Jetzt aber Punkrock

Immer bohrendere Fragen zu Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowskis überraschendem Abtritt. Und immer neue Infos zu neuen Blockbustern von Nico Hofmann (auch Bertelsmann).

Zu den erbaulichsten deutschen Lobbyzeitschriften zählt das kleinformatige Heft namens PRINT & more, das der Verband der deutschen Zeitschriftenverleger vierteljährlich herausgibt. Zu den liebenswertesten Rubriken dieses Heftes gehören die liebevoll ausführlichen Porträts von Verlagswirtschaftskapitänen, die dann auch mit Kapitänslächeln auf dem Cover posieren. Schaut man heute auf die Webseite vdz.de/printandmore sieht man zum Beispiel Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser, wie er in solch einer Pose das letzte Heft ziert.

Mit dem allerneuesten Heftchen jedoch ist dem VDZ ein echter Scoop gelungen. Der Coverboy ist unter der Überschrift "Überall dabei" - Hartmut Ostrowski, "Bertelsmann- und Medienmensch". Also der Medienmensch, von dem gerade die ganze Branche spricht, seitdem ziemlich überraschend angekündigt wurde, dass er "aus persönlichen Gründen aus dem Vorstand ausscheidet".

Hier lässt sich das gesamte PRINT & more-Heft online durchblättern (mit Blätter-Soundeffekt!). Es enthält zwar kein richtig umfassendes Ostrowski-Porträt, aber ein Interview auf drei Seiten ("In die Welt der Kreativen eintauchen", S. 16-19) sowie vorweg einen Zweiseiter ("Überall dabei/ Warum sich Bertelsmann als der global 'wohl am breitesten aufgestellte Medienkonzern' sieht"), dessen Devotheit auch eingefleischte PRINT & more-Leser erstaunt (S. 14-15). Ostrowski bzw. der Konzern vibrieren darin vor Tatendrang. Der Artikel endet mit dem Absätzchen:

"Wenig Aussichten also, dass Ostrowski in naher Zukunft Zeit für den Aufenthalt auf der berühmten einsamen Insel findet. Danach gefragt, was er denn so mitnehmen würde, antwortet er ganz Bertelsmann-ausgewogen: 'Einen spannenden Krimi, ein gutes Rock-Album und eine heitere Komödie, damit ich etwas zum Lachen habe.'"

Tja.

Jedenfalls nicht zum Lachen für Ostrowski: das Interview, das Johannes Ritter aus der FAZ-Wirtschaftsredaktion heute mit Gunter Thielen, dem Chef des Bertelsmann-Aufsichtsrats (in den Ostrowski wechseln wird) derart zupackend führt, dass zumindest klar wird, welch rauer Wind in der Welt der Wirtschaftskapitäne weht. Ritter fragt z.B.:

"Mit Verlaub: Die lancierte Begründung, Ostrowski ziehe sich wegen eines drohenden Burnout zurück, klingt für viele Beobachter eher nach Gesichtswahrung als nach der Wahrheit."

Thielen: "Sie können in keinen Menschen hineinschauen. Aber ich glaube ihm das. Der Weg zu einem möglichen Burnout ist ja nicht geradlinig. Das ist ein Auf und Ab, aber die Anzeichen wurden eben graduell stärker."

"Haben Sie bemerkt, dass Ostrowski unter Erschöpfung leidet?"

Thielen: "Nein, ich persönlich habe das nicht bemerkt."

... ...

Kurz darauf fragt bzw. sagt der Interviewer: "In der offiziellen Pressemitteilung", dieser schon oben verlinkten, "werden Sie mit dem Satz zitiert, Ostrowski habe Bertelsmann 'in schweren Zeiten geführt'. Ein 'sehr gut' oder 'hervorragend' taucht da nicht auf". Thielen entgegnet:

"Das ist kein Urteil. Ich hätte auch schreiben können 'sehr gut geführt'. Ich selbst habe Hartmut Ostrowski damals als meinen Nachfolger an der Konzernspitze vorgeschlagen...."

Und zwei Antworten später, als Ritter immer noch bohrender nachhakt ("Es heißt, dass sich Liz Mohn und andere Aufsichtsräte mehr Initiative und Dynamik an der Vorstandsspitze gewünscht und daher einen Wechsel betrieben hätten"), sagt er dann:

"Hartmut Ostrowski hat Bertelsmann gut durch die Krise geführt und entschuldet. Wir haben unseren Handlungsspielraum inzwischen zurückgewonnen. Aber erst seit sechs Monaten sind wir in einer Phase, wo wir wieder richtig Gas geben können."

Beachten Sie: Thielen sagt zwar "gut", aber weder "sehr gut", noch "hervorragend". Personalchefs müssen sich dieses Interview, das unter der Überschrift "Bertelsmann ist voll auf Angriff programmiert" auf Seite 14 der FAZ und derzeit nicht frei online steht, unbedingt besorgen. Frei online zusammengefasst wird es z.B. von handelsblatt.com ("Bertelsmann ist voll auf Angriff programmiert"). Darin auch die FAZ-Info, dass Thielen 2012, wenn er 70 Jahre alt wird, seine beiden wichtigsten Posten an Christoph und Brigitte Mohn übergeben soll.

Weitere Bertelsmann-Infos über dieses und weiteres "Stühlerücken" enthält auch heute wieder die Neue Westfälische aus Bielefeld, die schon gestern etwas barsch "Ostrowski taucht ab" titelte. Heute schreibt das Blatt u.a., dass jetzt gar Bertelsmanns "Einstieg ins Filmgeschäft" erfolgen soll:

"Die Bertelsmann-Filmgesellschaft, geführt von Wolf Bauer und Nico Hoffmann [sic], bereitet gerade die Verfilmung von Noah Gordons 'Der Medicus' vor. 'Das wird unser erster Blockbuster', hofft Thielen."

Falls es interessiert: Diese Bertelsmann-Filmgesellschaft heißt genau genommen "Ufa Cinema" und hat schon so allerlei Filme hergestellt, die allerdings noch keine Blockbuster wurden.

[listbox:title=Artikel des Tages[Die neue PRINT & more mit Coverboy Ostrowski##Was Bielefeld über Gütersloh berichtet##Was die SZ über den Landes-Trojaner berichtet]]

Zurück in die FAZ. Zwei Seiten weiter hinten, also auf S. 16, wird der neue Chef Thomas Rabe vorgestellt, unter dem es jetzt abgehen soll. "Die Mohns erwarten von Rabe, dass er Bertelsmann mehr Leben, mehr Dynamik einhaucht", schreibt wiederum Ritter und machte natürlich auch kleine Andeutungen auf Rabes " - womöglich ziemlich wilde - Jugend: Als Teenager spielte Rabe einst Bass in einer Punkrockband."

Dass Rabes Lieblingsbands "in Studienjahren The Cure und The Police" gewesen seien, immerhin, und dass der einstige Punkrocker aus dieser "Passion für Musik" dann auch "ein Business" machte, indem er mit Bertelsmann wieder ins Musikrechtebusiness einstieg, das schrieb vorgestern schon meedia.de. Das sieht der ebenfalls recht Ostrowski-kritische Wirtschaftsartikel der Süddeutschen heute ähnlich:

"Rabe soll endlich das umsetzen, was der noch amtierende und in den Aufsichtsrat weggelobte Vorgänger Hartmut Ostrowski, 53, zwar immer angekündigt, aber nie erreicht hat: Wachstum, Wachstum",

schreibt Caspar Busse auf S. 20 unter der Überschrift "Die Suchenden von Gütersloh".

Und noch einmal zurück in die FAZ. Direkt schräg unter seinem natürlich ein Rabe-Foto enthaltenden Rabe-Porträt auf S. 16 gestattet sich das Blatt den Spaß, ein kleines Foto seines Vorvorgängers Thomas Middelhoff zu zeigen, und zwar zur Meldung "Das Führungschaos bei der Hamburger Klinikkette Marseille" - bei der der einstige Bertelsmannchef und erfolgreiche Immobilieninvestor Middelhoff kürzlich erst als Aufsichtsratsvorsitzender gelandet ist, vgl. meedia.de - "spitzt sich zu".


Altpapierkorb

+++ Wohl auch noch nicht der erste Bertelsmann-Blockbuster, aber ebenfalls vom Konzern und dem schon erwähnten Nico Hofmann produziert: der Film-Film im "Schtonk"-Schtil über Freiherr zu Guttenberg. Er wird fürs Fernsehen, nämlich für Sat.1 entstehen, und die FAZ-Medienseite nennt weitere Star-Namen: Anja Kling spielt die Freifrau, und als Justiziar ist Medienanwalt Christian Schertz an Bord. "Ich habe bei dem Film rechtlich gar keine Bedenken", sagt er , denn der Fall liege "sehr weit im Bereich der Kunstfreiheit". +++

+++ "Der Chaos Computer Club darf nicht die oberste digitale Instanz Deutschlands werden", schreibt Helmut Martin-Jung auf der Meinungsseite der Süddeutschen. Das soll sich aber nicht gegen den CCC richten, sondern aussagen: "Es sollte ...nicht der Hackerethik alleine überlassen bleiben, die rasend fortschreitende Technik mit anderen Lebensbereichen in Einklang zu bringen. Das ist eine Aufgabe für alle." +++ Eine Seite weiter beleuchtet ein Interview mit dem bayerischen Landeskriminalamts-Präsidenten Peter Dathe, um was es bei Bundes- bzw. Landestrojaner-Einsätzen so ging oder geht: "Es wird nicht der gesamte Bildschirminhalt abfotografiert. Sobald der Betroffene online geht und eine Mail verfasst, machen wir Bilder von diesem Vorgang. Alles, was sonst auf dem Bildschirm zu sehen ist, kopieren wir nicht. Wir müssen so vorgehen. Sobald die E-Mail versendet wird, ist sie verschlüsselt und für uns als Ermittler nicht mehr zu lesen. Wir arbeiten nicht außerhalb der Gesetze. Wir befinden uns allenfalls in einer rechtspolitischen Diskussion." +++ Wie der erste Trojaner in Bayern in einer Ermittlung "wegen banden- und gewerbsmäßigen Handelns und Ausfuhr von Betäubungsmitteln" eingesetzt wurde und dabei wohl 60.000 solcher Screenshots rechtswidrig entstanden, berichten ebd. John Goetz, Frank Müller und Hans Leyendecker. ++ + Dass sich ein "Virensoftware-Fachmann" "das Lachen ...kaum verbeißen" konnte ob dieser Software, weiß Spiegel Online zu berichten. +++

+++ Indes in den USA: Wie das Justizministerium auf Basis des Electronic Communications Privacy Law aus dem Jahre 1986 (in dem selbst in den USA E-Mails und Smart-Phones kaum bis gar nicht bekannt waren) einen Internet-Provider sowie sogar Google zwingt, E-Mail-Adressen von Staatsbürgern herauszurücken, beschreibt die SZ auf S. 15. +++

+++ Ein Menetekel in Frankreich? Als erste Papierzeitung dort will der France-Soir, die "einstmals größte französische Zeitung", seine Ausgabe einstellen, um nur noch online zu erscheinen (Tagesspiegel, FTD/ DPA). "Sterben im Netz", schreibt Jürg Altwegg dazu auf wenigen FAZ-Zeilen. +++ Gar zwei Menetekel in Frankreich? Zugleich tun sich Le Monde und die Huffington Post zusammen, um die erste nicht-englischsprachige Ausgabe der HuffPo herauszubringen (Süddeutsche). +++

+++ "Das Ende einer Maus ist der Anfang einer Katze", heißt der heutige ARD-Film. "Subtil ist das Werk von Drehbuchautor und Regisseur Stefan Kornatz nicht im Entferntesten", schreibt Marc Widmann in der Süddeutschen. +++ "Zum subtilen Humor des Films gehört auch, dass er als kleines, leises Stück daherkommt und doch große Themen verhandelt", würde Heike Hupertz (FAZ) sagen. +++ "Wunderbar nihilistische Vollstreckungskomödie" (TAZ). +++ Einfach bloß "Vaters Rückkehr" heißt Alfred Neven DuMonts Roman, den anlässlich der Buchmesse nun auch die TAZ-Kriegsreporterin gelesen hat. +++

+++ Und auf der Wirtschaftsseite 14, auf der das oben erwähnte Bertelsmann-Interview steht, berichtet die FAZ auch, dass der schweizerische Ringier-Verlag auf der Suche nach einem deutschen Übernahmekandidaten im auch schon erwähnten Bielefeld "fündig geworden" sei: "Dort gibt der Klocke-Verlag", dieser, "ein halbes Dutzend Hochglanz-Magazine heraus. Es sind Titel wie 'Yachting & Style', 'Country & Style' oder 'A la Carte', in denen meist werbelastige Artikel über Shopping auf Sylt, Dolce Vita in Italien oder Neuigkeiten von der Messe 'Boot' erscheinen..." +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.