Harte Zäsuren in der Wochenend-Abend-Unterhaltung erregen die Medien. Was wird aus dem Saarbrücker "Tatort", und natürlich weiterhin: was aus "Wetten, dass...?"?
Das, man darf wohl sagen: führende deutsche Debattenfeuilleton, das Genom, Trojaner und dem digitalen Denken generell, um nur drei heiße Eisen der Gegenwart aufzuzählen, stets mindestens dicht auf den Fersen ist, bietet gerade im Internet auf seiner Medien-Subseite in der rechten Spalte ein tolles Tool zur Partizipation. Zur drängenden Frage "Wer soll zukünftig 'Wetten, dass...?' moderieren?" können interessierte kluge Köpfe sich einbringen und unter neun Namen zwischen Michelle Hunziker und Matthias Opdenhövel wählen.
Der faktisch entscheidungsbefugte ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut wäre gut beraten, dem gevoteten Votum der faz.net-Nutzer mindestens soviel Beachtung zu schenken wie dem der stern.de-Leser, die sogar unter zehn Kandidaten (exklusiv: Elton!) differenzieren müssen, und dem der T-Online-Kundschaft (zwölf! exklusiv: Sonja Zietlow!). Das entsprechende Angebot von bunte.de stammt zwar schon aus dem Februar (exklusiv: Hape Kerkeling!); abstimmen lässt sich dort aber auch noch.
In zumindest leicht redaktionelleren Artikeln zur "Wetten, dass...?"-Nachfolgefrage wird aktuell nacherzählt, was Thomas Gottschalk der gestrigen Bild-Zeitung sagte (erschütternd ausführlich: SPON; eher angemessen: TAZ), beziehungsweise die Abschaffung der Show gefordert (teils als Nacherzählung dessen, was der gern, kürzlich von Springers B.Z. gefragte TV-Experten Helmut Thoma so plauderte, aber auch, auf zeit.de, als Originalcontent).
Daneben versprühen weitere Personalien aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Erregungspotenzial. Aus der gestern (siehe Altpapierkorb ganz unten) bekannt gewordenen bevorstehenden Absetzung des Saarbrücker "Tatort"-Teams, der die FAZ-Medienseite 35 heute neun Zeilen widmet, gestaltet die Süddeutsche Zeitung ganz großes Theater.
Es beginnt bereits auf der Meinungsseite 4. Den Porträtkasten dort widmet das Blatt seinem bayrischen Landsmann Maximilian Brückner, "Schauspieler und abservierter 'Tatort'-Kommissar". Um so fieser wirkt dieses "Abservieren", weil Brückner "klein, fast zart" ist, wie es im einfühlsamen Text von Hannah Wilhelm heißt.
Weiter hinten auf der Medienseite stellt Medienseiten-Chef Christopher Keil aus dem selben Grund gleich zum verschlungenen Einstieg seines gewaltigen Textes erst mal "die Systemfrage". Anschließend nennt er die offizielle Pressemitteilung des Saarländischen Rundfunks "wortreich und seltsam entrückt" (völlig zu Recht, mit der Zwischenüberschrift "Alles Gute für die Zukunft" wirkt sie wie eine Parodie auf Arbeitszeugnisse). Und zitiert ähnlich förmlich klingende Aussagen der gefensterten Kommissars-Darsteller Brückner und Gregor Weber ("Über das überraschende Ende sind wir erstaunt und nehmen es mit Verwunderung zur Kenntnis"). Wobei Weber dann auch noch von einer "schlecht formulierten und offensiv verlogenen Pressemitteilung" spricht.
Vor allem geht es jedoch im bekannten Keil'schen "wenn man es richtig verstanden hat"-Stil ausführlich um den Vorwurf, beim Saarländischen Rundfunk könnten "Tatort"-Entscheidungen von Leuten getroffen werden, die gar keine Kompetenz für "Tatort"-Entscheidungen mitbrächten. Der Vorwurf gilt sowohl dem aktuell zuständigen Redakteur Christian Bauer als auch Inge Plettenberg, die einst den einstigen Saarbrücker "Tatort"-Kommissar Palü, gespielt von Jochen Senf, abserviert hatte.
Christopher Keil weiß aber natürlich, wie Medienmedien funktionieren, und wirft ganz am Ende auch einen neuen Kandidaten-Namen für den Saarbrücker Fernsehkommissars-Posten in die Runde:
"Angeblich soll bald Devid Striesow engagiert werden."
[listbox:title=Artikel des Tages[Süddeutsche stellt dem SR die Systemfrage##Cannabis-Fragen an die Bundesregierung (Tsp.)##Messie-Experten im Privat-TV (FAZ-Blog)]]
Striesow ist der gute Schauspieler, der einige Jahre lang in circa neun von zehn nachwuchspreisverdächtigen deutschen Nachwuchsfilmen mitspielte. Schaut man in der Internet Movie Database nach, was er aktuell so dreht, drängt sich der Eindruck auf, dass Striesow sich für eine Kommissarsrolle geradezu heiß läuft. 2011 wirkte er in einer Folge der Serie "Der Kriminalist" ("Der Beschützer"), einer der Serie "Der Alte" ("Schleichendes Gift"), einer der Reihe "Kommissarin Lucas" ("Gierig") sowie einer "Polizeiruf 110"-Folge ("Leiser Zorn", was nicht heißt, dass er in früheren Jahren nicht auch in anderen "Polizeiruf 110"-Folgen auftrat) sowie in den einschlägig betitelten Fernsehfilmen "Familiengeheimnisse - Liebe, Schuld und Tod" und "Ein mörderisches Geschäft" mit.
Nicht zu vergessen sein fortlaufendes Engagement in der Krimiserie "Bella Block" als Kompagnon der titelgebenden Detektivin. Unser Foto entstammt der Folge "Bella Block: Stich ins Herz" (Samstag, 26. November im ZDF). Die offizielle Bildunterschrift lautet: "Martensen (Devid Striesow) erzählt Bella (Hannelore Hoger) vom Mord im Fischimbiss".
Wer weiß, bald könnte das ZDF also in noch einer Samstagabendunterhaltungs-Bredouille stecken und einen neuen Partner für Bella Block finden müssen. Ein Kandidat zumindest für die entsprechenden Online-Votings könnte natürlich Hape Kerkeling sein.
Mit weiteren aktuellen ARD-Skandalen geht es im Altpapierkorb weiter
Altpapierkorb
+++ ARD-Skandal? (1): Ken Jebsen darf im RBB-Radio einstweilen doch weitersenden, weiß berliner-zeitung.de. Am heutigen Mittwoch "soll es mehr Details zu dem Vorgang" der obskuren E-Mail geben, die Henryk M. Broder zugegangen ist und womöglich von Jebsen stammt (siehe Altpapier gestern). +++ Der Tsp. hat heute ein kleines Jebsen-Porträt. +++
+++ ARD-Skandal? (2), bzw. "ARD-Skandal! Echter Stasi-Spitzel spielt Stasi-Offizier/ Und das zum Jahrestag des Mauer-Falls" Da bezieht sich bild.de auf Ernst-Georg Schwill, der sich "1964 handschriftlich als inoffizieller Stasi-Mitarbeiter" verpflichtet habe. "Vor fünf Jahren deckte BILD Schwills Vergangenheit auf. Trotzdem wurde er von der ARD engagiert... +++ Worum es im Film "Es ist nicht vorbei" geht? Siehe Tsp.. +++
+++ Privatfernsehskandale haben meist weniger mit Personalien als mit dem Inhalt oder seiner Umsetzung zu tun. In dieser Hinsicht interessant: Der Messie-Trend bzw. Trend Messie-Show-Trend. Peer Schader vertieft im FAZ-Fernsehblog, was er gestern fürs Blatt aufschrieb ("Die Sender machen Menschen zu Messies, die gar keine sind. Sie demütigen die, die therapeutische Hilfe benötigten. Und sorgen dafür, dass sich Betroffene verstecken, wenn Millionen gesehen haben, was bei ihnen los ist. Und dann kommt Tine Wittler in ihrem 'Tinemobil' angefahren, um in der frisch tapezierten 'Gruselgruft' zu erklären, worauf es ankommt..."). Und illustriert es reichhaltig. +++
+++ Neues von Google (1): Heute kommt ein britisches Traditionsdings nach Berlin ans Brandenburger Tor: die Speakers’ Corner, initiiert vom "politisch-philosophischen Aktionskünstler" Philipp Ruch sowie vom "Sponsor Google, der sich nach eigenen Angaben 'weltweit für die Rede- und Meinungsfreiheit' einsetzt" (Süddeutsche) und mit dem gewonnenen Content seinen Youtube-Kanal "Google Free Expression" anfüllt. +++
+++ Neues von Google (2): Auch noch lange nicht voll ist der neue Youtube-Kanal youtube.com/bundesregierung. Als es gestern um 12.00 Uhr mit "rund 2000 Fragen" an die Kanzlerin losgehen sollte, klappte noch nichts, was aber mal nicht an der Bundesregierung lag, sondern am "zusammengebrochenen" "Google Moderator" (den man sich natürlich nicht als Menschen, sondern eher als Algorithmus vorstellen muss). Nico Fried wundert sich in der Süddeutschen über Formulierungen auf der Webseite des Bundespresseamtes, Johannes Schneider im Tagesspiegel sich eher über Steffen Seiberts "hüftsteifen" Umgang mit dem Fragen-Topthema Cannabis (und beobachtet die Piraten beim Schmunzeln). +++
+++ Neues aus der Medienwirtschaft (1): Time Warner "bietet eine Milliarde Euro für den hochverschuldeten niederländischen Fernsehproduzenten Endemol", der allerdings dennoch hierzulande vor allem"Wer wird Millionär?"-Produzent erfolgreich ist. Das berichtet Hans-Peter Siebenhaar im Handelsblatt. Wem Endemol im Moment gehört? U.a. Mediaset, also Silvio Berlusconi. +++
+++ Neues aus der Medienwirtschaft (2): Die Rechte am DFB-Pokal gehören künftig allein der ARD im Free-TV sowie Sky "über die Übertragungswege Kabel, Satellit, IPTV, Internet und Mobil" (kress.de, Süddeutsche). +++
+++ Neues aus dem Ausland: Was der stolze Islamist "Black Apple", der die Charlie Hebdo-Webseite hackte, dem Le Journal du Dimanche in Istanbul erzählte, berichtet die TAZ. +++
+++ Schon wieder da im TV: unsere Borgias. Kerstin Decker zieht im Tsp. die ab heute bei Pro Sieben gezeigte US-Serie der schon gesendeten ZDF-Serie vor, denn "irgendwann kippte das EU-Gemeinschaftswerk", also das des ZDF, "auf betrüblichste Weise in die Vorabendserienoptik. Ein Regisseur statt vier ist doch besser. Der Papst ist schließlich auch allein." +++ Ähnlich Andreas Kilb (FAZ): "Viele Nebenhandlungen und -figuren fehlen, dafür spielt die Kunst eine wichtigere Rolle. Als Giulia Farnese die Geliebte des Papstes wird, lässt dieser sie von Pinturicchio malen, und die Kamera nimmt sich Zeit, sie von allen Seiten zu betrachten. Man ist dankbar für solche Stockungen im Erzählfluss: Sie atmen den Rhythmus einer vergangenen Zeit." +++ Eher reserviert: Willi Winkler ("Für die weiblichen Zuschauer ist etwas Liebe dreingemischt, oder doch das Schicksal der sitzengelassenen Frau. Wie gewohnt, werden viele Kleider vorgeführt, die Kerle hauen sich, es wird ein wenig gesegnet, gevögelt, erdolcht, vergiftet, aber auch und ganz gewaltig gekünstelt", SZ). +++
+++ Auch im Zeitungsbusiness gibt es Personalien: Die zunächst Bild-Zeitungs-vermeldete Ab- oder Versetzung des Leipziger Volkszeitungs-Chefredakteurs Bernd Hilder bekam erneut die SZ bestätigt, nicht aber den Dresdner Neuesten Nachrichten-Redaktionsleiter Dirk Birgel als Nachfolger. "Davon, so eine Sprecherin, könne keine Rede sein". +++
+++ Wer wissen will, warum Marin Majicas Interview mit dem Irakkriegs-Veteranen und Videospiele-Berater Hank Keirsey ("Call of Duty") in der Berliner Zeitung die Überschrift "Verbietet Hamster" trägt, muss das relativ vorhersehbar verlaufende Gespräch bis ganz zum Schluss lesen (oder scrollen). +++ Wer gerne David Denks Schauspielerinterviews liest, sollte hier zur TAZ klicken. Gast heute Ulrich Noethen, ein Hauptdarsteller des oben schon erwähnten ARD-Films "Es ist nicht vorbei". Textprobe: "Also gibt es eine Sehnsucht nach mehr Verantwortung, die sich nie erfüllen wird, weil Ihr Interesse dann doch nicht groß genug ist?" - "Genau." +++
+++ Kräftig das Tanzbein geschwungen wurde auf der großen Eröffnungssause des neuen Spiegel-Sitzes (meedia.de-Klickstrecke). Und die TAZ-Kriegsreporterin war dabei - und "zu früh gegangen", um etwas Nennenswertes darüber zu berichten! Kein Wunder, dass sie heute unter einem gewissen Überleitungsüberdruss zu leiden scheint. Aber ihre Formulierung "Gnadenhof für Drehbuchschreiber", die sollte man sich merken (und bloß vom ZDF-"Traumschiff" auf Hans-Wolfgang Jurgans Degeto übertragen). +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.