Der Medienwandel in seinem Lauf

Heute im Fokus: Die Zukunft des Satellitenfernsehens und der Zeitschrift, ein zünftiger Shitstorm aus der Internet-Gegenwart und die Vergangenheit der GAU-Berichterstattung.

Den Medienwandel in seinem Lauf, den hält, ähm, ... niemand auf. Am heutigen Welttag des geistigen Eigentums (siehe TAZ/ EPD, World Intellectual Property Organization sowie agrarheute.com) macht die Meldungslage zum Thema das zwischen Zeitgeschichte und näherer Zukunft schön deutlich. Womöglich wichtig werdende Termini lauten: schwarzer Bildschirm, "One Shots", "Soft Launch" und "Internet-Präsident". Erfahrene Medienbeobachter wissen: Ob solche potenziellen Trendbegriffe sich als eher ironisch entpuppen, weiß man im Voraus selten.

Zunächst ein Blick in die Zukunft: Der schwarze Bildschirm droht Zuschauern, die analog via Satellit fernsehen in gut einem Jahr, wenn sie jetzt nicht endlich bald auf digital umschalten. Betroffen seien "Menschen in 2,6 Millionen Haushalten", sagt der Geschäftsführer des Satellitenanbieters SES Astra, Wolfgang Elsäßer, zu einer von seinem Unternehmen zur Ankurbelung der Digitalisierung in Auftrag gegebenen Umfrage. Entsprechende Meldungen enthalten heute FAZ (S. 33) und Süddeutsche.

Bereits Gegenwart sind die Trends des "One Shot" bzw. des "Soft Launch", bei denen es sich um ungefähr das gleiche handelt. Sie bezeichnen Entwicklungen auf dem Zeitschriftenmarkt, auf dem laufend auftauchende Nischenneuerscheinungen ja den Eindruck erwecken könnte, er boome. Das aber tut er nicht. Katharina Riehl gibt in der Süddeutschen einen instruktiven Überblick und sprach mit den üblichen verdächtigen Verlagsgeschäftsführern wie Henning Ecker (Burda) und Volker Breid (Gruner+Jahr), die ihre Strategien "möglichst risikofreier Neuentwicklungen" in die genannten Termini kleiden. Aus diesem Artikel erfährt man z.B., dass das bei Hubert Burda publizierte "Erotikmagazin für Frauen" namens "Alley Cat" (siehe Altpapiere aus dem Mai 2010) offenbar nicht am Markt ankam und ein reiner One Shot blieb.

"Schwierig sind heute vor allem zwei Teilmärkte: der junger Frauen und der junger Männer. In allen Jugend-Bereichen kämpfen die Verlage gegen das Unterhaltungsangebot des Internet", bilanziert Riehl. In der Zielgruppe "Frauen über 40" meinen die befragten Experten dagegen immer noch Platz für noch mehr neue Titel erkennen.

Sozusagen die Probe aufs Exempel gibt die TAZ, die ein ziemlich frisches neues Magazin vorstellt: "The Weekender - Das Magazin für Einblicke und Ausflüge" besteht aus nur 90 Seiten allerdings "fast kinderbuchdicken" Papiers und sei überwiegend "so monochrom gestaltet, dass die Fotos oft nur auf den zweiten Blick auffallen", bloß in der Mitte werde es polychromer und pinkfarbener. Es handelt sich um ein "Independentmagazin" zum Themenfeld "Reisen, Wohnen, Natur".

Hartgesottene Onliner interessieren solche Erzeugnisse sicher weniger. Einen weiteren Schritt voran auf dem Weg zum bekanntesten Onliner Deutschlands, zumindest zum bekanntesten ohne Iro, kommt heute der Digitale Gesellschaft-Gründer Markus Beckedahl. Heute gibt er, so wie schon am Donnerstag den Lokalrivalen vom Tagesspiegel, der DuMont-Presse (BLZ/ FR) ein Interview. Hier äußert Beckedahl seine Interessenvertreter-Formulierungen vielleicht einen Tick populärer (unredigierter?) und sagt Sätze wie "Unser Anliegen ist, unsere eigene Plattform aufzubauen, wo wir mit vielen befreundeten Organisationen und unserer Community gemeinsam Kampagnen durchführen."

Außerdem kündigt er an, Unternehmensspenden (anders als öffentliche Fördermittel) grundsätzlich abzulehnen. Und entfesselt einen zünftigen Shitstorm gegen seinen Kritiker Robin Meyer-Lucht: Bei dem "wusste ich vor allem nicht, ob er aus Sicht seiner Verlagsberater-Tätigkeit oder als E-Plus-Lobbyist gegen die Idee schießt, dass mal jemand Nutzerinteressen, die in der Regel diametral zu den Interessen von Robin Meyer-Luchts Auftraggebern stehen, in Form einer in Zukunft vielleicht schlagkräftigen Organisation vertreten möchte."
Wie ironisch schließlich die Frage des Interviewers Marin Majica "Hand aufs Herz, Herr Beckedahl: Werden Sie nun Internet-Präsident?" und die Antwort darauf gemeint sind, muss jeder selbst entscheiden, der das Gespräch bis dahin gelesen hat.

[listbox:title=Artikel des Tages[SZ über Zeitschriftenlandschaft##Neue Zeitschrift "The Weekender"##Heutiges Beckedahl-Zeitungsinterview (BLZ)##Tschernobyl im DDR-TV (BLZ)]]

Damit noch rasch in jene Vergangenheit, in der es "Blogs, Internet, Satellitenfernsehen - all die Medien, die heute zumindest teilweise einen Abgleich der Fakten möglich machen" noch überhaupt nicht gab. Vor einem Vierteljahrhundert ereignete sich der GAU von Tschernobyl, der weiterhin jegliche eventuelle Bildschirmschwärze verblassen lässt. Ebenfalls die Berliner Zeitung hat sich in Gestalt Michael G. Meyers mit der schleppenden medialen Verbreitung dieses Ereignisses befasst, und mit dem "Kuriosum der Mediengeschichte", dass "ausgerechnet das DDR-Fernsehen als erstes ausländisches Programm diese Meldung aus Moskau verbreitete":

"Wolfgang Mertin, damals Korrespondent des DDR-Fernsehens in Moskau erinnert sich, dass er aufgrund seiner guten Kontakte zum russischen Fernsehen wusste, dass drei Tage nach der Havarie eine ausführlichere Meldung in der Nachrichtensendung Wremja verlesen werden sollte. Er eilte in die Redaktion, bekam einen Zettel in die Hand gedrückt mit der Bitte, die Meldung erst nach der Nachrichtensendung des russischen Fernsehens zu bringen. Wie damals üblich, wurde eine solch wichtige Meldung ganz an den Schluss der Sendung gestellt."
 


Altpapierkorb

+++ Wolff-Christoph Fuss, der heute abend bei Sat.1 das Champions-League-Spiel Schalke 04 gegen Manchester Unites kommentieren wird, kommentiert die Frage, ob er ab 2012/13 auch gern im ZDF über die Champions League berichten würde, "Schaun’ wir mal", und isst gern Jägersteak. Das vertraute er dem Tagesspiegel an. +++ 

+++ Noch ein Super-Medienwandelbegriff: "Trimedialität". Da berichten die Süddeutsche bzw. die Agentur DAPD, von Zukunftsplänen des MDR. +++

+++ Wolfgang Michals Wort zum Oster-Fernsehwochenende: "Das reale Verbrechen – Körperverletzung, Nötigung, Hausfriedensbruch, Betrug, Fälschung, Schmuggel, Amtsmissbrauch, Raub, Drogenhandel – findet im Fernsehkrimi nicht statt. Es muss Mord sein. Am besten: Serienmord. 2009 wurden in Deutschland 365 Menschen ermordet. Die Zahl der Morde sinkt seit Jahrzehnten. Im Fernsehen aber ist Mord zur inflationären Billigware aufgestiegen. Dieses Morden langweilt" (Carta). Indes machte sich Robin Mayer-Lucht, oben erwähnt, ebd. als Bildblogger verdient. +++

+++ Heute vermutlich ohne Mord im Fernsehen (20.15 Uhr, ARD) und viel besprochen: "Wie ein Licht in der Nacht" mit Christiane Hörbiger. Dass "allein die mitunter aufdringlich eingesetzte Musik störend auffällt", meint Michael Hanfeld in der FAZ (Überschrift: "Der Entzug der alten Dame"). Dass Regisseur Florian Baxmeyer "doch zu viel Rücksicht auf den Aufraggeber und den Sendeplatz genommen zu haben" scheint, meint die TAZ ("Der Suff der alten Dame"). Siehe natürlich aber auch bei Tilmann P. Gangloff und Rainer Tittelbach. +++

+++ Das Medienthema im aktuellen Spiegel und heute wegen eines frischen 350-Millionen-Dollar-Handels vorn drauf auf der FTD: deutsche Onlinespiele-Firmen: "Mit dem Bigpoint-Deal schwappt das Phänomen der hohen Firmenbewertungen in der Branche nach Deutschland." +++ "Das ist die weltgrößte Musikshow, die wir da in Deutschland produzieren, dabei soll es auch ein paar Überraschungsmomente geben" (Eurovision Song Contest-Moderatorin Judith Rakers wochenends im Tsp.-Interview). +++

+++ Und aus dem Osterwochenend-Aufreger für Apple-Aficionados holt die TAZ als Positives heraus, dass "Politiker nun nur wochenlang ein iPhone in der Bibliothek zu deponieren" brauchen, "schon werden sie von jedem Plagiatsvorwurf freigesprochen." +++
 

Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.