Alles über Thommy Gottschalks vorerst letzte Worte in der ARD. Wer jedenfalls nach Kalifornien geht: Bild-Zeitungs-Chef Kai Diekmann. Was dagegen noch im Juni kommen soll: das Leistungsschutzrecht. Außerdem: Die Schufa engagiert sich für Datenschutz.
Das ist aus dem Hause Axel Springer mal eine gute Nachricht für Menschen, die nicht zu den Sympathisanten der starken Marken des Hauses Springer zählen: Kai Diekmann, der gut gegelte Chefredakteur der Bild-Zeitung, zählt zu einer Handvoll Manager, die "ab September 2012 für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten ihren Arbeitsplatz von Berlin an die Westküste der USA verlegen" sollen.
Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung steht dann zwar, dass für die betreffenden Manager nach abgeschlossener Mission - es geht um "neue unternehmerische Ideen für digitales Wachstum" - und der Rückkehr aus dem Silicon Valley "wieder die Übernahme ihrer derzeitigen Aufgaben und Verantwortungsbereiche bei Axel Springer" "erfolgt". Diekmann soll also im März 2013 wieder auf den alten Posten heimkehren. Aber ein paar Hoffnungen darauf, dass Deutschlands größte und schlimmste Zeitung sich wandelt, sollten sich doch daran knüpfen lassen.
Springt jemand darauf an? Die TAZ eher nicht, sie meldet müde "Goodbye, Kai!". Aber die DuMont-Presse (deren Beziehung zum Springer-Verlag ja auch eine komplexe ist, siehe Altpapierkorb vom Montag), die tut's.
"Kai Diekmann verlässt die 'Bild'" titelt Ralf Mielke (BLZ/ FR), ließ sich offenkundig bestätigen, dass Diekmann sich in den sechs Monaten Kalifornien "komplett aus der Produktion der Bild-Zeitung heraushalten, nicht einmal die Schlagzeilen auf Seite 1 ...abnehmen", werde. Und füllt die letzten Absätze seines Artikels mit daran anknüpfenden Was-wäre-wenn-Spekulationen auf, nicht ohne die auch dem Springer-Sprecher Tobias Fröhlich vorgetragen zu haben. Was Springer-Sprecher "kompletten Blödsinn" nennen, kann ganz falsch ja nicht sein.
Man würde sich freilich wundern, wenn Kai Diekmann nicht zumindest zwischendurch für eine Homestory bei Thommy Gottschalk in Malibu reinschaut. (Schließlich waren auch in der Zehn-Jahre-09/11-Sonderausgabe der Bild-Zeitung aus New York die damals gerade in NY weilenden Guttenbergs ein wichtiges Thema). Und der Teilzeit-Wahlkalifornier hat ja seit gestern abend, 19.50 Uhr, wieder Valenzen frei.
[+++] Die letzte "Gottschalk live"-Ausgabe findet heute Gottschalk-gemäße Medienaufmerksamkeit. Insbesondere die letzten Worte, die der Moderator in den enthusiasmierten Applaus im proppenvoll angefüllten Studio sprach, bestimmen die Überschriften der Online-Besprechungen.
"Sie werden noch von mir hören!" haben der Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gehört, für die Peer Schader Gottschalk "professionelle Gelassenheit" bescheinigt.
"Ohne mich wird es sehr öde!" hat nicht allein Michael Hanfeld (faz.net) den Entertainer "in den Schlussapplaus" rufen gehört, Ruth Schneeberger (sueddeutsche.de) machte den Satz ebenfalls zur Überschrift.
Handelsblatt.com - bzw. Offenlegung: ich - hielt es für relevant, dass Thommy Gottschalk bei seinem gedrängten Abschied überdies "Ciaociao" sagte. Antje Hildebrandt schließlich hörte zwischen den gesprochenen Zeilen. Zumindest trägt die welt.de-Version ihrer Besprechung die kongeniale Überschrift "Sag zum Abschied leise 'Ihr mich auch'" - die freilich vielleicht Springer-Redakteuren zu verdanken ist. Denn die ksta.de-Version desgleichen Textes heißt "Der Mann, der Super-Thommy war".
Damit kurz, obgleich nicht ungemein relevant, zum Inhaltlichen der letzten Thommy-Show. Gefallen hat diese letzte Ausgabe so gut wie niemandem. "Schon der Rahmen dieser letzten Sendung zeigte, wie wenig Mühe sich alle Beteiligten gaben, diesen Abgang in Würde über die Bühne zu bringen" (Hildebrandt). "Obwohl zwischen noch einmal drei Werbeunterbrechungen und dem groß verkündeten Ende der Aktion '66 Träume' kaum noch Platz war, schaffte es der Entertainer doch noch, die ganze Sendung über auf seine vermeintlichen Verdienste hinzuweisen" (Schneeberger).
Einem aber hat es doch gefallen. Michael Hanfeld schwimmt wie so oft gegen den Strom und bedauert, dass Gottschalk
"sich mit einer Programmidee verabschiedet, die zwar wiederum nicht für Bombenquoten sorgt, aber dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens entspricht wie nur wenig anderes, das den Gebührenzahlern - und also uns allen - angeboten wird. Das Motto: Tue Gutes und rede darüber. ...".
Das in den letzten Showfolgen getane "Gute" kann man freilich anders sehen:
"Jetzt verteilte Super-Thommy die letzten Brotkrumen gönnerhaft an all jene, die bedürftig, hilfsbereit oder gerissen genug waren, um sich als Kandidaten für jene Aktion zu bewerben, mit der die Redaktion auf den letzten Metern das Programmloch stopfte" (Hildebrandt),
und selbst wenn man die mit 2.000, 10.000 oder 50.000 Euro beglückten Gewinner für wirklich beglückenswert hält, kann man die Art und Weise, in der Gottschalk und sein Grundy Ufa-Team das inszenierten, für grenzwertig halten. "Den Kitschzusammenschnitt der guten Taten fürs Fernsehen hätte es dabei nun wirklich nicht gebraucht", schreibt der wohlwollende Schader.
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Mit seinen allerletzten ARD-Worten "Ohne mich wird es sehr öde!" dürfte Thommy Gottschalk aber zumindest in dem Sinne Recht behalten, dass es einer faustdicken Überraschung gleichkäme, wenn es am ARD-Vorabend mal nicht öde zuginge. Falls aber jetzt jemand doch wieder Sehnsucht nach Gottschalk-Entertainment bekommen haben sollte: Heute vorabend wird dem doch noch einmal im Internet geholfen. "Ab etwa 19.15 Uhr" "bis 20.45 Uhr" oder auch deutlich darüber hinaus, talken Stefan Kuzmany und Jenni Zylka auf Spiegel Online mit dem Entertainer. Zumindest die Frage nach dem Grad seiner Kuzyheit dürfte diesem Ereignis zu einer gewissen Grundspannung verhelfen.
[+++] Nicht öde wird es im Sommerloch. Die großen Diskurse und Debatten können nicht ja nur sowieso weitergeführt werden, sondern überraschenderweise sogar anhand von etwas sehr Konkretem: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger "hat das Leistungsschutzrecht fast fertig", meldet heise.de unter Berufung auf eine Quelle, die es wissen muss: das Bundesjustizministerium selbst. Auf seiner Webseite bmj.de bringt dieses einen Text mit externen Links zur privaten elektronischen Presse (also zu Leutheusser-Schnarrenberger-Artikeln und -Interviews in FAZ und Handelsblatt), demzufolge der Gesetzesentwurf "noch vor der Sommerpause" vorliegen soll.
Und wann ist parlamentarische Sommerpause? "Vom 02. Juli 2012 bis 07. September 2012" (vgl. anton-schaaf.de). Das LSR müsste also noch im Juni kommen.
+++ Noch mehr Diskussionsstoff: Um die Datenschutz-Debatte macht sich nun ein ganz besonderer Institutionen-Darling verdient - die Schufa. "Nach Recherchen des Radioprogramms NDR Info" (ndr.de) bzw. "nach Recherchen von NDR Info und 'Welt Online'" (welt.de) plant "Deutschlands größte Auskunftei ..., in sozialen Netzwerken wie Facebook und aus zahlreichen anderen Quellen im Internet gezielt Daten über Verbraucher zu sammeln". Mit den Details habe es das Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam beauftragt. Dass prominente Datenschützer bereits "entsetzt" sind, erstaunt nicht. Aber der klangvolle Name der Schufa dürfte auch überzeugte Facebook-Fans zur Diskussion locken. +++
+++ Welcher Feiertag "gestern in glücklicheren Teilen das Landes war" (TAZ), ist unklar. Heute ist in katholischen Landesteilen der Feiertag Fronleichnam, weshalb Süddeutsche Zeitung und FAZ gedruckt nicht erscheinen. +++ Zeitungen aus eher evangelisch geprägten Regionen (Tsp., taz.de) berichten von einer Frauenquoten-Diskussion der Medien-Initiative Pro Quote unter Beteiligung hochrangiger Diskutanten wie Jakob Augstein. +++ "Wenn wir bei der Samstagskonferenz drei Frauen wären, würde sich früher oder später jeder an dieses Klangerlebnis gewöhnen. Es kommen aber vier Männer, eine Frau, vier Männer, eine Frau. Ich bin immer etwas Besonderes. Solange das der Fall ist, werden sich da welche dran reiben", sagt die Fußball-Radioreporterin Sabine Töpperwien im TAZ-Interview (Überschrift: "Ich darf Schalke 05 sagen"). Jetzt bei der EM ist sie Teamchefin und moderiert leider nicht. +++
+++ Zum bei meedia.de zitierten Mailwechsel zwischen Thomas Leif und Rüdiger Pichler rund ums Netzwerk Recherche (siehe Altpapier gestern) hat die TAZ Bonusmaterial: "Die von Meedia veröffentlichten Mailpassagen legen nun nahe, Leif habe Pichler Fragen eingeflüstert, was Leif auf taz-Anfrage mit dem Hinweis quittiert, er kommentiere keinen privaten Mailverkehr. Pichler bestätigt den Kontakt zu Leif, die Fragen interessierten ihn jedoch auch persönlich. ... Er stehe Leif durchaus kritisch gegenüber, erkenne aber dessen große Leistung um 'Netzwerk Recherche'. Womit er nicht abstreitet, dass Leif souffliert hat. Ebenso wenig streitet Pichler ab, dass er selbst die Soufflage enthüllt hat und Leifs Mail weitergab..." +++
+++ Es steht aber auch Zugänglicheres auf der TAZ-Medienseite, und zwar eine Empfehlung der neuen, dem "genialen Selbstvermarkter Rolf Kauka" gewidmeten Ausgabe des Comic-Magazins Reddition. +++ Reddition erscheint zwar auch im Verlag Edition Alfons, ist aber nicht identisch mit dem neuen Comic-Fachmagazin Alfonz, das die FAZ gestern empfahl. +++ Wer online ins ehemalige Kauka-Imperium eintauchen möchte: kaukapedia.com. +++
+++ Drei "irreversible Prozesse", die das Internet in Gang gesetzt hat, und andere stringent aufgelistete Grundsätzlichkeiten gibt's neu bei vocer.org von Karsten Wenzlaff und Anne Hoffmann. +++ Unbefangenheit, Lebensfreude, gesellschaftliche Phantasie bzw. "Utopien!": Wolfgang Michal entdeckt bei Carta aber mindestens drei Gemeinsamkeiten zwischen Piraten und Grünen. +++
+++ Das größte Kapital aus der Meldung, dass der ehemalige "Big Brother"-Superstar Sascha Sirtl die bei RTL 2 gewonnene Million Euro versteuern muss, generiert der Tagesspiegel ("Das Urteil wird nach Meinung von Rechtsexperten auch Auswirkungen auf Castingshows wie 'Deutschland sucht den Superstar' und 'Germany’s Next Topmodel' haben. Ob die Gewinner der vergangenen Jahre nun nachträglich belangt werden können, ist unklar..."). +++
+++ "... Ein Kulturprogramm muss nicht unterhaltsam sein. Ich kann gut verstehen, dass sich eine Welle der Empörung gegen die Pläne für WDR 3 aufgebaut hat... ... Aber nach meiner Einschätzung ist der WDR unter allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten immer noch die beste aller Inseln....": Das Interview, das Anne Burgmer (KSTA) mit Klaus Bednarz zu dessen gestrigem 70. Geburtstag führte, steht nun frei online. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.