Erste Reaktionen auf die Frauenquote-Forderung, neue Fehler in der Monarchinnen-Berichterstattung, Analysen zum frischen FilmFilm mit Alexandra Neldel: Frauen sind gar nicht mehr wegzudenken aus den Medien.
"Frauen sind nicht die schlechteren Journalisten" - dieses knackige (freilich einem Zusammenhang entstammende) Zitat des Vorsitzenden der Journalistengewerkschaft DJV, Michael Konken, macht Furore. Klar, dass die am Sonn- und Montag in die Öffentlichkeit gegangene Initiative pro-quote.de (die eine mindestens 30-prozentige Frauenquote in Medien-Führungspositionen fordert) ein starkes Medienmedien-Thema darstellt.
Spannend selbstverständlich, wie jene Zeitungs-Medienseite, die sich häufig am relativ quersten zum Meinungsmainstream verhält, die der FAZ, darauf eingeht.
Sie tut es auf nur 23 Zeilen betont nüchtern ("Rund 350 Journalistinnen haben am Sonntag unter dem Rubrum 'Pro Quote' an rund 360 Chefredakteure, Herausgeber, Verleger und zwölf Intendanten deutscher Medien einen offenen Brief geschickt..."), geradezu auffälig ums Vermeiden von Zwischentönen bemüht - bis zu einem Tippfehler in der 22. Zeile, der erst beim zweiten Lesen auffällt und womöglich hochgradig Freud'sch ist:
"Der offene Brief fordert jeden der Abgeschriebenen zu einer öffentlichen Erklärung auf."
Kein Wunder, dass der Tagesspiegel von "hektischer Rechnerei" in "Deutschlands Verlagshäusern und Sendern" berichtet. Einer der prominentesten Ab- oder Angeschriebenen, Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo, hat sich bereits öffentlich gegen eine Frauenquote ausgesprochen (taz.de), und zwar am Sonntag beim Spiegel-Showtalk mit Ursula von der Leyen. Dazu liegen auch Betrachtungen des Events selbst vor, eine (schon am Sonntag) von meedia.de-Chefredakteur Georg Altrogge verfasste und heute auch eine gedruckte. In der Süddeutschen gestattet sich Willi Winkler den Spaß, ein typisches Gendermuster, mit dem sich Berichte über inhaltlich eher öde Veranstaltungen aufpeppen lassen, umzukehren - das der "abschätzenden Stilkritik":
"Georg Mascolo erschien in gewohnt schlanker Gestalt. Auf eine Krawatte hatte er am Sonntagabend verzichtet, was ihm ein leicht verwegenes Aussehen verlieh. Er war in einen eleganten anthrazitfarbenen Anzug gekleidet, trug passende Schuhe dazu, und ein blütenweißes Hemd rundete die Erscheinung des für seine 47 Jahre beneidenswert gut aussehenden Spiegel-Chefs ab."
Winklers launiger Artikel endet mit der Frage "Wo ist eigentlich Alice Schwarzer, wenn man sie bräuchte?" Nun, Schwarzer steckt natürlich im aktuellen Spiegel-Heft, für das die von der Leyen-Nachfolgerin als Familienministerin, Kristina Schröder, ein ebenfalls launiges Kurzinterview "über ihre Hilfe für Frauenrechtlerin Alice Schwarzer" bzw. für deren Frauenmediaturm gibt.
Vollständigkeitshalber: Ein männlicher Unterstützer der Frauenquoten-Forderung, Michael Jürgs, stellte der BLZ ein paar nette Sätze zur Verfügung.
[+++] Ebenfalls vor allem an Frauen richtet sich, muss man sagen, ein Pressesegment, das im Moment stark in den Medienmedien vertreten ist: das der Yellows. Die bunt-flauschige Geschichte von der Neuen Welt, die schwedischen Kronprinzessin Victoria anstatt des Mädchens, das sie geboren hatte, per Titelschlagzeile einen Jungen zugeschrieben hatte, ist inzwischen von Stefan Niggemeier (dessen Blog gerade frisch relauncht wurde) in den Tagesspiegel weitergereist. Relativ ursprünglich stammt sie von focus.de.
Noch härteren Stoff aus derselben Richtung hat wiederum meedia.de zutage gefördert: eine offenbar auch völlig falsche Rücktrittsmeldung der Freizeitwoche zur niederländischen Königin Beatrix.
Da stellt sich aktuell natürlich die Frage, wer in diesen Blättern die Chefredaktion innehat. Bei der Freizeitwoche, einem Bauer-Klambt-Joint Venture ist's Herbert Martin, bei der Neuen Welt (WAZ Women Group) der aus der Niggemeier-Titelzeile bekannte Kai Winckler. Vielleicht ist es nicht unbedingt frauenfreundlich, auch diesen Titeln Chefredakteurinnen zu wünschen. Aber Yellow-freundlich könnte es sein.
[+++] Damit ins Fernsehprogramm, aus dem Frauen nun schon gar nicht mehr wegzudenken sind. Heute zum Beispiel bei Sat.1:
"Alexandra Neldel als Ikone einer televisionären Frauenbewegung, die sich zwischen eskapistischer Romantik und handfester Frauenpower nicht entscheiden will".
Da zieht Klaudia Wick dermaßen vom Leder, als wolle sie jede Befürchtung, das umfängliche Beobachten aktuellen Privatfernsehtrashs habe ihren Blick beeinflusst, ein für allemal zerstreuen. Vor allem den Satz, in dem das Wort "Wanderhure" gleich viermal vorkommt, würde man gerne mal in einer Audiofassung von der Autorin vorgelesen bekommen:
"Bevor 'Die Rache der Wanderhure' ihren Erzählmittelpunkt finden kann, muss zunächst das Glück der Wanderhure zerstört, die Wut der Wanderhure angefacht und der neue Feind der Wanderhure gefunden sein."
"Die Rache der Wanderhure" (vgl. Foto oben) also heißt der Sat.1-Filmfilm, der heute beinahe überall besprochen wird. Er heißt übrigens nur so, weil der Vorgängerfilm so ungeheuer quoten-erfolgreich war, dass er "längst zur Marke" geworden ist. Die verfilmte Buchvorlage (bekanntlich geschrieben von einem Mann und einer Frau gemeinsam) dagegen heißt eigentlich unspektakulärer "Die Kastellanin". Das alles erklärt gewohnt abgeklärt der Tagesspiegel.
Der Film selbst, inszeniert übrigens von einem Mann, gefällt eigentlich fast niemandem (mir gefiel er auch nicht). "Fast zehn Millionen Zuschauer können nicht irren? Sie können", leitet der gerade in guter Form befindliche Michael Hanfeld seine Besprechung der "coming-of-middle-age-story" in der FAZ (S. 31) ein. Interessant daran sei vor allem die Frage nach dem Quoten-Erfolg,
"ob der deutsche Zuschauer also ein starkes Bedürfnis hat nach dem Mittelalterdrama, ob eine wallehaarige Frau in Nöten und das 15.Jahrhundert ein ähnliches Potenzial zur Reihe haben wie sonst eigentlich nur zeitgenössische Kommissare",
meint Katharina Riehl in der Süddeutschen.
[listbox:title=Artikel des Tages[Mascolo-Stilkritik (Süddeutsche)##Königinrücktritt-Falschmeldung (meedia.de)##"Wanderhure"-Besprechung (BLZ)##Murdoch-Skandal-Update (Süddt.)##Deutsche Medien & Syrien (TAZ)##Deutsche Verleger & Facebook (Carta)]]
[+++] Womöglich auch aufschlussreich, wie in einem anderen aktuellen Medienseiten-Querschnittsthema (SPON, ausführlicher in der Süddeutschen), dem des britischen Murdoch-Presse-Skandals die Geschlechterfronten verlaufen: Die stellvertretende Chefin der Metropolitan Police, Sue Akers, erhob im Untersuchungsausschuss "schwerwiegende Korruptionsvorwürfe" gegen die Sun, die Sängerin Charlotte Church sagte:
"Es ist widerlich, was diese Menschen getan haben, um Profit für einen Zeitungskonzern zu machen. Ich glaube nicht, dass sie bedauern, was sie getan haben. Sie bedauern nur, dass sie erwischt wurden."
Auf den Fotos dazu grinst Rupert Murdoch mit Ausgaben seiner neuen Zeitung Sun on Sunday, über die seine Freude jedoch "lediglich einen Tag" währte. Hier noch einmal der Hinweis, dass auf vocer.org [für das ich im Moment auch arbeite] Stephan Ruß-Mohl Murdochs wegen den Begriff der Journalismusverluderung ersann.
Freilich, Frauen arbeiten und arbeiteten auch in Murdochs Imperium. Rebekah Brooks tut es nicht mehr, Marie Colvin tut es aus anderen, schlimmen Gründen auch nicht mehr. Dazu hatte die Sunday Times (auch Murdoch) nun den "Grund" identifiziert, den bild.de gern übernimmt:
"Marie Colvin starb, weil sie ihre Schuhe suchte".
Altpapierkorb
+++ "Derzeit fordert kein deutsches Medium Mitarbeiter dazu auf, für Exklusivgeschichten aus Syrien ihr Leben zu riskieren", schreibt die TAZ, der es scheint, "als hätten deutsche Medienhäuser und Journalisten aus der über viermonatigen Inhaftierung zweier Springer-Reporter im Iran gelernt". +++ Außerdem interviewt dies. Maissun Melhem, eine Vertreterin der gerade gegründeten Vereinigung der Syrischen Journalisten. +++
+++ Nicht, dass an die deutschen Verlegerlobbys hohe Anforderungen in puncto Logik gestellt würden. Besonders unlogisch findet Wolfgang Tischer auf Carta jedoch, dass die Verleger weiterhin (und inzwischen auf europäischer Ebene) Geld von Google fordern, aber keines von Facebook, obwohl sie dafür bessere Argumente hätten. +++
+++ Auf der FAZ-Medienseite verabschiedet Spanien-Korrespondent Paul Ingendaay die Público, die nicht mehr gedruckt (aber weiterhin online) erscheinen will: "Die Seiten trugen ein lebendiges Design, die Texte waren nicht zu lang, und die Meinung der Redaktion wurde - manchmal überdeutlich _ klar: gegen die spanische Rechte, die Kirche, das Finanzkapital. 'Público' verzichtete außerdem als einziges überregionales Blatt auf Stierkampf und Kleinanzeigen von Prostituierten." +++ Dass die Los Angeles Times ihr Glück im Internet künftig hinter einer Bezahlscharanke sucht, meldet die Süddeutsche. +++
+++ Schaut noch wer "Gottschalk live"? Aber ja, Torsten Wahl (BLZ) sah "Affronts" des Entertainers "gegenüber seiner Redaktion", also den Jubeljournalisten im Hintergrund. "Schockiert" zeigte sich Thomas Lückerath (dwdl.de) vom vermutlich emsigen, doch kaum bemerkbaren Treiben hinter der Kamera. +++
+++ Gute Fernsehfilm-Nachbesprechung in der FAZ (S. 31), die sich von der gängigen Fließband-Fernsehbesprechung absetzt: "Es kann offenbar gar nicht genug Ermittler geben. Wenn eine neue Figur installiert wird, die sich leicht zur Serie auswachsen könnte (wie das ZDF droht), muss sie schon viel bieten, um sich zu etablieren in einem kriminaltechnisch ziemlich überversorgten Umfeld", heißt es zu "Die Braut im Schnee" (gestern im ZDF). "Die Handlung, so sagt es der Regisseur Lancelot von Naso ganz offen, sei 'in vielem ein relativ normaler Serienmörderplot'. Die Einschränkung 'relativ' bezieht sich wohl darauf, dass sadistische Lustmörder, welche Frauen in Serie töten und Fotos der Taten nebst Hinweisen auf die nächsten Opfer zur Schau stellen, in der Realität ziemlich selten sind, im Film aber eine Plage", schreibt Oliver Jungen und plädiert dafür, dass solche "Fließbandware" nicht auch noch in Serie gehen sollte. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.