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111 Stufen sind erklommen, aber zufrieden ist nach 37 Drei-Stufen-Tests niemand. Die Öffentlich-Rechtlichen "depublizieren" demonstrativ, ihre Gegner schimpfen, ein Ex-Bundesverfassungsrichter wirft die Diskussion um Jahre zurück.


Läuft eigentlich das Sommerloch nun schon?

Wie so viele Antworten, so liegt auch die auf diese Frage im Auge des Betrachters. Über die nach allen Regeln der Hochbürokratie abgeschlossenen Drei-Stufen-Tests der ARD bzw. ihrer angeschlossenen Anstalten zum Beispiel muss man sich nicht aufregen. Die Süddeutsche lässt es mit einer 14zeiligen Meldung auf der Medienseite, "ARD genehmigt sich alles", bewenden. Aber man kann es. Die FAZ bringt gleich auf ihrer Titelseite Meldung (online ähnlich) und Kommentar.

Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD, in der die Vorsitzenden der Rundfunkräte der ARD-Anstalten sitzen, stellte gestern die Ergebnisse der Drei-Stufen-Tests für 37 "Telemedienangebote", vor allem Internetangebote, vor. Diese Gremien

"haben über ein Jahr lang in rund 300 Sitzungen mehrere tausend Seiten Unterlagen gesichtet und die Stellungnahmen Dritter, die Ergebnisse der marktökonomischen Gutachten sowie sonstige externe Expertisen ausgewertet."

Und sind erwartungsgemäß ausgesprochen zufrieden mit dem, was ihre Anstalten so tun.

Genauso erwartungsgemäß gar nicht zufrieden sind die bekannten Gegner in der Auseinandersetzung um das, was mit GEZ-Gebühren im Internet finanziert werden sollte.

Carta-Gründer Robin Meyer-Lucht ist als Betreiber eines "Strategieberatungsinstituts für Medienökonomie und Medienwandel" befangen, wie er auch selber disclaim-t. Allerdings ist es auch schwer, sich unbefangen für das Thema zu begeistern. Meyer-Lucht also schreibt in seiner Bilanz der Drei-Stufen-Tests unter anderem:

"grandiose Selbstermächtigung"; "verbindliche Qualitätsstandards abgelehnt"; "Provokation und Machtprobe"; "Geschichte eines inszenierten Scheiterns"; "Hinterzimmeraufsicht"; "abstruse Verweildauern für journalistisch-redaktionelle Sendungsbeiträge"; "Rundfunkanstalten ... im Internet als gebührenfinanzierte Me-Too-Anbieter"; sie "negieren ...den EU-Ansatz, wonach Subventionen nur durch einen qualitativen Unterschied zu rechtfertigen sind"; "Autosuggestion..., dass alles, was dem Etat der Anstalten dient, gut für die Meinungsvielfalt und die Gesellschaft sei".

Und natürlich: "Legitmationsverlust des (öffentlich-rechtlichen) Systems in der digtitalen Medienwelt".

Der kenntnisreiche Text weist z.B. darauf hin, dass "öffentlich-rechtlichen Online-Angebote ... pro Visit im Schnitt das 3- bis 6-fache an Geld wie ein privatwirtschaftliches Angebot" "benötigen - und erhalten". Gegen solche fundierte Eloquenz stinkt die aktuelle Aufregung der offiziellen Lobbyverbände der Zeitungsverleger ("Farce", "abgenickt", "Das wird wieder ein Thema für Brüssel") und der Zeitschriftenverleger ("skandalös", "Augenwischerei", "nötigenfalls die Gerichte...") geradezu ab.

Dass der Carta-Text schon am Montagabend erschien, bevor am Dienstag die Gremienvorsitzenden ihre Resultate vorstellten, tut nichts zur Sache. Denn bekannt waren die Ergebnisse schon. Überraschend am ganzen Verfahren ist eigentlich nur, wie überraschungsfrei es ablief. Wer etwa erwartet hatte, dass zumindest einmal irgendein Rundfunkrat gegen ein Angebot seiner Rundfunkanstalt etwas einwenden würde, um wenigstens pro forma den schon im Voraus überall bezweifelten Anschein der Unabhängigkeit solcher Gremien zu unterstreichen..., wer vielleicht sogar hoffte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde fürs Internet Kernkompetenzen definieren, wurde enttäuscht.

Dennoch gab es bei der Gremienvorsitzendenkonferenzpressekonferenz gestern Neues. Einerseits die topaktuelle News über die Online-Verweildauer künftiger Günther-Jauch-Shows der ARD ab September 2011: Sie werden "sieben Tage nach Ausstrahlung nachzusehen sein", schreibt der Tagesspiegel. "Das hat Jauch vertraglich so gewollt, wer weiß, vielleicht macht er nach dieser Frist ein Pay-on-demand draus."

Zweitens wurde die Debatte um noch ein weiteres, aus GEZ-Gebühren finanziertes Gutachten bereichert. "Presse macht Rundfunk" heißt es und stammt vom früheren Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Hans-Jürgen Papier. Darüber echauffiert sich Michael Hanfeld per Kommentar auf der FAZ-Titelseite:

"Du bist Rundfunk, ich bin Rundfunk, wir alle sind Rundfunk. Sie betreiben einen Blog im Internet? Dann sind Sie Rundfunk. Sie arbeiten für einen Verlag, bei einer Zeitung, einer Zeitschrift, die einen Online-Auftritt unterhält, mit Texten, Bildern, kurzen Filmen? Dann arbeiten Sie für den Rundfunk. Eigentlich ist jeder Rundfunk, der eine Website betreibt. Und eigentlich muss sich jeder dafür rechtfertigen, denn für den Rundfunk braucht man entweder eine Lizenz vom Staat oder muss ihn direkt im Auftrag des Staates betreiben, so wie die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF...."

Tatsächlich: Ausgerechnet den uralten Begriff des Rundfunks, den die digitalen Generationen allenfalls mit dem Radio und kaum mehr mit dem klassischen Fernsehen assoziieren, im 21. Jahrhundert noch auszuweiten und so versuchen, das Internet unter Kontrolle zu kriegen, könnte gegen Ende der Diskussionen um den aktuellen Rundfunkstaatsvertrag ein ganz neuer Tiefpunkt sein.

[listbox:title=Artikel des Tages[Carta über die Drei-Stufen-Tests##FR/BLZ über die Drei-Stufen-Tests##Tsp. über die GVK-PK##Achtungserfolg für Murdochs paid content (FTD)]]

Bleibt noch, darauf hinzuweisen, dass die Öffentlich-Rechtlichen auch nicht zufrieden sind. Erstens lautet ja eine goldene Regel der Lobbydemokratie, sich niemals zufrieden zu zeigen, weil man sonst beim Nachbessern bestraft wird. Zweitens müssen öffentlich-rechtliche Internetauftritte gerade zehntausendfach, millionenfach "depublizieren". Und lassen sich bei dieser absurden, eigentlich von niemandem so gewollten Tätigkeit gern über die Schulter schauen (FAS neulich, inzwischen online; FR/ BLZ heute).

Kleiner Trost, oder auch gerade nicht: Depublizieren ist nicht für immer. "Die Inhalte verbleiben in unserer Datenbank, werden aber nicht mehr über unsere Webserver ausgespielt. Die Meldungen dürfen wieder 'leben', wenn ein Ereignis eintritt, das eine erneute Berichterstattung rechtfertigt", informiert der tagesschau-de-Blog.

Bleibt zweitens noch, als Gegenleistung für unser attraktives Foto oben, auf die öffentlich-rechtliche Qualitätstelenovela "Rote Rosen" und ihren Internetauftritt hinzuweisen. Die alte Privatfernsehnase Lilo Wanders wirkt bald auch mit. Online lassen sich derzeit fünf "Rote Rosen"-Folgen abrufen (Folgen 836-840), daneben gibt es rockige Videoberichte zum Beispiel vom "Vorspann-Dreh in Lüneburg". Ferner "Rote Rosen" als Puzzle sowie als "Legespiel".
 


 

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+++ Bonusmaterial zur Debatte: ein großer TAZ-Kommentar, in dem Mathias Greffrath zum Bezahlen der GEZ-Gebühr und ihrer Nachfolger aufruft: "Mit der Haushaltsabgabe ist ein Schritt in die Richtung getan: Rundfunk ist als nationales Kulturgut anerkannt und den Schulen, Universitäten, Theatern gleichgestellt - aber ebenso Parks, Stadien und Musicalbühnen. Wir zahlen dafür Steuern; wir zahlen für Wasser und Strom." +++

+++ Seit Anfang des Monats lebt die zwar von Rupert Murdoch besessene, aber altehrwürdige britische Times im Internet hinter dieser Bezahlschranke. Natürlich hat sie viele Online-Leser verloren, aber weniger als in schlimmsten Befürchtungen (Süddeutsche), wie sie z.B. der konkurrierende Guardian gern hegt. Ein "Achtungserfolg" für Murdoch, meint die FTD. +++

+++ Das "Haus der Presse" gibt es in Berlin. Dort sitzen BDZV und VDZ. Das "Haus der Journalisten", das Cordula Echterhoff und Andree Thorwarth planen, wäre etwas völlig anderes. Es soll verfolgten internationalen Journalisten Zuflucht bieten. Noch fehlen Spenden (TAZ). +++

+++ TV-Tipp des Tages: eine Arte-Doku über die Lufthansa in der Nazizeit (Tsp., TAZ, FAZ...). +++ Niemand lobt Persönlichkeiten des Fernsehproduktionsgeschäfts schöner als Tilmann P. Gangloff. Heute: den künftigen Studio Hamburg-Chef Carl Bergengruen, der derzeit noch der SWR-Fernsehfilmabteilung vorsteht (KStA). +++

+++ "Youtube, Facebook, so etwas braucht es heutzutage alles, um Literatur an den Leser zu bringen": BLZ-Kolumnist Marin Majica bringt anhand von Paula Lamberts Guerilla-Strategie auf den Stand. +++ Was heute indes fehlt: eine Medienkriegsreportage in der TAZ. +++

+++ Der Aufmacher der SZ-Medienseite befasst sich mit der Aufführung von Eric Friedlers Film "Aghet" im Kapitol zu Washington (vgl. TAZ gestern). +++ Und die FAZ-Medienseite bringt am Rande ihrer TV-Tipps die brandheiße Personalie, dass Martin Stadelmaier, "die rechte und die linke Hand des Ministerpräsidenten Kurt Beck", "der wichtigste Medienpolitiker der SPD", ja des Landes, müsste man sagen, doch nicht Verwaltungsdirektor des ZDF wird. Gerüchte, dass er es werde, habe es aber gegeben. Naja. "Damit hat sich das ZDF aus Kurt Becks Umklammerung ein wenig befreit", schreibt die FAZ. Ob Becks Umklammerung die heftigste Umklammerung des ZDF war, schreibt sie allerdings nicht. +++

+++Schließlich noch: der (kurze) Teil 1 der Pantelouris-Livereportage auf neon.de.... +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.