Ausgerechnet am Tag des Schalker Mailand-Wunders schnappte das ZDF Sat.1 die Champions League-Rechte weg. Großer Coup? Eigentor? Taktisches Foul? Die Meinungen dazu.
Wenn "Christine Neubauer auf dem Oktoberfest nachts um halb eins" unterwegs ist (wie auch immer die 11 Freunde das genau meinten, vgl. 83. Minute des 11freunde.de-Livetickers zum gestrigen Champions League-Spiel Inter Mailand - Schalke 04) - klar, dass dann Markus Schächter hellwach wird.
Jedenfalls haben das ZDF und sein Intendant Schächter gestern um 10.59 Uhr triumphal verkündet, "den Zuschlag für die Übertragung der UEFA Champions League für die Spielzeiten 2012/2013 bis 2014/2015 erhalten" zu haben. Und auch wenn das Spiel gestern abend nun nicht, wie Michael Hanfeld vorher für faz.net aufschrieb, "eines der vorerst letzten" war, "die der Sender Sat.1 zeigt", denn eine Saison mit 17 Fernseh-Spielen bleibt dem Privatsender noch - klar wiederum, dass die häufig äußerst fernsehsport-begeisterten Medienredakteure umfangreiche Artikel zum Thema verfassten.
So verschwand im Laufe des Tages vorerst die vom Fachmagazins Sponsors, das seine Inhalte im Internet nicht sponsern lässt, sondern hinter einer Paywall verbirgt, lancierte Angabe, das ZDF zahle für diesen Deal pro Saison 54 Mio. Euro. "Die Zahl ist definitiv zu hoch, aber wir haben den Deal auch nicht über den Preis gemacht, sondern wir sind mit einem guten Konzept an den Rechteinhaber herangetreten...", sagte Schächter der Bild-Zeitung, die denn auch auf ihre sonst oft gepflegte Öffentlich-Rechtlichen-kritische Haltung zugunsten eines Votings verzichtete.
Am wohl besten oder zumindest umfangreichsten informiert die Süddeutsche Zeitung, die auf der Medienseite neben dem Aufmacherartikel auch noch die bunte Geschichte der Champions League-Fernsehrechte-Vergabe Revue passieren lässt und kritische Stimmen von Privatfernseh- bzw Privatfernseh-freundlicher Seite bündelt. Darin die heute oft zitierte Aussage des RTL-Lobbyisten Tobias Schmid: "'Es ist faszinierend, wie das ZDF in Zeiten, in denen die Gesellschaft eine kritische Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Gebühren fordert, das Geld mit vollen Händen rauswirft, um etwas anzubieten, was der Zuschauer längst hatte - und zwar ohne einen Cent unserer Gebühren".
Sie sollte zumindest den unglücklichen Konzern ProSiebenSat.1 AG anspornen, sich auch mal einen eloquenten Lobbyisten zuzulegen.
Spannend wird nun, ob solche Aussagen die für ZDF und ARD zuständigen Landespolitiker aufrütteln. Schließlich könnten andererseits Kurt Beck oder der Kollege, dem CDU/ CSU die Kompetenz für Medienpolitik zuteilen werden, ab 2012 ja auch ins Stadion gehen und sich vor begeistertem Publikum kurz von Kathrin Müller-Hohenstein und Olli Kahn interviewen lassen, wer denn heute abend gewinnen soll.
Denn, der wesentliche Aspekt des Deals besteht offenbar in der "Ausweichlösung",
"dass das ZDF an den Übertragungstagen im Werberahmenprogramm zwischen 18 und 20 Uhr ein Champions-League-Magazin einbaut, in dem die Sponsoren gezeigt werden. Vermutlich beginnt die Vorberichterstattung nach der heute-Sendung gegen 19.20 Uhr."
So wird die von jenen Medienpolitikern aus den Bundesländern beschlossene Regelung ausgehebelt, dass die Öffentlich-Rechtlichen ab 2013 grundsätzlich auf jenes Sponsoring verzichten müssen, das Champions League-Übertragungen umfangreich flankiert (siehe v.a. Süddeutsche).
"Ein taktisches Foul", nennt das Steffen Grimberg bei taz.de, ein "Eigentor", "vermutlich legal - aber nicht eben clever", Lutz Knappmann in der FTD. Dass allein die Vorverlängerung ins gesetzlich Werberahmenprogramm die Champions League-Sponsoren nicht für die von Sat.1 gewohnte Dauerpenetration über den ganzen Fußballabend hinweg kompensieren wird, glaubt der Tagesspiegel: "Nun sind die Quoten bei der Vor- und Nachberichterstattung nicht jene während der Übertragung. Das ZDF wird gegenüber der Uefa und den CL-Sponsoren eine Kompensation leisten müssen."
"Eine aberwitzige Idee" würde Björn Wirth (Berliner Zeitung) sogar sagen: "So gibt es am Ende im ZDF mehr Drumherum als eigentliche Champions League." Wobei diese Aberwitzigkeit sich an so vielen langen Länderspielabenden einschaltquotenmäßig eingespielt hat, dass sowohl die GEZ-Gebühren-Spender vom ZDF wie die Verkäufer vom Fußballverband UEFA sich genau daran orientiert haben dürften.
Denn, und damit zurück zum SZ-Aufmacher, außer mit etwa zehn Milionen Euro pro Jahr beim Preis, die es mehr bezahlen will als Sat.1, habe das Angebot des ZDF die UEFA auch inhaltlich überzeugt, schreibt dort Christopher Keil:
"Tatsächlich sollen die Fußball-Funktionäre aus Nyon in der Schweiz mit der Präsentation der Champions League bei Sat 1 nicht mehr zufrieden gewesen sein."
Erstaunlicherweise sei den Fußballherren aus der Schweiz (deren Vermarkter "Team" zum Bereich Fred Kogels zählt, wie Keil ebenfalls erwähnt, bzw. zum verschachtelten Einflussbereich Leo Kirchs, könnte man auch sagen) "unangenehm aufgefallen", "dass Sat 1 den Vor- und Nachlauf der Spiele sehr intensiv mit Werbung bestritt".
[listbox:title=Artikel des Tages[SZ über den ZDF-Fußball-Deal##BLZ über den ZDF-Fußball-Deal##Kriegsreporterin-Rundumschlag (TAZ)]]
Der größte Kritiker (wie auch der erste Vermelder, vgl. Altpapier von vor drei Wochen) des ZDF-Deals ist FAZ-Redakteur Hanfeld. Die FAZ schlägte heute nicht nur auf der Titelseite einen kühnen (donaldistischen?) Bogen zwischen Philipp Rösler und der CL (an diesem Mittwoch hier zu sehen). Hanfeld warnt auf ihrer Medienseite 33 auch vor Béla Réthy, dessen "Trauersingsang" dann "anstelle der profunden Kommentare der Sat.1-Reporter" erklingen wird, und zieht unter Rückgriff aufs schon oft bemühte Repertoire die einstweilen weitestreichenden Schlussfolgerungen:
"... Wer soll da noch mithalten? Niemand kann da mithalten, denn wir haben es mit einem klaren Fall von Wettbewerbsverzerrung sowie mit einem Fall zu tun, in dem ein öffentlich-rechtlicher Sender zeigt, wie man der Medienpolitik - die man sonst (Stichwort: neue Rundfunkgebühr ab 2013) gerne im Boot hat - eine Nase dreht."
Einige Absätze später, in denen auch noch die "Kartellwächter der Europäischen Kommission" und das alte Schlagwort "Grundversorgung" vorkamen, endet der Artikel mit den Worten:
"Das ZDF hat mit dem Kauf der Champions League den ersten Wechsel auf die Erhöhung der Rundfunkgebühr, die dann Haushaltsbeitrag heißt, schon gelöst."
Und auch wenn die FAZ bitte noch mal erklären müsste, was die betagte Redensart "mit dem Speck nach der Schwarte werfen", mit der sie hier überdies argumentiert, eigentlich noch mal bedeutet, könnte das der entscheidende Punkt sein: dass das ZDF hier einfach aus dem Vollen seiner Gebühreneinnahmen (die ab 2013, sobald in der Breite erst klar wird, was es mit der Haushaltsabgabe auf sich hat, ziemlich viele als "Zwangsgebühren" bezeichnen werden) schöpft, um das aufzukaufen, was ansonsten quasi genauso anderswo gesendet worden wäre.
Altpapierkorb
+++ Das FAZ-Fernsehblog flankiert die Themen der gedruckten Medienseite, indem es auf rascher, schon im Mai 2011 kommende Programmreförmchen verweist: "ZDF setzt US-Spielfilme gegen Vox und Sat.1." +++
+++ Neue Erkenntnisse, was der öffentlich-rechtliche Kinderkanal mit seinen Gebühren angestellt hat, wurden gesucht. "Gestern wurden unter anderem in Baden-Baden ein renommiertes Unternehmen für die Trickfilmproduktion sowie verschiedene Privatwohnungen vom Thüringer Landeskriminalamt durchsucht, Beweismittel wurden sichergestellt" (FAZ, S. 33). +++ Und in Berlin aber auch (Tsp.). +++
+++ Mehr Fernsehfußball: Die Rechte an der Euro League (dem Ex-UEFA-Pokal) wurden erstmal nicht vergeben, aber auch die an der Bundesliga werden wieder ausgeschrieben. Das steht am Rande vieler Fernsehfußball-Artikel. Dass das ZDF aufs samstägliche "Sportstudio" verzichten und ein Äquivalent dann im Privatfernsehen laufen könnte, vermutet z.B. kicker.de. +++ Erstmals offiziell ermittelt: Einschaltquoten für Fußball auf Sky (dem Ex-Premiere), also im Pay-TV. "Beim Top-Spiel am Samstagabend saßen demnach 490.000 Zuseher auf den Sky-Rängen" (kress.de), bemerkenswert, weil es sich beim Top-Spiel um das "Top-Spiel" Hoffenheim - Hamburg handelte. +++ Und die Quoten von gestern abend? U.a. hier. +++
+++ "Leute, die sie kennen, sagen aber, dass Mayer nicht gewillt gewesen sein soll, den im Sommer anstehenden Umzug ihrer Redaktion von Berlin nach München mitzumachen", so die Süddeutsche über den Abschiedsentschluss der Architectural Digest-Chefredakteurin Margit J. Mayer. +++
+++ Einen Blick in die Medienlandschaft des neuen Tunesien wirft die TAZ. +++ Beim "Notebook Rodzinny", das einem in Polens Medienlandschaften überall begegne, "wohin der Pole seinen Blick auch wendet", handelt es sich sozusagen um Springers Volks-Notebook, informiert Marin Majica (BLZ). +++
+++ "Zu der Schauspielerin Witta Pohl fällt einem sogleich eine Rolle ein, mit der sie das deutsche Serienfernsehen in den achtziger und frühen neunziger Jahren prägte", leitet die FAZ recht schnöde ihren kurzen Nachruf auf die verstorbene Schauspielerin ein. Gemeint ist natürlich Vera Drombusch. Ganz anders Hans Hoffs Nachruf in der Süddeutschen: "Sie war die Ursula, die Adolfa, die Elisabeth, die Lotti und die Barbara. In der Regel trug sie Namen, die schon beim ersten Hören deutlich machten, aus welcher Zeit sie stammten. Mehrfach war sie Gerda und manchmal auch einfach nur die Frau von irgendwem. Von Zaluskowski beispielsweise, dem Zollfahnder aus der Krimiserie 'Schwarz Rot Gold'." Die Nachrufe in Tsp. und BLZ, die nicht zuletzt auch ausführliche Informationen zum Krankheitsverlauf enthalten, stehen frei online. +++
+++ "Ein Film über den Völkermord an den Armeniern", der "unter der Aufsicht Cornelia Piepers" im "Wäschereitrakt im Untergeschoss" des Hotels Adlon gedreht wird, aber auch von FDP-Politikern beeindruckte "Suffköppe" bei der jüngste Grimme-Preis-Sause in Marl: schön aufgedreht heute die TAZ-Kriegsreporterin. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.