder ihre Beiträge zum allgemeinen Apple-Hype ein wenig runterzufahren in der Lage ist. Aber auch das nur theoretisch, denn wenn Reichweiten sinken, steigen Managergehälter gewiss langsamer.
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[+++] Die Tageszeitungen (die anders als die Zeit regelmäßig erscheinende Medienseiten und daher die Dinge regelmäßiger verfolgen) nehmen sich des Themas Facebook heute pragmatischer an. Die FAZ-Medienseite versucht, das Netzwerk zu packen zu kriegen, indem sie vorsichtig formulierend amerikanische Meldungen referiert, es könnte Werbekunden "mit manipulierten Klickzahlen betrogen" haben.
In der TAZ referiert Johannes Gernert dagegen die "Knalleffekt in Irland: Behörde macht Schluss mit uns ...per SMS!"-Meldung des prominentesten deutschsprachigen Facebook-Kritikers Max Schrems auf europe-v-facebook.org. Hintergrund: Da Facebook seinen europäischen Hauptsitz in Irland hat, wären die dortigen Datenschützer am ehesten befugt, beim US-Konzern Datenschutz nach europäischen Maßstäben einzufordern. So sehr, wie es der Österreicher Schrems möchte, fordern sie aber nicht. Gernert bilanziert: Der inzwischen veröffentlichte
"Briefwechsel... zeigt, wie zaghaft die zwanzig Datenschützer aus Irland am Ende doch mit Facebook umgehen."
"Wie schwierig der Balanceakt zwischen Monetarisieren und Vertrauen der Nutzer ist", wägt aus mehreren Anlässen der Facebook-Kritik ebenfalls in der TAZ Meike Laaff ab.
[+++] Aber auch die coolen Apple-Geräte kommen heute auf den Medienseiten vor. Die vor anderthalb Jahren vom alten Fuchs Rupert Murdoch angefeuerte Ansicht, auf ihnen ließe sich mit Journalismus Geld verdienen, muss relativiert werden: Murdochs iPad-Tageszeitung The Daily streicht 50 von bislang 170 Stellen (DPA/ Tsp.), streicht gar sein Meinungsressort (Süddeutsche), "steht vor dem Aus", würden Österreicher sogar sagen.
Aber Österreicher sind ja wohl auch applefacebookgoogle-kritischer drauf als Deutsche.
+++ Jetzt aber Daily Prantl: Selbstredend haben die Wochenzeitungen auch etwas zum Sowiesogate des Süddeutsche-Großjournalisten zu sagen. In der Zeit gibt auf S. 4 Robert Leicht seinen Senf sein Dressing dazu: "In der Sache geht es um den Unterschied zwischen 'etwas erfahren' und 'etwas erleben'". +++ Michael Angele (Freitag) tut's auf intellektuellere Weise ("Hallo? Schon mal was von Heidegger gehört?") +++ Das "Auf ein Gulasch mit Heribert Prantl"-Stückchen des Welt-Humoristen Alan Posener featureten auch die Humor-Experten von meedia.de gern, bei denen Christian Meier aber auch gelassen salomonisch über Prantl urteilt ("Was für die Puristen ein Sündenfall, mag für Zyniker und Realisten eine lässliche Sünde sein. Der 'Spiegel' bedient sich schon seit Jahren der schönen Technik der Rekonstruktion und schildert mit Vorliebe den Verlauf von Geheimtreffen, als hätte der Autor unter dem Tisch gesessen. Einigen Lesern nötigt so etwas Respekt ab, andere wundern sich"), ohne dabei Jonah Lehrer, den amerikanischen Dylanzitate-Kreateur, zu venachlässigen. +++
+++ Dem ehemaligen Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann (der im o.g. Carta-Artikel als relativer Geringverdiener vorkommt), galt anno 2008 ein medienbekannt gewordenes Geburtstags-Abendessen im Bundeskanzleramt. Aus der dank Thilo Bodes und des Informationsfreiheitsgesetzes nun bekannt gewordenen Tischordnung hat Altpapier-Autor Matthias Dell ein Gesellschaftsspiel gestaltet, das heute dem Freitag beiliegt und hier bei netzpolitik.org als PDF zu haben ist. Im Begleittext analysiert Dell auch die neuen Daten und gleicht sie mit einem renommierten Frank Schirrmacher-Feuilleton ab. Ergebnis: "Entweder trügt Schirrmachers Erinnerung oder der vom Kanzleramt ausgegebene Plan hat noch Entwurfscharakter." +++ Dass Schirrmacher alles lediglich prantl-like szenisch rekonstruierte, ist vorerst unwahrscheinlich... +++
+++ Guter Tipp für amtierende Printmedien-Manager: Zeitungen teurer machen! Das rät Oliver Roll, seines Zeichens "Professor für Preismanagement" an der Hochschule Osnabrück im newsroom.de-Interview. +++
+++ Jetzt aber: unsere Sportreporter: Joachim Huber reitet im Tagesspiegel verspätet, aber dynamisch zur großen Attacke gegen den ARD-Reitsportreporter Carsten Sostmeier ("Seit 2008 wird zurückgeritten"): "Wer beim (Fernseh-)Sport ungern, aber doch verzeiht und nur anderswo auf einem Nein beharrt, der öffnet einen Spalt. Da schlüpft der Nazi schneller durch, als es die Gesellschaft erlaubt. In Fußballstadien werden längst innere und äußere Reichsparteitage abgehalten". +++ Zumindest bei tagesspiegel.de reitet Kit Holden für Großbritannien (Achtung, Nazifilm-Bezug, allerdings ist Holden ein englischer Praktikant des Blattes) ihm entgegen und holt Huber ein wenig aus dem Sattel. +++ Noch mehr TV-Sport ebd.: Mehmet Scholl möge kein Firlefranz werden, wünscht sich Helmut Schümann. +++
+++ Noch mehr "fortgesetzte 'Hitlerei'" (J. Huber) ebd.: 2013 geht Guido Knopp in den Ruhestand. Das wurde bei der Vorankündigung seiner im September anstehenden letzten Großproduktion "Weltenbrand" bekanntgegeben. +++
+++ "Schön für die Ufa, schlecht für Sat.1", kommentiert Steffen Grimberg in der TAZ Joachim Kosack-Personalie (siehe Altpapier gestern) +++ Über den ebenfalls gestern hier gestreiften Kabelfernseh-Streit informiert Wolfgang Messer auf Carta. +++ Was ist eigentlich Produktplatzierung? Die bunte Medienseite der Berliner Zeitung informiert. +++
+++ Großer Aufmacher der SZ-Medienseite 35: "Regisseure und Schauspieler beschwören die Gefahr eines Qualitätsverlustes" im deutschen Fernsehfilm, der pro Stück zwischen 1,1 und 1,4 Mio. Euro koste und an immer weniger Drehtagen gedreht werden müsse. Jörg Seewalds Artikel ist lesenswert wegen ervieler selten zu lesender Zahlen. Bloß der Gedanke, dass der beschworene Qualitätsverlust längst schon eingetreten ist, fehlt ein wenig... +++
+++ Noch ein Matthias-Dell-Text aus traurigem Anlass: Die Dokumentarfilmerin Petra Tschörtner ist gestorben bzw. nun endgültig "verschwunden zwischen den Zeiten". +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.