"Ich denk ich schreib euch heute schon beizeiten und sag euch heute schon endgültig ab!" Da schreibt ein Vater an die Heeresverwaltung, denn ein Krieg scheint bevorzustehen. Er möchte "schon beizeiten" darüber informieren, dass seine beiden Söhne nicht als Soldaten zur Verfügung stehen werden. Und dann kündigt er an: "Die werden keine Waffen tragen!"
"Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht", kündigt er an. Die "Achtung vor dem Leben" und die Liebe hätten ihn zu dieser Einstellung bewogen; "keine Ehre, keine Pflicht sind’s wert, dafür zu sterben". Es könne ja wohl nicht sein, dass Eltern ihre Kinder liebevoll und aufopfernd ins Leben begleiten, damit sie dann als Kanonenfutter dienen oder "auf einem gottverlass’nen Feld erfrieren". Seine Vaterpflicht, fährt er fort, verlange von ihm, die Kinder vor allen Gefahren zu bewahren – also werde er nicht zulassen, dass sie in den Krieg ziehen. Mehr noch: Er will "sie den Ungehorsam lehren". Geradestehen sollen sie vor niemand anderem als vor sich selbst. Dann legt der Vater einen Schwur ab: Sollte der Staat die Söhne dennoch verpflichten wollen, werde er mit ihnen fliehen "in Armut und wie Diebe in der Nacht".
Im ersten Jahrzehnt seiner Karriere hätte dem Liedermacher Reinhard Mey niemand zugetraut, dass er einmal so politische Lieder singen würde. Da war er der Poet des Alltäglichen, der mit bemerkenswerter Beobachtungsgabe und in beeindruckend feiner Sprache die Tücken des Alltags und die Eigenheiten der Menschen aufs Korn nahm. Nur von der eigenen Gitarre begleitet, sang er in der Tradition der französischen Barden teils sehr lange und wortlastige Lieder, die eigentlich Geschichten waren. Humorvoll und ohne belehrend zu wirken, hielt er den Menschen und der Gesellschaft einen Spiegel vor. Nicht nur die eigenen Unzulänglichkeiten waren darin zu entdecken, auch die großen Sehnsüchte und Gefühle: "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein." Mit diesen Liedern erreichte er viele Menschen.
Als sich Anfang der 1980er Jahre die Friedensbewegung formierte, widmete sich Reinhard Mey jedoch zunehmend auch politischen Themen. Während "linke" Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt und Dieter Süverkrüp eher parolenartig über Krieg und Frieden sangen, verpackte Reinhard Mey seine Ansichten dazu, ganz wie es ihm entsprach, in zu Herzen gehende Geschichten. Erfolgreich. Als das Lied Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht 1986 erschien, fühlten sich viele davon berührt.
Im Jahr 2004 veröffentlichte er dann ein ganz persönliches pazifistisches Manifest. Anlass war die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan. Im Lied Die Waffen nieder! thematisiert er seine eigene Lebensgeschichte: Er wurde 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, in Berlin geboren. "Ich hab‘ meine Lektion so gut gelernt, hab‘ von so nah den Krieg geseh‘n, dass auch das Kind Begriff, was da geschah", singt er. Die Lehre daraus: "Der Krieg ist ein Verbrechen, kein Krieg ist je gerecht".
Mehr Hintergrundinfos in Uwe Birnsteins Buch "Hits from Heaven . Wie die Songs des Friedens unsere Hoffnung nähren", Verlag Neue Stadt 2022, ISBN 978-3-7346-1285-5.