Der kleine "Nachrichtensender" N 24 wird groß oder zumindest unabhängig. Es hatte schlimmer kommen können? Kommt zum "Schaden aller"? Jedenfalls sieht sich Mitbesitzer Stefan Aust beinahe schon als neuer Stefan Raab...
Gestern ist "Deutschlands größter unabhängiger Informationsproduzent" entstanden, zumindest nach eigenen Angaben der neuen "N24 Media GmbH".
Beziehungsweise hat es der kleine Fernsehsender N 24, der rund 1,4 Prozent des Fernsehwerbungs-relevanten Publikums erreicht, dank geschickter indirekter Öffentlichkeitsarbeit (auf Umwegen über plaudernde Investoren und empörte Medienwächter) geschafft, als wichtiger "Nachrichtensender" in den Sprachgebrauch zu gelangen. Heute, nachdem die monatelangen Verkaufsverhandlungen abgeschlossen sind, nochmal ganz besonders. Überall werden zahlenreiche Dealdetails vermeldet, an vielen Stellen wird kommentiert.
"Es hätte schlimmer kommen können" (dwdl.de), "kommt besser, als man erwarten durfte: N24 wird nicht zerschlagen, der Sender wird zwar verkauft, allerdings an Leute, die etwas vom Geschäft verstehen" (FAZ, S. 39), nämlich Stefan Aust, den bisherigen Geschäftsführer Torsten Rossmann (Foto v.r.n.l.) mit jeweils 26 Prozent, sowie weitere Manager.
Angesichts der Alternativen - bekanntlich hatte sich um den N24-Kauf u.a. auch der russische Millionär Dimitri Lesnewski (Ex-"Das Vierte"-Eigentümer) beworben - "ist der Management Buy-Out ...eine gute Lösung", meint Christopher Keil in der Süddeutschen. Den Ankündigungen glaubt er aber dennoch nicht wirklich ("Genau so äußern sich Unternehmensberater, die Personal abbauen, Etats verkleinern und verkünden, dass auf diese Weise mehr oder die gleiche Qualität entsteht"). Und räumt auf der Medienseite dem kleinen Kommentar "Der N24-Verkauf ist ein Fehler" Platz ein. Da argumentiert Caspar Busse im Namen der Allgemeinheit:
"Nachrichten sind ein wichtiger Bestandteil eines Vollprogramms. Es ist ein Irrweg, zu glauben, eine solche Kernkompetenz könne einfach an Dritte ausgelagert werden, wie der Kantinenbetrieb... Wenn wie angekündigt weiter gespart und massiv Personal abgebaut wird, droht eine wirtschaftliche Abwärtsspirale - zum Schaden aller."
Ja, das duale System des deutschen Fernsehen wird "gedrittelt", würde Joachim Huber (Tagesspiegel) sogar sagen, weil ProSiebenSat.1 nun "News von draußen, News für die Hälfte" bezieht. Und die Finanzinvestoren-besessene AG, die bildet für ihn als Fernsehverbraucher jetzt das böse Drittel.
Der Konzern hat sich halt Information "zum Flatrate-Tarif. Kostenairbag inklusive" gesichert, schreibt Daniel Bouhs, auch er ein großer Informationsproduzent (mehr im Altpapierkorb, Position 2), in der TAZ - "und übt seine publizistische Verantwortung nur noch mit Unterschriften unter Lieferverträge aus".
Wenn z.B. laut N24 Media mittelfristig "eigenes deutsches Videojournalisten-Netzwerk" aufgebaut werden soll, gehe das "zulasten der Qualität, denn wie soll sich ein Reporter noch auf den Inhalt konzentrieren, wenn er mit der Technik beschäftig ist, weil er als Journalist und Techniker in Personalunion unterwegs ist?" So die TAZ.
Die 14 Direktoren der 14 Landesmedienanstalten haben bereits, für ihre Verhältnisse reaktionsschnell, ihre "Besorgnis über Arbeitsplatzabbau" kundgetan. Denn vor der Schaffung von 13 neuen VJ-Stellen muss freilich erstmal der Abbau von 72 anderen geschafft werden.
[listbox:title=Artikel des Tages[TAZ über P7S1, N24, Aust##SZ über P7S1, N24, Aust##kress.de über P7S1, N24, Aust##Tsp. kommentiert##TAZ lobt Kohl!##"Der Kommissar" auf DVD & Youtube (Frtg.)]]
Nur der Vielstimmigkeit wegen: Von völlig anderer, eher anlegerschützerischer Seite wird zu Bedenken gegeben, dass P7S1 auch noch nach dem Verkauf, trotz "Gewinnverbesserung von mehr als 25 Millionen Euro" (Tsp.), "Verlust mit Nachrichten" (Dow Jones) macht.
Aber Stefan Aust, der Medien-Tausendsassa, wird schon seinen Schnitt machen, sind die Berichterstatter überzeugt. Aust und Co haben "vermutlich auf mittelfristige Sicht eine kleine Geldmaschine an die Hand" (Christian Meier, kress.de).
Einerseits wird Aust sein der Öffentlichkeit unbekanntes, aber in der Mediennische legendenumwobenes Magazin-Projekt "Woche" "miteinbringen" (KStA). Bei der telefonischen Pressekonferenz gestern schwärmte er von einem "'Hybrid-Magazin' mit gedrucktem Heft, Web-Portal und TV-Format" (meedia.de). Wobei, denkbar sei auch, "auf eine Printausgabe zu verzichten und das Magazin nur im Internet zu starten" (KStA).
Andererseits wird Aust für seinen N24-Anteil zwar "persönlich haften" und nicht über seine Produktionsfirma Agenda Media, an der via Studio Hamburg auch der öffentlich-rechtliche NDR beteiligt ist (Süddeutsche nochmal). Doch besteht seine Aufgabe vor allem darin, sich "ab sofort um zusätzliche Aufträge für neue Reportagen und Dokumentationen zu kümmern" (u.a. faz.net). Und wie er das bei den Öffentlich-Rechtlichen schon lange erfolgreich tut, schildert die TAZ:
"Seit Jahren produziert er fröhlich für das ZDF aufwändige Dokus wie einen Dreiteiler zu den Folgen der Globalisierung. Aust frohlockte gestern: 'Dass die ARD mit Stefan Raab zusammenarbeitet zeigt, wie sehr die Grenzen zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen inzwischen offenstehen.'"
Altpapierkorb
+++ Das hat Dr. Helmut Kohl selten in der TAZ gelesen: dass er Recht hat. Weil er nun mal einen der "Medienpreise, mit denen jedeR beworfen wird, der a) noch rüstig genug für mittellange Anreisen und b) auch Jahre nach dem Amtsabtritt immer noch genügend Restprominenz aufweist", ablehnte, erweist ihm Steffen Grimberg diese Ehre. Und hat Recht. +++
+++Gestern gratulierten Daniel Bouhs und Peer Schader in der DuMont-Presse der ARD zu ihrem ausgiebig gefeierten 60. Geburtstag. Heute interviewen sie den aktuellen Vorsitzenden Peter Boudgoust. Es geht um die Sendeplätze von Anne Will, Frank Plasberg und Harald Schmidt und um mehr Geld, das Boudgoust durch die Umstellung der Rundfunkgebühren nicht erwartet. Am Rande kündigt der SWR-Intendant die Einstellung der hauseigenen Zeitschrift "SWR Magazin" an. +++ Kurt Beck lässt den Kölner Verfassungs- und Medienrechtler Karl-Eberhard Hain einen SPD-eigenen Antrag auf Normenkontrolle wegen der nicht so großen Staatsferne des ZDF ausarbeiten (obwohl es ja schon den von Dieter Dörr im Auftrag der Grünen erstellten Antrag gibt), meldet die SZ (S. 15). +++
+++ "Nach vielen Niederlagen in einem seit Jahren währenden Konflikt um die Übernahme der größten serbischen Tageszeitung", der entgegen dem hier in der FAZ (S. 39) gepflegten Tonfall nicht militärisch verlief, "zieht sich die deutsche Mediengruppe WAZ aus Serbien zurück". +++
+++ Ein Kandidat für den Nannen-Preis? Ulf Brychcys St. Aust-Porträt in der FTD. Am szenischen Anfang läuft Aust "zielstrebig" in die "DB Lounge im Berliner Hauptbahnhof", am Ende äußert der bekanntlich "passionierte Pferdezüchter" den allegorischen Satz "Ein gutes Pferd frisst auch nicht mehr als ein schlechtes. Sprich: wennschon, dennschon!". +++ Derweil weist das Handelsblatt darauf hin, dass Austs Sieg eine Niederlage für Jürgen Doetz als Berater des Kaufkandidaten Leswnewski ist. +++
+++ "Am Mittwoch besuchte Jeff Jarvis bild.de und sprach mit den Redakteuren über die Chancen des Online-Journalismus." +++
+++ Vuvuzuelas hin oder her, "empfiehlt sich gerade bei einer WM gelegentlich die nicht-deutsche Tonspur, die die Öffentlich-Rechtlichen trotz ihres subventionierten Bildungsauftrags nicht anbieten" (Freitag). +++ Fußball live auf dem Smartphone macht selbstbewusst (Tsp.). +++ Raymond Domenechs Partnerin Estelle Denis als Sportchefin des RTL-Group-Senders M6, dem die WM-TV-Rechte aber gerade nicht gehören, u.a. Merkwürdigkeiten im französischen Fernsehfußball in der FAZ. +++
+++ Apples "No-Nipple-Policy" und James Joyces "Ulysses" als iPad-Comic (ebd.). +++"...Haben Sie DDR-Fernsehen gesehen?" - "Das war die schönste Fernsehzeit." - "Warum?" - "Das war ein legales, frei verfügbares Metaprogrammierungstool." - "Frei verfügbares was?" ... (kompliziertes, aber unterhaltsam aufbereitetes Freitag-Interview anlässlich des DVD-Erscheinens der alten Fernsehserie "Der Kommissar".