Seibert in action

"Merkels schönster Mann!" ist nicht mehr ihr Außenminister. Alles über Steffen Seiberts erste Performance im neuen Amt. Wie sah er aus? Sagte er auch etwas? Außerdem: echte Medienpolitik (von Aygül Özkan).

Das wahrscheinlich strahlendste Lächeln unter den vielen strahlenden, mit denen Steffen Seibert in letzter Zeit zu glänzen verstand, prangte gestern oben vorn auf dem Tagesspiegel. Weil das wirklich ein zeitloser Stimmungsaufheller zu sein verspricht, haben wir es gleich mal fotografisch dokummentiert.

Am gestrigen Montag also performte der in der Woche zuvor urkundlich zum Staatssekretär ernannte Ex-ZDF-Mann erstmals als Regierungssprecher vor den Hauptstadtjournalisten in der Bundespressekonferenz. Und so hat er es dann auch gleich wieder in seine alte Heimat geschafft, das "heute-journal" im ZDF. Obwohl es sich bei der gestrigen Ausgabe um eine nur zehnmînütige Fußballspielhalbzeitpausen-Version handelte.

Das "heute-journal" (Video) nannte Seibert einen "Ex-Nachrichtenmoderator", mit dessen Vorstellung die Bundesregierung von allen alten, teils verschärften Streitthemen "nochmal abzulenken" versuchte. Holla! Wenn das ZDF auf einmal grundsätzliche Distanz zur aktuellen Bundesregierung beweisen wollen würde, wäre das ein erhebliches Verdienst Seiberts.

In den wenigen Sekunden des ZDF-Beitrags, in denen Seibert frontal beim Sitzen auf dem Podium gezeigt wurde, also in der hauptsächlichen Arbeitsposition eines Regierungssprechers, schien er übrigens so schief auf dem Podium zu hängen, als versuchte er, die dynamische Schiefe des Ex-Kollegen und Erfolgsmoderators Claus Kleber zu imitieren (vgl. unser zweites Foto). Oder hat da ein ZDF-Kameramann seine Kamera absichtlich schief gehalten?

Das müsste sich ja im entsprechenden Beitrag der ARD-"Tagesthemen" (Video) überprüfen lassen. Dort wird Seibert als "Ex-Journalist und Ex-ZDF-Moderator", ja: "bis vor wenigen Wochen Top-Journalist beim ZDF" vorgestellt. Und intensiv beim Malträtieren eines Stiftes in seinen Händen gezeigt. Dieser Beitrag fängt gut an.

Dann allerdings wird nochmals Vorvorgänger Klaus Bölling, den jeder, der sich ein wenig für Seiberts neue Rolle interessiert, schon tausendmal gesehen und gehört hat, zu grundsätzlichen Dingen des Regierungssprecher-Daseins befragt. Ferner Talkshowhengst Hans-Ulrich Jörges und Hugo Müller-Vogg. Auf seinem Podium ist Seibert nicht zu sehen. Stattdessen entblödet sich die ARD nicht, ihn am Ende vor dem Bundespresseamt zu fragen, ob er sich auf seine neue Rolle freut ("Die Antwort heißt ja"). Solche Hauptstadtstudiojournalisten wird Seibert auch im Zustand allergrößter Nervosität in die Tasche stecken.

Müller-Vogg wiederum ist ja hauptsächlich für die Bild-Zeitung unterwegs ("Berlin intern"). Und kann sich dort vor Begeisterung gar nicht einkriegen. "Merkels schönster Mann" titelt er, "Merkels schönster Mann!" zitiert er später sich selbst. "Lausbübisches Lachen, jungenhafter Haarschnitt". "Da werden Seiberts vor Aufregung gerötete Wangen noch etwas röter." Herrje. Vielleicht wäre Müller-Vogg doch auch ein Mann für die ARD, wenn mal wieder ein Hauptstadtstudiochefposten oder so etwas frei wird?

Falls Sie sich wundern, dass das bei bild.de eingebundene Video doch vergleichsweise seriös wirkt - das stammt von der Agentur Reuters und ist z.B. auch bei faz.net zu sehen.

In der FAZ wiederum gibt es auch eine ausführliche Textreportage von Günter Bannas, an deren Ende Seibert selber äußert über seinen ersten Auftritt: "Hier war noch viel Luft nach oben".

[listbox:title=Artikel des Tages[TAZ über Seiberts Debüt##sueddeutsche.de dazu##Özkans Medientreffen in der HAZ##FAZ-Blog über Kreuzfahrt-TV]]

Aber ging es bei Seiberts erstem Sprecher-Auftritt eigentlich ausschließlich um Seibert und vielleicht noch Angela Merkels Urlaub? Nein, es gab auch inhaltlich Themen, lässt sich der TAZ-Medienseite entnehmen. Dort wird nicht bloß das "nicht nette" Friedhelm-Ost-Zitat zitiert ("Oft bin ich nicht an die richtigen Quellen gekommen"), mit dem Seibert in der Bundespressekonferenz begrüßt wurde. Dort wird auch beschrieben, wie Seibert gestern nach den aus den Medien bekannten Drohungen der deutschen Atomkraftwerksbetreiber gefragt wurde und darauf sprecherhaft zu reagieren versuchte.

Achtung übrigens, den TAZ-Beitrag illustriert ein DPA-Foto, das Seibert zeigt, als sei er heimlich beim Hypnotisieren widerspenstiger Hauptstadtjournalisten (dem gestern aktiven ARD-Team?) erwischt worden. Seiberts ganz große Stärke liegt eben doch in seinem Blick.

Letzte Etappe dieser heutigen Seibert-Schau soll der Chefredakteurs-Beitrag zu seiner Begrüßung auf sueddeutsche.de sein. Hans-Jürgen Jakobs beobachtete Seibert ähnlich intensiv wie Hugo Müller-Vogg das tat, aber mit weniger Wohlwollen:

"Doch sein Aussehen hat sich irgendwie verändert. Der Schutz des Studios ist weg, der alte Flirt mit der Kamera funktioniert nicht mehr. Hier wirkt der 50-jährige wie ein Schlaks, wie ein politischer Konfirmand. Die Haare etwas kürzer, streng gescheitelt, die Wangen gerötet, steht Steffen Seibert kerzengrade im Raum, leicht schwankend wie ein Weizenhalm im leichten Sommerwind. Er weiß nicht, wohin mit den Beinen in dem etwas zu weiten Anzugstoff."

Immerhin, "kerzengrade" Haltung bekommt Seibert bescheinigt. Scheint im ZDF doch bloß ein Kameramann die Kamera schief gehalten zu haben.


Altpapierkorb

++ Es wird auch ernsthaft und nicht nur vor laufenden Vollprogramm-Kameras Politik betrieben, sogar von der CDU. Am Montag fand in Hannover das Treffen der niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan mit Medienvertretern statt, das wegen der von der Ministerin geplanten und dann mit etwas Bohei wieder abgesagten "Mediencharta" für Aufsehen sorgte. Die Süddeutsche hat sie dazu (bzw. "über Medien, Migranten und Ramadan bei RTL2") interviewt. Özkan ist schon ganz schön routiniert. Trotz beharrlicher Nachfragen vermeidet sie es, von einem Fehler zu reden. +++ Von Inhalten des Treffens kündet die (von Özkan gelobte) Hannoversche Allgemeine Zeitung. Z.B. habe Zahra Deilami, Integrationsbeauftragte der Stadt Peine, moniert: "Obwohl drei von vier türkischen Frauen kein Kopftuch trügen, zeigten deutsche Medien Türkinnen meist mit Kopftuch". +++ Außerdem suche Özkan ein "neues Wort für 'Menschen mit Migrationshintergrund'" (TAZ kurz). +++

+++ Faustdicke Überraschung mitten im ARD-Programm: Anne Will soll jetzt "locker, humorvoll, selbstironisch, energisch, nachfragend" sein! Hat der Tagesspiegel beobachtet. +++ Der außerdem den Kleinkrieg zwischen den Focus-Fürsten Helmut Markwort und Wolfram Weimer beleuchtet. +++

+++ Das Fernsehen kurbelt die Kreuzfahrtwirtschaft an, z.B. mit "Kreuzfahrt ins Glück" ("Spiegel TV Extra"), "Mit dem Luxusliner zur WM" (RTL mit Buchungstipps), "Hamburg–New York", "Wiso", "Der Landarzt" (jeweils ZDF): So viele Sendungen hat nur Peer Schader im Blick, der darüber nun in FAZ und, zum Onlinelesen schöner aufbereitet, im FAZ-Fernsehblog berichtet. +++ "Na also, geht doch", nimmt Michael Hanfeld (FAZ) zufrieden die neue Transparenz bei den Intendantengehältern zur Kenntnis. "Was sagt uns das? Doch wohl am ehesten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel unterbezahlt wird." +++

+++ Gibt es eigentlich das Digitalradio noch? Oder schon? Siehe FTD. +++ Die Bundesligaklubs müssten "trotz der tiefroten Zahlen" des Bezahlsenders Sky "nicht damit rechnen, dass die Zahlungen für die Fußballrechte reduziert würden", ließ sich das Handelsblatt von Sportvorstand Carsten Schmidt sagen. +++

+++ Die deutschen Google-Printanzeigen fürs umstrittene Streetview, die "sich auf einem schmalen Grat zur Redundanz" bewegen, zeigen zumindest, "dass die Kritik bei den Kaliforniern ankommt" (TAZ). +++ Das Magazin Missy sei bei einem "Makeover" "ein bisschen queerer und weniger mittelstandsweiß" geworden, aber immer noch "anschlussfähig", meint die TAZ. +++

+++ Jetzt hat's FDP-Medienexperte Burkhardt Müller-Sönksen mit seiner jüngsten Rundfunkgebühren-Prognose (siehe Altpapier vom Freitag, Bild-Zeitung vom Donnerstag) auch in die Berliner Zeitung geschafft, die allerdings anders als Müller-Sönksen von zukünftig sinkenden Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender ausgeht: "Auch beim ZDF tagen im Herbst sogar mehrere Arbeitsgruppen." +++
 

Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.