Ist der Papst katholisch?

Heute mit: Benedikt XVI., Don Camillo & Peppone, Google Streetview, einem nackten Mannheimer im Kofferraum und natürlich: den DuMonts.

"Welt-exklusive" (Focus-Titel) "Weltsensation" (Focus-Redakteur Dr. Alexander Kissler im Online-Werbevideo dazu): Jetzt spricht also Papst Benedikt XVI. über seinen Glauben sowie sein Leben und seine Sehnsüchte. Da haben wir uns gleich mal den Focus gekauft.

"Das Interview liest sich vor allem wie eine Regierungserklärung", schreibt Wolfram Weimer in seiner "Memo des Chefredakteurs" (S. 9). Und hat absolut recht. Wie ein klassisches Presse-Interview liest sich der Auszug, den der Focus publiziert, nicht. Schon des Papstes erste Antwort auf die erste Frage (elf Zeilen) erstreckt sich über 66 Zeilen, und so geht es weiter.

Die (laut Süddeutscher Zeitung vierzehnzeilige) katholische breaking news des in zumindest einem nicht unbemerkenswert konstruierten Fall (FAZ: wenn "männliche Prostituierte ... die Ausbreitung von HIV verhindern wollten") gelockerten Kondomverbots, die in Papierzeitungen und Internetmedien (nur zum Beispiel: focus.de, evangelisch.de) allüberall weit oben steht, kommt im Focus nicht vor. Sie geht offenbar auf einen Sperrfristenbruch des Osservatore Romano am Samstag zurück.

Ein bisschen um Sextourismus ("Die Zerstörung", die der "über unsere Jugend bringt, sagen die Bischöfe, können wir uns gar nicht vorstellen") geht es im Focus. In einer Randspalte plaudert der Papst aus, dass er sich abends mit den Sekretären gern "Don Camillo und Peppone"-DVDs anschaut. Zwei Nichtpäpste erfahren die Ehre, vom Papst zitiert zu werden: Antoine de Saint-Exupéry und Jürgen Habermas. Und grundsätzlich muss man Benedikt konzedieren, dass er auf die teils erstaunlich verschwurbelten... nun ja: Fragen ("Viele Menschen sehen in den Zeichen dieser Zeit bereits das Signum einer Endzeit. Die Welt gehe vielleicht nicht unter, heißt es. Aber sie gehe in eine neue Richtung. ... ...") gar nicht so übel reagiert.

Die Fragen stellte Peter Seewald, dieser Tage daher ein (im Focus selbst und z.B in der Welt interviewter, in der Zeit porträtierter) journalistischer Shootingstar. Sein papstjournalistisches Erfolgsrezept analysiert die Süddeutsche (S. 2) heute so:

"Seewald war früher Kommunist, heute ist er ein ebenso glühender wie konservativer Katholik, der mithin seine in Fragen verpackten Feststellungen so formuliert, dass der Papst sich liberal davon abhebt."

Originalen Papstsound frei online gibt's beim Focus-Papst-Publikations-Partner, der Bild-Zeitung, die Benedikt heute ihre gesamte Titelseite (ohne Seite-Eins-Girl!) verehrt. Und ab Mittwoch als Buch.

[listbox:title=Artikel des Tages[Endlich spricht der Papst! (bild.de)##Papst-Interviewer-Porträt (Zeit)##Pro und contra Google Streetview (SZ/ Sa.)##Volker Herres spricht & dichtet (Funkkorrespondenz)]]

And now for something completely different (sofern das "Do no evil"-Credo und die Unfehlbarkeit Googles nicht doch eine Geistes- oder sogar Seelenverwandtschaft zum Papst begründen; das muss die Digitaltheologie dereinst entscheiden): Seit Freitag ist Googles deutsches Streetview live geschaltet. Und bot nicht nur Sams- und Sonntagsfeuilletonisten viel Anlass zum Debattieren. Jede Menge Pro- und Contra-Stimmen kamen zusammen, von der FAZ-Warnung vor rumänischen Räubern (siehe meedia.de-Presseschau) bis zu pragmatischem Nutzwert à la "Jetzt weiß ich endlich, wer seinen blöden Köter immer in unseren Vorgarten kacken lässt!" (tagesspiegel.de auf Facebook).

Insofern war vielleicht die beste Idee die der SZ am Samstag, einfach je ein großes Pro- und Contra-Stück von Andrian Kreye bzw. Andreas Zielcke gegeneinander zu stellen. Contra argumentiert Zielcke:

"Google stellt nicht zweckfreie städtische Panoramen her wie Canaletto. Es verfolgt mit Street-View handfeste betriebswirtschaftliche Absichten. Das ist nicht des Teufels, bedeutet aber, dass die Bilder in Kontexte gestellt werden, die weder der Hausbesitzer noch der 'User' des Dienstes überschauen, schon gar nicht die künftigen Kontexte."

Sozusagen als König aller gegenwärtigen Kontexte entpuppte sich rasant schnell ein nackter Mannheimer in seinem Kofferraum.

Seine Streetview-Originalansicht wird von Google gerade überarbeitet und wahrscheinlich stark verpixelt. Das Bild selbst ist natürlich dennoch in der Welt, schon 100e Male reproduziert worden und daher bestens ergoogelbar. Auch zu sehen bei der Bild-Zeitung, die den Mann (was dank Googles Adress-Service ja auch nicht schwer war) ausfindig machte und befragte. Er sagt:

"Es war Sommer und bullenheiß. Ich hatte gerade meinen Kofferraum geputzt und nur eine kurze Hose an. Ich überlege, Google wegen dieser Unverschämtheit zu verklagen!"

Die wohl harscheste Google-Kritik allerdings entstammt dem FAS-Feuilleton. Googles Pro-Argument, der Streetview-Service "spart Zeit, Kosten und leistet auch einen Beitrag zum Klimaschutz" (hier unter der Rubrik "Umweltschutz"), konterte dort Johanna Adorján:

"Noch zeit- und kostensparender wäre nur, sich auf der Stelle umzubringen."
 


Altpapierkorb


+++ Eigentlich passt zwischen die Öffentlich-Rechtlichen und das Grimme-Institut selten ein Blatt Papier. Jetzt aber sagt Grimme-Chef Uwe Kammann: "Eine solche Entscheidung widerspricht völlig dem Programmauftrag der ARD". Es geht um den Plan, den letzten Dokumentations-Sendeplatz in der Prime Time weiteren Talkshows zu opfern (die sich ja ausbreiten müssen, wenn auch noch Jauch für die ARD talken und weder Will, noch Plasberg usw. schweigen sollen). Siehe Spiegel. +++ Funkkorrespondenz: "Jetzt stelle mer uns mal janz blöd: Wann kommt endlich der Mut der ARD zu einem Programmplatz für den 'Dokumentarfilm des Monats': 90 Minuten auf einem Primetime-Sendeplatz im Ersten?" - ARD-Programmdirektor Volker Herres: "Die einfache Antwort: Das wäre kein Mut, das wäre töricht." - FK: "Warum? Ihnen würde das höchste Lob aus den Feuilletons dieser Republik zufliegen." - Herres: "Ja, nichts würde mich mehr erschrecken." (Im gleichen extensiven Exklusivinterview dichtet Herres auch noch: "Die ARD ist groß, die ARD ist weit, das macht auch nichts, sie hat ja Zeit."). +++ Die Sorge um den Montags-Doku-Sendeplatz relativiert sich etwas angesichts des Unfugs, der dort derzeit meist gesendet wird. Heute: "Die Guttenbergs" (siehe Süddeutsche: "Wir sind Adel", TAZ, TSP). +++

+++ Und Die DuMonts? Bildeten natürlich sowohl für die Kölner Bild-Zeitungs-Ausgabe (die bekanntlich mit dem DuMont'schen Express konkurriert und meldete: "Vater macht Urlaub auf Malle") wie auch für die Sonntagszeitungen ein dankbares Thema. In der WAMS sah Arne Willander darin eine "Familientragödie" sowie "grimmiges Bauerntheater" (im Unterschied zur Alltags-Welt, die ja bloß eine "Saga" sah). +++ Für den Sonn-Tagesspiegel beobachtete Thomas Gehringer Konstantin Neven DuMont "auf dem Podium in der Kölner Messehalle" während der Hauptversammlung des 1. FC Köln letzte Woche. Da tat KNDM "etwas, was er zuletzt selten getan hatte" (und was auf der 1. FC Köln-Hauptversammlung wohl auch nur wenige taten): "Er schwieg." Außerdem geht es da um die kölschen Medienberichterstattung zum Fall. +++ Die FAS beglossierte bloß ein wenig (aber nicht durch Stefan Niggemeier) den 2000. Kommentar zum Niggemeier-Blogeintrag "Ein Sandkasten für Konstantin Neven DuMont", der am Freitag um 18.57 Uhr erschien und "jo endlich .-)" lautete, leider aber dennoch keinen Schlusspunkt setzte. +++

[+++ Etwas unbeachtet letzte Woche: Aus irgendeinem lässt die Berliner Zeitung (DuMont Schauberg) die RTL-Reporterin Antonia Rados kolumnieren, die sich aus irgendeinem Grund das deutsche Phänomen Charlotte Roche in Beziehung zu "dem Orient" setzen zu müssen meinte, dabei unfassbaren Unfug verzapfte und sich dann entschuldigte. +++]

+++ Fast so groß wie heute der Papst auf der Bild-Zeitung, so gestern auf der BAMS: "Wir sind in großer Sorge um zwei Kollegen". Chefredakteur Walter Mayer kommentierte den Fall der im Iran gefangenen, weiterhin nicht namentlich genannten Reporter: "Weil man die Wirklichkeit nicht aus zweiter Hand ergründen kann, weil Google nicht ausreicht, um eine Story zu begreifen, weil nichts das Auge des Reporters ersetzt, sind unsere Leute losgefahren, um die Geschichte dieser unglücklichen Frau vor Ort zu recherchieren." +++

+++ Julian Assange wiederum sei nun "auf der Flucht vor der schwedischen Justiz". Die Wikileaks-Server dagegen bleiben in Schweden, in einer "atombombensicheren unterirdischen Halle", berichtet Reinhard Wolff in der TAZ. +++

+++ Medienpapst Rupert Murdoch plant eine iPad-Tageszeitung zu 72 Cent pro Woche (TSP, BLZ).+++

+++ Altpapier-Leser wissen: TAZ-Medienredakteur David Denk ist jemand, der noch auf Umgangsformen unter Medienmenschen achtet. Als ihn gerade in Baden-Baden, "weit nach Mitternacht", eine junge Frau am Tisch um eine Zigarette anschnorrte, aber "nicht etwa für sich, sondern 'für den Herrn Redakteur vom ZDF', der an der Bar hockt und offenbar das Laufen verlernt hat", da ekelte ihn die deutsche TV-Branche wieder an. +++


Neues Altpapier gibt's wieder am Dienstag.