Todesfälle, Senderkritik und Wikileaks-Kritik im Umfeld der Berichte über die Arabellion. Außerdem: Was macht Murdochs iPad-Zeitung? Wann kommt die "Stiftung Internet"?
Schlechte bis schlimme Nachrichten sind an diesem Gründonnerstag leider medienmedial die wichtigsten. Gestern abend in den "Tagesthemen" (um Min. 3:50) berichtete der Reporter Stefan Buchen aus Misrata sichtlich angefasst vom Tod zweier amerikanischer Kollegen. Um wen es handelt, ist inzwischen auch bekannt (siehe z.B. cnn.com, jetzt auch evangelisch.de): um die renommierten Fotografen Tim Hetherington (Foto; Webseite) und Chris Hondros (Webseite).
Am Ende des heutigen Berliner Zeitungs-Berichts über den "nicht zimperlichen" Umgang des Gaddafis Regime mit westlichen Journalisten, in dem es vor allem um vier schon seit drei Wochen offenbar gefangen gehaltene Journalisten geht (Manu Brabo, James Foley, Clare Morgana Gillis, Anton Hammerl), wurde dies als Aktualisierung angefügt. Die FR bietet den gleichen Bericht mit Fotos online besser lesbar, aber ohne die Aktualisierung.
Nicht vom Tenor, bloß vom Thema passt dazu die Klage, die der langjährige Fernsehnachrichtenkritiker Walter van Rossum in der Wochenzeitung Freitag über deutsche "Sender im Dienst der NATO", besonders das ZDF und die "schaurige Grandezza" Claus Klebers führt:
"Über Libyen wissen wir fast nichts, schon gar nicht, wie viele Menschenleben die smart-bombs des Humanismus bislang gekostet haben, doch eines ist schon jetzt gewiss: Die Bereitschaft des Journalismus, sich in den Dienst der Kriegspropaganda zu stellen, hat ein erschreckendes Niveau erreicht."
Tja.
Kaum vom Thema, bloß aus der Perspektive des deutschen Verfolgers von globalen und Medien-News passt dazu ein FAZ-Artikel (S. 40, derzeit nicht frei online) über die ebenfalls relativ revolutionäre Lage in Syrien, wo freilich wesentlich weniger westliche Reporter unterwegs zu sein scheinen als in Libyen (von 200 allein in Bengasi spricht der o.g. BLZ-Bericht). FAZ-Korrespondent Joseph Croitoru schreibt:
"Von der Enthüllungsplattform Wikileaks hätte man eigentlich erwartet, dass sie auch für die dort Unterdrückten Partei ergreift – so wie sie es im Zuge der politischen Umwälzungen im arabischen Raum schon mehrfach getan hat. Im Hinblick auf Syrien scheint dies aber nicht unbedingt der Fall zu sein, wiegt doch offenbar das Kritikbedürfnis an der amerikanischen Regierung schwerer als die Sympathie für die Protestierenden."
Croitoru bezieht sich auf einen Bericht der Washington Post über US-amerikanische Unterstützung für den Exilfernsehsender Barada TV, den er kurz vorstellt, und meint dann:
"Sicher hingegen ist, dass Wikileaks mit dieser Veröffentlichung der Propaganda des Damaszener Regimes in die Hände spielt, die längst die Demonstranten als Handlanger einer vom Ausland gesteuerten Verschwörung zu brandmarken versucht."
[listbox:title=Artikel des Tages[Two photographers killed in Libya (cnn.com)##Kriegsberichterstatter in Bengasi (BLZ)##Was macht eigentlich The Daily? (SZ)##Beckedahl über "Stiftung Internet" (Tsp.)]]
Wiederum: Tja.
Was sich heute sonst medienmedial abspielt, kreist vor allem um vergleichsweise harmlosere ökonomische Sorgen oder ums fiktionale Fernsehen, in dem zumindest Persönlichkeiten wie Christine Neubauer und Henning Mankell sämtlicher ökonomischer Sorgen enthoben sind, und geht im Altpapierkorb weiter.
Altpapierkorb
+++Anfang Februar erblickte Rupert Murdochs Zeitungsprojekt namens "The Daily" das Licht nicht der Welt, aber der iPads oder zumindest derer, deren Besitzer dafür ein wenig bezahlen wollten (siehe Altpapier). Seitdem hat man zumal als Nicht-iPad-Besitzer wenig davon gehört. Für die Süddeutsche ging Jörg Häntzschel dem Thema nach und bilanziert: "Knapp drei Monate nach dem Start sind alle enttäuscht: Die Leser von The Daily und Murdoch von den Lesern." Dann erschöpft er ein wenig mit Tweets- und Twitter-Follower-Zahlen, bevor er meint: "Als seriöse Tageszeitung bietet es zu wenig Tiefe. Als Quelle für Nachrichten-Junkies taugt es mangels laufender Aktualisierung nicht. Und als Klatsch- und Entertainment-Magazin ist es nicht saftig genug." +++
+++ Auch nicht leicht haben es, trotz all der Krimis und Romanzen, die immerzu neu gedreht werden, die Film- und Fernsehschauspieler. Auf einen Offenen Brief ihres Bundesverbandes BFFS, der die "zunehmend ausufernde Unart" beklagt, dass Casting-Agenturen von Schauspielern, die an einem Werbespot-Casting teilnehmen möchten, Geld verlangen, macht die FAZ aufmerksam. +++
+++ Wer auch wieder Forderungen erhob: Jürgen Doetz, der Cheflobbyist der Privatsender (Tsp.). +++ Trotz der sicheren GEZ-Milliarden muss der Bayerische Rundfunk ebenfalls sparen. Er spart sich, gewiss keine ganz schlechte Idee, das tägliche Horoskop der Radiowelle Bayern3 (Süddeutsche). +++
+++ Markus Beckedahl - wer weiß, vielleicht der digitale Digitale Doetz, zumindest der Gründer der neuen Digitalen Gesellschaft (deren Internetauftritt jedoch mehr hermacht als der von Doetz' VPRT) - beweist im Tagesspiegel-Interview Interessenvertreter-Qualitäten. Und fordert "die Einrichtung einer Stiftung Internet ..., die gesellschaftlich pluralistisch mit Entscheidungsträgern ausgestattet wird, die über Förderwettbewerbe Gelder an nicht-kommerzielle Medienprojekte gibt." +++
+++ Die Runde macht heute, gern mit dem lustigen Focus-Cover von der ihren Mittelfinger erhebenden Aphrodite illustriert, die gestrige Tsp.-Meldung von einer griechischen Klage (deswegen) gegen Focus-Journalisten. In der Süddeutschen sagt Klaus Bötig, freier Reisejournalist, "der nun offenbar für Helmut Markworts Humor geradestehen soll": "Das ist das Blödeste, was passieren konnte. Ich schreibe zu 90 Prozent über Griechenland. Und jetzt?" Siehe auch KSTA, TAZ. +++ Eine einstweilige Verfügung gegen Spiegel Online erreichte vor dem Landgericht München ein auf der Gorch Fock tätiger Soldat, der unter der Überschrift "Spindsaufen, Schweineleber, Stromschläge" auf einem Foto beim Deckschrubben zu sehen war (Süddeutsche). Der relevante medienjuristische Fachbegriff lautet hier: "nicht ganz fernliegende Deutweise". +++
+++ Auch nicht schön: die Vergütung freier Journalisten in Ostdeutschland (meedia.de über die "Frankfurter Honorarliste"/ PDF). +++ Todeskuss für die französische Wochenzeitung Le Canard enchaîné? Nein, bloß ein Nannen-Preis (SZ). +++ Die ProSiebenSat.1 AG hat ihre Sender in den Niederlanden und Belgien verkauft, und zwar an "ein internationales Medienkonsortium um den finnischen Konzern Sanoma" (dwdl.de). Kennt man den hierzulande? Jein, langjährige Altpapier-Leser kennen zumindest die in Amsterdam ansässige deutschsprachige Webseite dnews.de, die 2009/10 Altpapier-Heimat war und zu Sanoma Media Netherlands B.V. gehört. +++
+++ Jetzt aber, das Fernsehen: "Wenn Christine Neubauer irgendwo mitspielt, dann ist das für einen Fernsehsender, als wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen", erläutert Matthias Kalle im Rahmen einer österlichen Fernsehhöhepunkte-Umschau unter besonderer Berücksichtigung des ARD-Zweiteilers "Gottes mächtige Dienerin" ("eine einflussreiche Frau im Vatikan zur Zeit des Nationalsozialismus", gespielt von Neubauer; Tsp.). +++
+++ Und Jochen Hieber befasst sich in der FAZ ausgiebigst mit den neuen Wallander-Krimis: "Unter den vier neuen Folgen kann lediglich die erste - 'Der Scharfschütze' - überzeugen... Teilweise haarsträubende Handwerksfehler trüben sowohl 'Das Gespenst' als auch die finale Folge 'Das Erbe'...". Insofern sieht Hieber in der Unterüberschrift gar "eine Weltmarke in Gefahr" (wobei er oder diese Unterüberschrift die "Weltmarke" weiter ramponieren, weil es da weiter heißt: "Zu Ostern bringt das ZDF vier neue Fälle mit Kommissar Wallander", obwohl doch die ARD wallandert und das ZDF bloß die Schwedenkrimimarke "Kommissar Beck" mit ramponieren half)...+++ "Ach, hätte sich das ZDF nur darauf beschränkt, eine Nordseeinselversion der mäßig langweiligen Gotland-Krimireihe 'Der Kommissar und das Meer' zu drehen", meint Jens Müller (TAZ), womit er dieser tatsächlich ungeheuer langweiligen Schwedenkrimi Unrecht tut. Aber es geht ihm auch um den "penetrant klischeebehafteten" Norddeutschlandkrimi "Nord Nord Mord" heute abend. +++ Aber das Personal, das wurde "mit viel Liebe erschaffen", meint Tilmann P. Gangloff hier nebenan. +++ Den Darsteller Oliver Wnuk porträtiert die BLZ. +++
Neues Altpapier gibt's nach Ostern wieder am Dienstag.