Eigentlich sind die Flitterwochen etwas sehr Privates. Nicht so bei John Lennon und Yoko Ono. Nach ihrer Hochzeit im März 1969 zelebrierten sie ihre (Friedens-)Liebe in den Hotelbetten ihrer Honeymoon-Reise öffentlich. Wenn sich ein Mega-Popstar mit seiner Frischvermählten den Pyjama überwirft und dazu die Welt einlädt, dann sind Fragen unumgänglich: Wieso macht ihr das? Weshalb im Bett? Warum ausgerechnet jetzt?
John Lennon und Yoko Ono waren die immergleichen Fragen von Fans und Reportern schnell leid. Aus ihrer Sicht ging es ja nur um ein Friedens-Happening. Die großen Friedens-Demos würden ja leider nicht den gewünschten Effekt bringen! Lennon hatte Erfahrung mit Prominenz Yoko Ono mit Aktionskunst. Also ersannen die beiden eine öffentlichkeitswirksame Aktion: ein "Bed-In" für den Frieden. Die beiden legten sich in weißen Pyjamas in ein weiß bezogenes Hotelbett in Amsterdam und öffneten die Türen. Passanten, Reporter und Fans kamen und staunten.
Der immer gleichen Fragen müde, antwortete Lennon schließlich: "Alles was wir sagen wollen, ist: "Gebt dem Frieden eine Chance!" Die Zeile sprach sich gut, "All we are saying – is give peace a chance". Kurzerhand gab er den Worten eine Melodie und sang sie. Das Ergebnis war so eingängig, dass die Menschen mitsangen. Zwischendrin rappte Lennon Nonsens-Texte, in denen er intellektuelle Erklärungen so zusammensetzte, dass sie ihre Wichtigkeit verloren.
Ein dadaistisches Wortspiel, in dem er die Mühe der Friedensdiskussionen als nutzlos entbößte. "Alle reden über Bagism, Shagism, Dragism, Madism, Ragism, Tagism, This-ism, that-ism, is-m, is-m, is-m…" sang er, dann mündete das Wortspiel in die griffige Zeile "All we are saying is give peace a chance". Und weiter ging es in den Strophen, von "Rabbi" zu "Popeye", von "Minister" zu "Kanister", von "Revolution" zu "Masturbation". Und schließlich schmiss Lennon lauter Namen in einem Rap zusammen: "Everybody’s talking bout John and Yoko, Timmy Leary, Rosemary, Tommy Smothers, Bobby Dylan, Tommy Cooper, Derek Taylor, Norman Mailer, Alan Ginsberg, Hare Krishna, Hare, Hare Krishna."
Die "Bed-Ins", die an mehreren Orten stattfanden, wurden fortan auch "Sing-Ins". Am 1. Juni ließ Lennon das Event in dem Montrealer Queen-Elizabeth-Hotel aufnehmen – als Audio und Video. Ein weiterer Gitarrist spielte mit, alle Anwesenden sangen, dabei auch die Sängerin Petula Clark. Auf dem Video sind auch Hare-Krishna-Mönche zu sehen, die zu dem Song im proppenvollen Hotelzimmer tanzen. Im Tonstudio wurde die Aufnahme etwas nachbearbeitet und Anfang Juli veröffentlicht.
Der Song traf den Nerv der Zeit: Der Vietnam-Krieg tobte noch, auf der ganzen Welt fanden Friedensdemonstrationen statt. Give Peace a Chance ließ sich einfach mitsingen; der gleichmäßige Rhythmus hatte etwas mantra-mäßiges und es ließ sich gut dazu klatschen. Im November sangen eine halbe Million Menschen, die am Vietnam Memorial-Day in Washington für den Frieden demonstrierten, den Song.
Fortan war – und ist – er auf Friedens-Demos auf der ganzen Welt präsent. Auch nach der Ermordung John Lennons sangen ihn Fans in New York. Bei YouTube sind unzählige Chöre und Cover-Sängerinnen und -Sänger zu sehen, aus Russland wie den USA, aus Südafrika und Australien. Nach der Invasion Russlands in der Ukraine spielten ihn 200 europäische Radiosender zeitgleich, um gegen diesen Krieg zu protestieren. Trotz aller Kriegsnachrichten: Es ist nie zu spät, dem Frieden eine Chance zu geben.
Mehr Hintergrundinfos in Uwe Birnsteins Buch "Hits from Heaven . Wie die Songs des Friedens unsere Hoffnung nähren", Verlag Neue Stadt 2022, ISBN 978-3-7346-1285-5.