Heribert Prantl darf weiterschreiben, doch zwischen ProSiebenSat.1 und Bertelsmanns Ufa rollen Geschäftsführer-Köpfe hin und her. Außerdem verspricht eine Kabelfernseh-Klage Entertainment.
Was auch immer sich den deutschen Medienschaffenden vorwerfen lässt: dass sie nicht auch in der Sommerpause gut unterhalten, auf vielen, auch hohen Niveaus, und dabei zum womöglich produktiven Nachdenken anregen, das gehört nicht dazu.
Was das Voßkuhle-Gate bzw. Prantl-Gate angate angeht (auch das müsste irgendein Institut mal dringend festlegen: ob so ein metaphorisches -gate nach dem Verursacher oder nach eher unschuldig Betroffenen benannt werden soll; wie war das mit dem Wasser bei Watergate?) ..., jedenfalls stand die "Klarstellung" der Süddeutschen, die die gestrige BLZ noch "am Mittwoch auf der Forumseite" erwartete, darin schon gestern auf der Seite 3. Inzwischen ist sie auch online zu haben.
Dem Geschehen der vergangenen Tage fügt sie wenig Neues hinzu. Heute bringt der Tagesspiegel, der am Freitag ja vorn dabei war, seine Leser auf den Stand und hat sich bestätigen lassen, dass entgegen womöglich missverständlichen Alexander-Gorkow-Äußerungen Heribert Prantl kein Schreibverbot für die Seite 3 der Süddeutschen bekommt. Am Ende lässt der Tsp. noch einen Reporter-Tipp vom "Reporter-Forum"-Mitgründer Ariel Hauptmeier springen: Szenische Rekonstruktionen durchaus häufig einsetzen, aber "nie, nie, nie, und diesen Fehler hat jetzt ja auch Herr Prantl gemacht, ohne glasklar zu sagen: Hier war der Reporter nicht dabei, Anwesende haben es ihm erzählt."
Best-practice, wie sich so eine Glasklarheit flüssig herstellen lässt, sofern man (immer dieses "man"!) bloß in die ich-Form gelangt, exerziert die TAZ-Kriegsreporterin im Rahmen einer umfangreichen Empörung vor:
"Ich sehe Prantl förmlich vor mir, wie er in der Küche vielleicht eines toskanischen Ferienhauses, das Geschirrtuch im Hosenbund festgesteckt, ein Glas guten Roten zur Rechten, den Salat rupft, während eine Frau noch einen Spritzer Balsamico, den echten versteht sich, ans Dressing gibt. ..."
Und was die psychologische Seite der Sache angeht, also die Frage, was um alles in der Welt Prantl denn nun in Andreas Voßkuhles Küche geritten haben könnte, so unterbreitet Benno Stieber auf Carta einen Ansatz:
"Bei der Lektüre drängte sich schon damals der Eindruck auf, dass Prantl mit seinem wohlwollenden Porträt vom Dressing quirlenden Verfassungsgerichtspräsidenten sein Verhältnis zum Gericht und seinem Präsidenten wieder aufbessern wollte",
nachdem er nämlich im März einen bösen Kommentar über das Gericht geschrieben hatte, das wiederum dermaßen "gute Presse gewohnt" sei, dass es andernfalls empörte Anrufe der Pressesprecherin veranlasse. Stieber, das erfährt man auf der Webseite der Freischreiber, deren Vorsitzender er derzeit ist, wohnt übrigens in Karlsruhe. Er macht aber keine Angaben und Andeutungen, ob er die bewusste Küche von innen kennt.
[+++] Wo (metaphorisch!) Köpfe rollen, und zwar einige derart hin und her, dass es journalistischer Einordnung bedarf: bei den großen deutschen Medienkonzernen ProSiebenSat.1 und Ufa.
Beim Ex-Kirch-Laden in Unterföhring gibt's gleich einen neuen Geschäftsführungs-Vorsitzenden und zwei neue Geschäftsführer, bei der Ufa in Potsdam, die via Fremantle und RTL zu Bertelsmann gehört, gar ganz neue Strukturen, in die der bisherige Geschäftsführer von Sat.1, Joachim Kosack, aus Bayern heimkehrt.
SZ-Medienseitenchef Christopher Keil betrachtet primär aus Sicht der süddeutschen Sendergruppe P7S1 (S. 27):
"In der auf Kostensenkung getrimmten Senderfamilie ist Ebeling der starke Mann. Ihn stützt und schützt eine Matrix von Zuständigkeiten, in der das Programmangebot der Gruppe entwickelt und von dort aus verteilt wird. Die Sender als unterschiedliche Einheiten mit eigenen, verschiedenen kulturellen Identitäten wurden abgeschafft. Und wenn man Ebelings Politik dreht und wendet, bleibt übrig, dass er konsequent entscheidet - unter dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung",
meint er. Wer ist nochmal Thomas Ebeling? Der vor allem in Sphären wie "Medical Nutrition, Health Nutrition und Consumer Retail" bewanderte CEO, also Vorsitzende aller Geschäftsführungs-Vorsitzenden bei P7S1. Er habe Kosack mehr oder weniger gefeuert, lässt sich aus dem SZ-Artikel herauslesen. Wofür die Privatfernsehfreunde von dwdl.de sogar Verständnis haben, angesichts des (von ihnen Tag für Tag vermeldeten) "extrem schlechten Monatsmarktanteils von Sat.1": Kosack habe "tapfer gekämpft, blieb aber glücklos".
Sat.1 bleibt also "der Sender mit dem größten Geschäftsführerverschleiß", schreibt FAZ-Medienseitenchef Michael Hanfeld (und im neuesten, Nicolas Paalzow, ebenfalls sozusagen ein Heimkehrer, erkennt der Tagesspiegel eine "Sensation"). Hanfelds Ansichten zum "großen Personalrevirement" stehen in der gedruckten Zeitung etwas ausführlicher als frei online. Ihm scheint es so, dass "den Auslöser für den Postenwechsel ...Kosack gesetzt" hat, weil er nicht gefeuert wurde, sondern eher von selber "zum national größten Produktionsunternehmen der Branche, der Ufa" ging.
Hanfeld steht schließlich gut mit dem obersten Ufa-Chef Wolf Bauer, der die FAZ gerade erst mit dem umfangreichen Selbstdarstellungs-Q&A beehrte, in dem er die Umstruktierungen ankündigte. Nun habe die Ufa mit dem ewigen Nico Hofmann und Kosack "ein denkbar starkes Team am Start", glaubt Hanfeld.
Ein starkes Team, ein starkes Team, da war doch was: "Ein starkes Team" ist eine dieser langweiligen, aber auch enorm langlebigen Krimireihen, die das ZDF ohne anderen Sinn und Verstand als für die Zielgruppen-Einschaltquoten-Analyse notwendig in Auftrag gibt, und zwar bei der "Ufa- Fernsehproduktion", die künftig in der neuen Einheit "Teamworx Ufa" aufgehen soll. Der Chef dieser bald ehemaligen Einheit heißt Norbert Sauer und wird, der offiziellen Ufa-Pressemitteilung zufolge, "Ende August als Geschäftsführer abberufen".
Abberufen ist nun ein starkes Wort in einer ansonsten, selbst dort, wo es um komplett unbekannt gebliebene Kinofilme geht, randvoll mit "im besten gegenseitigen Einvernehmen"-Geschwurbel angefüllten Pressemitteilung. Ein wenig aufschlussreichere Einordnung dazu kommt vielleicht noch in den Qualitätszeitungen.
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[+++] Bei einer anderen, durchaus langfristig Unterhaltung des Medienmedien-Publikums versprechenden Story war die FAZ gestern vorn dabei: Im Wirtschaftsressort verkündete Adrian von Hammerstein, der Chef des Kabelnetzbetreibers Kabel Deutschland, dass sein Unternehmen die Programme von ARD und ZDF, die bekanntlich ab 2013 für die Verbreitung ihrer Sender im Kabelnetz nicht mehr bezahlen wollen, dann auch nicht mehr ausstrahlen zu wollen. Und außerdem zu klagen.
Denn die rundfunkstaatsvertragliche Must-Carry-Regelung sei auch eine Must-Pay-Regelung, sage "ein Gutachten, das im Auftrag von Kabel Deutschland die Medienwissenschaftler Hans-Heinrich Trute und Roland Broemel von der Universität Hamburg erstellt haben", schrieb das Blatt.
Nun verstehen sich die Herren Trute und Broemel eher als Juristen (und so weit, dass Jura als Medienwissenschaft gilt, ist es wohl noch nicht). Aber eine solche Klage könnte schon deshalb spannend werden, weil die Medienpolitik in Deutschland ja zwar einen Rundfunkstaatsvertrag nach dem anderen aufsetzt, die wirkliche Gestaltung jedoch den Gerichten überlässt.
So könnte am Ende in Richter Voßkuhles Küche, oder wo auch immer nun die Wahrheitsfindung in Karlsruhe stattfindet, entschieden werden, wieviele Dritte Programme, in denen täglich "Tatorte" wiederholt werden, und wieviele öffentlich-rechtliche Digitalsender tatsächlich bestehen und verbreitet werden müssen.
+++ "If we cannot rely on Twitter to protect our free speech, then it is no platform at all": Diesen Jeff-Jarvis-Tweet nimmt die FAZ-Medienseite zum Anlass, die #nbcfail-Frage "Können wir uns auf Twitter noch verlassen?" aufzuwerfen? Eine schnelle Antwort ist natürlich nicht möglich. Hier fassen DPA/ BLZ zusammen, worum es geht in der Streitigkeit zwischen dem Journalisten Guy Adams und dem US-Konzern NBC, auf dessen Seite das monetarisierungswillige Twitter wohl steht, geht. Auf buzzmachine.com vertieft Jarvis sie. +++
+++ Die Berliner Zeitung reitet etwas auf dem "geschichtsblinden" (tagesspiegel.de) "Seit 2008 wird zurückgeritten"-Spruch des ARD-Reitsportreporters Carsten Sostmeier herum. +++ Großer Satz dazu von Katharina Riehl (sueddeutsche.de) dazu: "Das Netz jedenfalls tobt, klar". +++ Das Lob, das Tsp.-Kolumnistin Katrin Schulze heute vermutlich solchen "olympischen Experten", die früher selbst Sportler waren, für ihre klaren Analysen zukommen lässt, würde sich vielleicht klarer erschließen, wenn ihre Kolumne etwas länger wäre. +++
+++ Nicht geschichtsblind: Google. Wegen der recht sensationellen Wendung im jüngsten Gesetzesentwurf zum sog. Leistungsschutzrecht schlägt es einen Runden Tisch vor: "Solch ein Gesetz schützt niemanden und schadet allen - Nutzern, Verlagen, Suchmaschinen und der deutschen Wirtschaft", zitiert heise.de den Konzern-Sprecher Kay Oberbeck. +++ Die Erklärung, dass der aktuelle Entwurf "ein Freifahrtschein für die Aggregatoren [wäre ], die schon jetzt die Verlags-Internetseiten absaugen, um damit Geld zu verdienen", stammt von den Spitzen des Zeitschriftenverleger- und des Zeitungsverlegerverbands gemeinsam. +++
+++ "Sogleich für ziemlich obercool befunden" wurde das vor 25 Jahren gegründete MTV seinerzeit. Daran erinnert Bernd Graff auf der SZ-Medienseite 27. Auch nicht uncool liest sich das Wort "wumpe" später im selben Erinnerungs-Text ("MTV Europe sendete zuerst auf Englisch. Was wumpe war, weil es um die Moderationen gar nicht ging"). +++
+++ Gestorben ist der Fernsehproduzent Günter Stampf mit 43 Jahren (dwdl.de, Süddeutsche). +++
+++ "'Ottis Schlachthof' wird eingestellt", lautet eine verbreitete Meldung, wobei das Ende der BR-Sendung "aus Rücksicht auf seine Gesundheit", Ottfried Fischers, erfolgt. Insofern ist "eingestellt" nicht das allerpassendste Wort. +++ Fischers Worte "Wo die Reise hingeht, weiß ich noch nicht genau, aber ich werde weiterhin, entschleunigt zwar, Bühnenprogramme spielen, Bücher schreiben und neue Projekte entwickeln, auch im Bereich des Produzierens von Filmen. Ich bin weniger traurig als dankbar, dass die Zeit so schön war", übermittelt die Süddeutsche. +++
+++ "Ob für die Informanten wenigstens ein Freiabo drin ist? Oder ein schönes Verlagsgeschenk? Oder ein Kommunikationsseminar: schöner denunzieren? Dass Whistleblower eine wichtige Funktion haben und ohne Informanten Skandale kaum aufgedeckt werden, ist klar. Doch muss deswegen noch lange niemand geheime Dokumente bei der 'Zeit' hochladen. Dabei sollte einem eher mulmig werden", merkt Michael Hanfeld zum "digitalen Briefkasten" bei zeit.de an. +++
+++ Und: "Obwohl der Zuschauer mit Brönner durch die Welt reist, kommt er ihm nicht wirklich nahe. Nur in einigen Augenblicken wird es persönlich, wenn Till Brönner in einem Hotelbett in New York liegt, die Trompete neben sich, und davon erzählt, dass nicht jede Frau dafür Verständnis hat, wie das Instrument seinen Alltag beherrscht", merkt Andreas Nefzger ebenfalls in der FAZ zum heutigen "Deutschland deine Künstler"-Film über Till Brönner an.
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.