Der Hai als Visionär

Murdochs Daily erblickt exklusiv das Licht der iPads, ein neues Arte-Portal das des freien Internet. Und die Aufstände, die Apples AGBs entfachen, reichen nicht an Ägypten heran.

Es geht voran mit der digitalen Spaltung der Gesellschaft. Der brandheiße Hype aus der Diskussion von heute lässt sich nicht mehr von jedem ansurfen. Wer sein Altpapier nicht auf dem iPad liest, kann auf thedaily.com nicht mehr anstellen, als sich ein ziemlich ödes Werbevideo anschauen, aus dem nicht einmal hervorgeht, ob es von Rupert Murdochs Konzern für das publizistische Angebot oder von Apple für das Endgerät gestaltet wurde (oder eventuell von Facebook oder Twitter).

The Daily ist "die erste Zeitung, die niemand mehr durchblättern kann" (FAZ). Sie "wird nur auf dem iPad zu lesen sein, nicht auf Papier, nicht online, nicht einmal auf Smartphones", so die Süddeutsche, was aber nicht heißt, dass The Daily seinerseits auf wenig Konkurrenz träfe. Das seien nicht bloß die rund 9000 sonstigen Nachrichten-Apps, sondern auch die "Myriaden von Nachrichtenquellen im Internet". Schließlich können iPad-Nutzer auch das ganze übrige Netz ansteuern, zumindest, solange die Apple-Konzernzentrale nichts Gegenteiliges beschließt.

Gestern also stellten Murdoch und Apple-Vizepräsident Eddy Cue im New Yorker Guggenheim-Museum die lang schon erwartete erste und leicht kostenpflichtige Tageszeitung für den bislang einzigen populären Tablet-Computer vor. Es berichten auf deutsch ferner meedia.de, Sebastian Moll (Berliner Zeitung) direkt aus dem New Yorker Schneeregen sowie die FAZ einmal eher wirtschaftsjournalistisch und einmal in Form einer medienjournalistischen Besprechung:

Jordan Mejias hat in New York schon The Daily gewischt, gezogen und getippt. "Der ersten Ausgabe nach zu urteilen, hat Murdochs Boulevardblatt 'New York Post' eher Pate gestanden als sein 'Wall Street Journal'", meint er. Zwar kämen "die Augen ...auf ihre Kosten" (360-Grad-Fotos, Moderatorenauftritte, Videofeatures...), doch bleibt Meijas selbst skeptisch:

"Während bis zu hundert Seiten pro Ausgabe versprochen werden, weitet sich das dahinterliegende Angebot ins Unüberschaubare. Vom Bilderkarussell, das sich vor dem User dreht und ihm einen Überblick über das Angebot des Tages geben soll, wird er direkt ins Informationschaos geschleudert."

Festhalten lässt sich aber, dass trotz Steve Jobs' krankheitsbedingter Abwesenheit dessen Widerschein auf Rupert Murdoch abglänzt. So visionär kam der im Allgemeinen wenig geschätzte Medienhai/ Tycoon noch nie rüber (und dazu passt ganz gut das Interview, das Hans-Peter Siebenhaar und Gabor Steingart vom Handelsblatt mit dessen entspanntem Sohn James Murdoch führten: "Der Fernsehsender Fox News, den Ihr Vater in den USA betreibt, gilt als rechtskonservative Propagandamaschine." - "Jeder im Mediengeschäft ist natürlich für Ideen und in aktuellen Diskussionen engagiert. Schließlich sind die Medien für die Verbreitung dieser Debatten verantwortlich.")

Damit zu den AGBs. Ungefähr parallel zur The Daily-Vorstellung machen Mitarbeiter des kalifornischen Unternehmens eine "Besuchstour bei deutschen Verlagen..., um den Printhäusern noch einmal die Regeln für die Zusammenarbeit zu erklären". Die da lauten:

"Wer seine digitalen Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften auf Apples Lesegeräten verkaufen will, muss diese Transaktion auch über Apples digitalen Kiosk, den App-Store, abwickeln. Ausnahmslos. Bis zum Sommer, so heißt es, hätten die Printhäuser noch Zeit, ihre Geschäftsmodelle anzupassen",

berichtet die FTD. Sonst könne es den Verlagen ergehen wie Sony oder den belgischen Medien, von denen meedia.de am Ende seines Artikels berichtet, demzufolge jene "verlagsübergreifenden Geschäftsmodelle ins Wanken" kommen dürften, die es streng genommen ja noch kaum gibt. "Aufstand gegen Apple" lautet die Leitartikel-Titelzeile, unter der die FTD (aus dem bekanntlich mit dem Online-Bezahlkiosk "Pubbles" experimentierenden Verlag Gruner+Jahr) sich selbst Mut zu-schreibt.

[listbox:title=Artikel des Tages[SZ über die Daily-Präsentation##faz.net über The Daily##FTD über die Apple-vs.-Verlage-Frage##FAZ über ARD/ZDFs Ägypten-Berichte##Das neue Arte Creative)]]

Von diesem Aufstand ist's nur ein metaphorischer Steinwurf zum echten Aufstand in Nordafrika und vor allem in Ägypten, der derzeit der internationalen Medien rockt. Ähnlich wie vorher andere (siehe Altpapier gestern), schüttet heute auch die FAZ Häme über "die großen öffentlich-rechtlichen Sender" ARD und ZDF aus, die "sich von welthistorischen Momenten nicht aus der Ruhe bringen" lassen und unverdrossen die "Rote Rosen"-Folge 971 bzw. die "Küchenschlacht" sendeten, während Jochen Hieber bei CNN und BBC World News "dramatische, auch erschreckende Bilder eines zeitgeschichtlichen Augenblicks, der möglicherweise den Anfang eines Epochenwandels markieren wird", sah:

"So viel Normalität wirkt angesichts der Gleichzeitigkeit des ganz und gar Extraordinären durchaus obszön - und es spricht auch dann für das vollkommen fehlende journalistische, mehr noch: ethische Gespür bei ARD und ZDF, wenn man in Rechnung stellt, dass beide deutschen Hauptprogramme keine Nachrichtenkanäle sind oder sein können."

Zumindest Gelegenheiten zu weiteren "Brennpunkten" könnten kommen. "Auf Twitter steht der Fahrplan für den Fortgang der arabischen Revolution schon fest. Die nächsten Dominosteine: Yemen #Feb3, Syria #Feb5, Algeria #Feb12 und Bahrain #Feb14", informiert Nahost-Korrespondentin Susanne Fischer auf Carta.

Diskussionen wiederum, ob an die 1000 Folgen "Rote Rosen" wirklich sein müssen oder nicht zugunsten sinnvollerer Sendungen oder niedrigerer GEZ-Gebühren entfallen könnten, wollten schon viele anzetteln. Unverdrossenen Freunden öffentlich-rechtlichen Fernsehens empfiehlt die TAZ aber noch ein weiteres Angebot, das ebenfalls gestern das Licht des freien Internets erblickte: das Kunst-/ Film-/ Popkultur-/ Design-/ Architektur-Portal Arte Creative ("Kunst-YouTube mit Chefredakteur").


Altpapierkorb

+++Einen Aufreger aus dem Bundesland der Wutbürger hat die Süddeutsche: "Beim SWR-TV-Duell vor der Wahl in Baden-Württemberg sollen die Zweitstärksten, die Grünen, nur zuschauen". Hier die nicht unaufgeregt klingende Stellungnahme des SWR-Chefredakteurs Fernsehen, Michael Zeiß. Kompromissvorschlag: Zunächst wird der grüne Kandidat Winfried Kretschmann mit ein paar Einladungen mehr zu Maischberger, Plasberg und Co als vorgesehen abgefunden; Talkshows sind ja das Asset der ARD-Anstalten. Und dann müssen die Grünen halt genügend Sitze in den zuständigen Aufsichtsgremien erringen, so wie das alle anderen großen Parteien auch getan haben. +++

+++ Nochmal zum o.g. Endgerät: "Obwohl The Daily 'dieses, vielleicht auch nächstes Jahr' nur auf dem iPad zu lesen sei, werde die Exklusivität irgendwann enden, sagte Murdoch: 'Früher oder später werden wir auf allen Tablet-Computern sein.'" Dazu Mit Googles "Honeycomb" "beginnt der Wettbewerb um den Tablet-Markt richtig, weiß dazu der FAZ-Netzökonom. +++

+++ Falls die ARD heute abend nicht wieder einen "Brennpunkt" einschiebt, dann lässt sie um 20.15 Uhr "Das Hochzeitsschiff" vom Stapel laufen. Peer Schader informiert in der BLZ über internationale Vorbilder.+++ Und vielleicht könnte das ZDF aus aktuellem Anlass "Das Traumschiff: Ägypten" ins Programm heben? +++

+++ Stimmen zum gestern gemeldeten Tour de France-Ausstieg von ARD und ZDF (heute auch in der Papier-TAZ): Die Süddeutsche bedauert, dass nicht Haltung, sondern Quoten das offizielle Argument sind. "Das Zuschauerinteresse für den Ausstieg anzuführen ist richtig", so die FAZ unter der Überschrift "Abgestrampelt" (S. 37). "Spät, aber doch" (BLZ). "Längst fälliger Paradigmenwechsel, nach einem Zickzackkurs von ARD und ZDF" (Tsp.). +++

+++ Von speziellen Problemen beim Live-Stream von der Räumung des besetzten Hauses in der Liebigstraße 14 in Berlin-Friedrichshain weiß der Tsp. zu berichten. +++

+++ Hopssala, in einer der Jurys des Grimme-Preises sitzt ein Beamter der Düsseldorfer Staatskanzlei (BLZ). Rainer Weiland heißt er. +++

+++ Großer Deal im internationalen Zeitschriftengeschäft: Der französische Konzern Lagardère verkauft seine "Elle" weitgehend an den US-Konzern Hearst, der nunmehr "größter Herausgeber gehobener Frauenzeitschriften" ist (sueddeutsche.de). +++ Kleine Zeitschriften, aber mit guter Laune: Imra’ah und Gazelle, mit der Zielgruppe deutschsprachige Migrantinnen (Tsp.). +++ Lustlos indes, aber wirtschaftlich erfolgreich: der Fernsehsender Das Vierte (dwdl.de). +++

+++ Notwendige Nachträge: Das Ausscheiden Konstantin Neven DuMonts aus der DuMont-Schauberg Verlagsleitung wurde verblüffend leise besiegelt (SZ neulich). Sozialmedial ist KND aber unverdrossen aktiv. +++

+++ Und Dmax-Star Günter Ludolf ist gestorben. Am Freitag wollen die Ludolfs ihren verstorbenen Bruder Günter auf dem Urbacher Friedhof beisetzen, berichtet die Rhein-Zeitung vom westerwäldischen Ort des Geschehens. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.