Was die Spatzen über Anke Schäferkordt von ostwestfälischen Dächern pfeifen. Worin Thommy Gottschalks Problem liegen könnte. Außerdem: immer noch Schnäppchenjagd-Investigationen rund um Christian Wulff.
Wer heute auf die Medienseiten der Papierzeitungen blättert, stößt auf einiges, das gestern ähnlich im Altpapier stand. Zum Beispiel auf die Einschätzung, dass Anke Schäferkordt, die deutsche und künftig auch globale RTL-Chefin, "die Angela Merkel der deutschen Medienwelt" sei (Michael Hanfeld, FAZ, S. 35).
Zum Beispiel auf die Einschätzungen, dass die RTL-Group Bertelsmanns "Cashcow" ist (was die TAZ zur Überschrift "Der Cashcowboy geht" inspiriert) und dass der bisherige Chef Gerhard Zeiler sie zu einer "europaweiten Sendergruppe mit international austauschbaren Programmformaten - was natürlich auch qualitativ gilt", gemacht hat.
"Der neue Bertelsmann-Vorstandchef Thomas Rabe ist offiziell noch keine sechs Wochen im Amt, baut aber schon radikal um - und nicht mal das stets gut informierte Manager-Magazin hat's vorab gewusst",
schreibt dort Steffen Grimberg. Warum das Manager-Magazin in der TAZ? Weil Grimberg für die aktuelle Ausgabe des Journalistengewerkschaftsheftes journalist (S. 48 ff, noch nicht frei online) einen im schwierigen Genre der Bertelsmann-Grundsatztexte recht bemerkenswerten Text geschrieben hat. Darin empfiehlt er einerseits Klaus Boldts Manager-Magazin-Artikel (wie zuletzt diesen) und andererseits "die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt aus Bielefeld sowie die Glocke aus Oelde" als in Bertelsmann-Dingen gewöhnlich besonders gut informierte Medien.
Und bevor man in den Medienseiten-Aufmacher der Süddeutschen zum selben Thema einsteigt (Unter der Überschrift "Die Stunde der Controller" schreibt Caspar Busse u.a., Zeiler "habe intern schon vor 'mehreren Wochen', so heißt es in Konzernkreisen, seinen Rückzug angekündigt und dann zusammen mit Rabe die Nachfolge geregelt" - obwohl man für die Info, dass Zeiler "vor etwas mehr als einem Monat" seinen Weggang ankündigte, die gestern in der FTD stand, nun wirklich keine ungenannten Kreise bemühen muss), kann man der Empfehlung ja mal folgen:
"Die Spatzen pfiffen es von den Dächern, dass Anke Schäferkordt noch große Karrierechancen bei der Bertelsmann AG haben würde", schrieb die Neue Westfälische, die Schäferkordt anschließend auch "die Lipperin" nennt. "Die gebürtige Lemgoerin", formuliert es das Westfalen-Blatt; "das Personalkarussel bei RTL dreht sich", hielt sich die Glocke eher zurück.
"Schäferkordt stammt aus Lemgo, aus einem 'Kaff', würde man in Ostwestfalen sagen, einem Dorf. Etwas größer ist Lemgo natürlich schon, 42000 Einwohner, Lipperland, viele Wiesen und Felder. 46 Kilometer entfernt liegt Gütersloh, doppelt so groß wie Lemgo, aber auch nicht richtig die große Welt. Beide Städte zählen zum Regierungsbezirk Detmold. Überrascht es einen, dass Schäferkordt nach dem Studium (Paderborn! Diplom-Kauffrau) umgehend zu Bertelsmann nach Gütersloh findet?"
Das schreibt Christopher Keil wiederum in der Süddeutschen (S. 19) über die "Super-Managerin".
Und sonst? Was machen eigentlich, zum Beispiel... Bundespräsident Christian Wulff und Fernsehentertainer Thomas Gottschalk? Na was wohl?, muss die korrekte Antwort auch auf diese rhetorische Fragen lauten. Das, was sie das ganze Jahr schon (bzw. all die Jahre schon) machten. Der eine sucht Aufmerksamkeit, der andere im Prinzip nicht (oder nicht für das, womit er sie erlangt), inzwischen rangieren beide irgendwo am so oder so unbefriedigenden long tail der Aufmerksamkeitsspanne.
[+++] Zum Thema Gottschalk liegen zwei frische Analysen des ARD-Vorabendelends vor. Sueddeutsche.de argumentiert - so ist der Medienjournalismus halt leider - von den Einschaltquoten aus, um am Ende der ARD die schöne Empfehlung auszusprechen, statt "Gottschalk live" doch lieber "Die schönsten Bahnstrecken Europas auszustrahlen.
Und in den Online-Ablegern der DuMont-Presse erschien unter den Überschriften "Schalt! Mich! Ein!" (Berlin) und "Bibbern und beten im Quotentief" (Köln) eine Analyse Antje Hildebrandts, die inmitten von allerhand Geplänkel einen bedenkenswerten Ansatz enthält. Vielleicht sei die gewollte Anbindung ans mediale Tagesgeschäft das Problem der Show:
"Dagegen braucht man als Mitglied der Facebook-Family keinen Onkel, der täglich das Vermischte nach kontaktlinsen-tragenden Elefanten und anderen Kuriositäten durchforstet. Also, weg mit den Zeitungen. Die Redaktion hat originellere Ideen, um die Wundertüte 'Gottschalk live' zu füllen."
Über die Originalität der Idee, die Hildebrandt anschließend nennt, ließe sich freilich streiten. Doch um dieses Thema ins Altpapier einzubinden - Zusammenhänge herzustellen zählt schließlich hier zum Tagesgeschäft -: "Gottschalk live" ist eine Produktion der "GRUNDY Light Entertainment GmbH", mithin der UFA, mithin der RTL-Group. Und am Ende des Tages, wie Controller gern sagen, wird die Lipperin Liz Mohn berichten müssen, warum die Cashcow Tommy Gottschalk nicht anständig gemolken wurde.
[+++] Zum Thema Wulff enthält das schon erwähnte journalist-Heft mit Friedrich Küppersbusch, dem "TV-Produzent und Querdenker" (Was ist noch mal so ein Querdenker? Infos hier!) ein dennoch schönes Interview.
"Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat als erste vermeintlich wörtliche Zitate abgedruckt. Der Kollege Nils Minkmar hatte zuvor erwähnt, in Journalistenkreisen gingen solche Zitate um - das ist sauber. Dann machte die gleiche Redaktion einen Köpper in die Jauche und druckte als Zitate ab, was nach Diekmanns Einlassung in seinem Vorzimmer qua Abschrift fabriziert worden war. Audiatur et altera pars - auch die andere Seite ist zu hören? Hatte Wulff der Zeitung die Zitate bestätigt?",
sagt Küppersbusch u.a. Wobei es ihm natürlich "leichter fallen [würde], für Wulff Partei zu ergreifen, wenn er für einen Inhalt stünde, bei dem es sich lohnen würde, diesen Don-Quichotte-Kampf aufzunehmen".
Fortsetzungen sowohl der investigativen Bemühungen um frühere Schnäppchenjagden des Präsidenten wie auch ihrer abwechslungsreichen medialen Verdrehungen bieten einerseits meedia.de unter der Überschrift "Fall Wulff: Recherche-Vorwürfe gegen Bild". Ob damit der Filmproduzent und in diesen Zusammenhängen schon länger bekannte Wulff-Freund und -Kreditgeber David Groenewold nun eine "Vertuschungs-Theorie" des Springer-Blattes entkräftet oder aber "dementierte..., was Bild nie behauptet hatte", wie die TAZ meint - wer möchte das nun noch auf die Schnelle entscheiden?
Andererseits steuert die FAZ auf ihrer Seite 2 bei:
"Im Mitgliedermagazin der niedersächsischen CDU gab es im Juli 2005 eine ungewöhnliche (und ungewöhnlich teure) Anzeige für Groenewolds Film 'Der Tod kommt krass' - Redakteurin des Mitgliederblattes war Vera Glaeseker, Frau des Wulff-Vertrauten Olaf Glaeseker. Groenewolds Anwalt wird dazu vom NDR mit dem Satz zitiert: 'Die Anzeigenschaltung war mit keiner Zusage oder Gegengeschäft verbunden. Eine geschäftliche Beziehung mit Herrn Wulff hat es nie gegeben.'"
"Der Tod kommt krass", "Der Tod kommt krass", was war das denn noch mal für ein Film? Der mit Erkan, Stefan und den "megageilen Bunnys"....
[listbox:title=Artikel des Tages[TAZ über Zeilers RTL##BLZ über Gottschalks Problem##Küppersbusch über Wulff (journalist)##Tagesaktuelle Wulff-Verwirrungen (meedia.de)##Deutsche Welle-Lob (Tsp.)##Prozess-Kritik (Broder/ Welt)]]
Über das Filmschaffen Groenewolds, nämlich eines "der umtriebigsten deutschen Filmproduzenten und Filmfinanziers", kommen wir nun zu Benjamin von Stuckrad-Barre, der sowohl als Coautor des zumindest bis zum gestrigen Mittwoch in vielen Kinos gespielten Films "Zettl" und wegen eines kleinen Papierzeitungs-Shitstörmchens rund um die niedere Springer-Boulevardpresse (SPON natürlich, meedia.de natürlich), als auch noch, weil heute um 23.30 im ZDF-Digitalsender Neo seine neue Talkshowstaffel startet, ein paar Funken Aufmerksamkeit abbekommt.
"Kommt ein Mann von der taz und zitiert als Erstes gleich mal die FAZ, das ist andererseits sehr lustig",
lautet der beste Satz des großen TAZ-Interviews mit ihm.
Altpapierkorb
+++ "Nehmen wir die Woche vor der Programmreform am 6. Februar. Es war selbst für wohlwollende Zuschauer unfassbar langweilig, sich eine Dokumentation über ein Fünfsternehotel in Garmisch-Partenkirchen anzusehen, in dem die größte Sorge des Managements zu sein scheint, dass von den Servicedamen ein Staubkörnchen übersehen werden könnte." Aber dann, seit ihrer Programmreform, war die Deutsche Welle in Caracas nicht mehr wiederzuerkennen: "das Beste aus der Bundesliga, wie Hightech Blinde wieder sehen lässt"..., aber auch "viele schöne Frauen aus Lateinamerika": Karen Naundorf ist ganz begeistert vom neuen Programm des Auslandssenders und teilt diese Begeisterung auch in einem schön geschriebenen Tsp.-Artikel mit. +++
+++ "Schandalig", findet Günter Wallraff den heute anlaufenden Prozess vor dem Amtsgericht in Eschweiler gegen die niederländischen Fernsehereporter Jelle Visser und Jan Ponsen. Das Zitat stammt natürlich aus niederländischen Medien, merkwürdigerweise wird in deutschen bislang kaum über die Sache berichtet. Es geht darin um die "Privatsphäre eines greisen SS-Mörders", wie es Henryk M. Broder in der Welt fomuliert. +++
+++ Von Eschweiler nach Korschenbroich: Der CDU-Netzpolitiker Ansgar Heveling (siehe Altpapier) bekommt den durchaus guten Rat, von Slow Media zu lernen. Und zwar von der Slow Media-Manifest-Mitunterzeichnerin Sabria David bei vocer.org. +++ In der Bundes-Netzpolitik erkennt Markus Beckedahl (netzpolitik.org) neue Uneinigkeit, und zwar wegen eines Sabine Leutheusser-Schnarrenberger-Videos auf Youtube zum Thema ACTA. "Internetprovider sind keine Hilfssheriffs", sagt die Ministerin dort betonungsstark. +++
+++ "Auch die seriösen Blätter im Konzern, zu dem die Times, die Sunday Times und die Sun gehören, kämpfen um ihre Glaubwürdigkeit. Am Dienstag hatte sich der Chefredakteur der Times, James Harding, öffentlich dafür entschuldigt, dass ein Mitarbeiter des Blattes im Jahr 2009 das Email-Konto eines Polizisten gehackt hatte. Der Polizist betrieb einen anonymen Blog; die Times machte seine Identität öffentlich - auf der Basis der illegal erworbenen Informationen", berichtet die Süddeutschen zur Lage der britischen Murdoch-Presse. +++ "Sarkozy (dehors !)" (Foto: hier) stand in einem Textchen der Programmzeitschrift "Télé 2 Semaines" zu einem Arte-Themenabend - ein anarchischer Setzer-Scherz, berichtet die FAZ heute kurz über die französische Bertelsmann-Fernsehprogrammpresse. Der Vorfall stehe "im Zusammenhang mit einem Arbeitskonflikt: Die Redaktion der Programmhinweise soll ausgelagert werden. Im Januar wurde gestreikt." +++
+++ Deutscher Fernsehmarkt: Die Empfangsart Satellit hat die Empfangsart Kabel überholt (Tsp.) +++ "Die Bedenken der Medienwächter geben dem Pay-TV-Anbieter Sky einen entscheidenden Vorteil im Kampf um die überlebenswichtigen Bundesliga-Rechte", bzw haben diese älteren Bedenken zumindest die FTD erreicht, die ihnen heute Platz einräumt. +++
+++ Und noch eine Baustelle für Anke Schäferkordt: DSDS ist einschaltquotenmäßig nicht mehr, was es war, und/ oder wird als das erkennt, was es schon immer war: "Vielleicht ist 'Deutschland sucht den Superstar' aber auch einfach eine, um es in Bohlens Ausdrucksweise zu sagen, Scheiß-Show. Ganz unabhängig vom Tag", eine, die inzwischen "wie ihre eigene Parodie daher kommt und dabei noch nicht einmal mehr zu unterhalten weiß", findet Marie-Sophie Adeoso in der BLZ deutliche Worte. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.