Vor dem Großen Zapfenstreich mit Deep Purple heute abend herrscht tiefe Ruhe. Bloß gibt's mal wieder ein neues Kochmagazin. Sowie immer mehr Wikileaks-ähnliche Webseiten.
Es gibt sie selten, aber es gibt Tage, an denen auch mit dem weiten Medienbegriff, den wir hier im Altpapier pflegen, wenig los ist. Und an denen die Kollegen aus den Zeitungsredaktionen halt den Drehbericht vom "Tatort" oder das Porträt der nächsten neuen Fernseh-Kommissarin bringen, die vielleicht schon länger auf Veröffentlichung warten.
Selbst an der KT-Front, an der in den letzten Wochen eigentlich immer etwas ging, herrscht vor der Übertragung des Großen Zapfenstreichs heute am Vorabend (den außer der ARD auch N24 übertragen wird und bei dem, wie laut DPA die Hessisch/ Niedersächsisch Allgemeine zuerst berichtete, das Heeresmusikkorps der Bundeswehr zwischen den Märschen "Großer Kurfürst" und "König Ludwig II" zwar nichts von AC/DC, doch immerhin Deep Purples "Smoke on the Water" performen soll) relative Ebbe.
Zumindest wenn man davon absieht, dass eines der Müncher Boulevardblätter mit der Schlagzeile "Guttenberg wird Werbestar" aufmacht (die sich im Kleingedruckten dann allerdings auf unfreiwillige Verwendung durch eine "Schweizer Outdoor-Kleiderfirma" bezieht). Oder davon, um ins Höchstfeuillleton zu wechseln, dass vorn auf dem Freitag Jakob Augstein die Guttenberg-Causa schon mal in die Tradition der deutschen Romantik des vorvorigen Jahrhunderts einordnet und den daraus abgeleiteten "deutschen Nationalcharakter" wieder neu entdeckt.
"Die Hate-Mails, mit denen kritische Journalisten von Guttenberg-Anhängern überhäuft wurden, füllen Bände",
argumentiert er. Im (vielleicht in der Tradition der deutschen Romantik) immer etwas unübersichtlichen Internetauftritt freitag.de ist der Leitartikel gerade nicht zu finden, aber hier. Jedenfalls: Genau, all diese Hate-Mails zu sammeln, vielleicht dabei herauszufinden, wer denn die meisten und bösesten bekam, und sie dann in repräsentativen Einbänden herauszubringen und in Staatsbibliotheken der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, das gehört unbedingt auch auf die to-do-Liste.
Wenn wir gerade bei interessanten Paradoxien sind: Es gibt mal wieder eine ganz neue Zeitschrift, das Jamie Oliver-Kochmagazin Jamie von Gruner+Jahr (Beef, Dogs, Stern). Und oben links auf dem Titel regt die Werbebotschaft "Das Original - endlich auch auf Deutsch!" zum Mitnehmen am Kiosk an. Online lässt sich einstweilen nichts aus dem Heft lesen, sondern bloß Anzeigenraum in der nächsten Ausgabe erwerben. Eine Besprechung gibt es offenbar nur bei meedia.de. Hat denn G+J keine Pressekonferenz mit Original-Jamie-Catering ausgerichtet?
Und wenn wir gerade im Ressort Essen & Trinken sind: Ferner fällt am Kiosk heute die hübsche, auch wiederum irgendwie romantische FAZ-Fotozeile "Bier gehört zu Deutschland" auf. Die entsprechend layoutete Seite 4 derselben Zeitung zeigt unser Foto oben.
Jetzt aber auf die Medienseiten der Presse: Die WAZ aus dem Ruhrpott in beinahe einem Atemzug mit der New York Times! Das hat man auch nicht alle Tage, findet man aber heute in der TAZ. Und das gar nicht ganz zu Unrecht, denn die TAZ stellt in zwei Artikeln internationale "Wikileaks-Klone" vor.
[listbox:title=Artikel des Tages[Lauter Leaks-Seiten in der TAZ##NDR-Zapp versucht, mit Facebook zu sprechen (Video)]]
Im zweiten beschreibt Reinhard Wolff das vom schwedischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickelte Projekt radioleaks.se und hat gleich einen nutzwertigen Tipp für interessierte Whistleblower (sie sollten die Internetadresse "möglichst nicht mit www.radioleaks.org verwechseln. Über diese werden sie nämlich abwechselnd zu den Internetseiten des deutschen BND, des russischen FSB, des schwedischen Militärgeheimdienstes FRA oder der US-amerikanischen National Security Agency weitergeleitet"). Im ersten TAZ-Artikel stellt Thomas Strothjohann neben einigen (u.a. von der NYT) geplanten gleich sieben schon bestehende Leaks-Seiten vor, darunter vier russischsprachige, eine indonesische sowie die WAZ-Seite derwesten-recherche.org, deren Chef David Schraven auch ausführlich zu Wort kommt. Das ist der lesenswerteste Medienartikel des Tages.
Altpapierkorb
+++ Natürlich auch immer nicht so uninteressant, was Dr. Kai Gniffke für die ARD und Elmar Theveßen fürs ZDF über ihre Auslandskorrespondenten an den aktuellen Brennpunkten, also momentan in der arabischen Welt, äußern. Für heute hat die Berlin-Frankfurter DuMont-Presse nachgefragt. Und erfuhr, dass die ARD ein "Content Center" errichtet, in dem "spezielle Dokumentare" "alle Bilder", die den Sender "von außen" erreichen und vor allem wohl aus dem Internet stammen, "verifizieren und katalogisieren" sollen. Und am Rande, dass das ZDF die "international agierende Sicherheitsfirma Control Risks" engagiert hat. +++
+++Neues von Facebook: Der mit dem Filmverleih für die USA geschlossene Deal, den Kinofilm "Batman: The Dark Knight" gegen Facebook-"Credits" online zu vertreibenn, hat "zumindest das Potential ..., den Markt aufzumischen", meint die Süddeutsche. Doch "solange Portale wie kino.to ... existieren, so lange wird die Zahlungsbereitschaft vieler Nutzer überschaubar sein." +++ Der Tsp. geht der Frage nach, ob es all die Fans, deren Zahl bei Facebook so gern verglichen wird, wirklich gibt. Es gelang ihm, Kontakt zu "einer Sprecherin", einer ungenannten, herzustellen, die einen relativ nichtssagenden Satz beisteuert. +++ Interessanter: der Facebook-kritische Bericht des NDR-Magazins "Zapp" von gestern abend, dem am Ende die inzwischen angeheuerte deutsche Facebook-Sprecherin sowohl jeden Kommentar verweigert wie offenbar auch Zugang zum deutschen Facebook-Büro. +++
+++ Am Rande meldet die FAZ (S. 35), dass der NDR "von Juni an werktäglich parallel zum 'heute journal' des ZDF, also um 21.45 Uhr, eine viertelstündige Fernseh-Nachrichtensendung für Norddeutschland senden" wird. Und zwar nicht vom ARD Aktuell-Sitz in Hamburg, sondern aus dem Landesfunkhaus Hannover. +++ Ferner berichtet die FAZ aus Usingen, wo gerade Ulrich Tukur wieder dreht, von den hessischen "Tatort"-Planungen. +++ Und rät von Lars Beckers morgigem Arte-Film "Amigo" ab. +++
+++ Am Rande meldet die SZ, dass Al-Dschasira "offenbar einen englischsprachigen Ableger seines Kinderkanals JCC" plant. +++ Und stellt Anna Maria Sturm vor, die neue Ermittlerin im bayerischen "Polizeiruf 110". +++ Und empfiehlt den Dokumentarfilm "Auf der Suche nach dem Gedächtnis - Eric Kandel", heute um 23.15 Uhr im WDR-Fernsehen: "Wenn man den Film sieht, fühlt man sich wie nach einem dieser erstaunlichen amerikanischen Romane, in denen scheinbar nur eine etwas ausufernde Familiengeschichte erzählt wird, die aber in Wahrheit eine ganze Epoche zeigen." +++
+++ Schon bei Facebook: "der neue medienpolitische Kopf der CDU", bei dem darauf hinzuweisen, dass er Aristokrat und hoher Akademiker ist, gewiss grob unsachlich wäre: Dr. Christian von Boetticher. Auszüge aus einem Promedia-Interview mit ihm brachte schon vor einigen Tagen Carta. Sein Schlüsselsatz: "Wir sollten jetzt nicht unnötig Tempo machen." +++
+++ "Natürlich sind ARD und ZDF zu weiteren Gesprächen bereit", sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky dem Tagesspiegel hinsichtlich des "Pokers" um die Leichtathletik-Weltmeisterschaft und deren Fernsehübertragung. +++